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27.03.25
12:03 Uhr
FDP

Bernd Buchholz zu TOP 30 " Auswirkungen der Northvolt-Insolvenz auf Schleswig-Holstein"

27.03.2025 | Wirtschaft
Bernd Buchholz zu TOP 30 " Auswirkungen der Northvolt-Insolvenz auf Schleswig-Holstein" In seiner Rede zu  TOP 30 (Mündlicher Bericht zu den Auswirkungen der Northvolt-Insolvenz auf Schleswig-Holstein) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
„Lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen. Die erste Vorbemerkung ist: Eine Batteriezellenfertigung nach Europa zu holen oder holen zu wollen war, ist und bleibt richtig. Ohne jeden Zweifel. Und die zweite Vorbemerkung ist: Als Landesregierung Schleswig-Holstein, als Landtag Schleswig-Holstein dafür zu kämpfen, dass an der Westküste Schleswig-Holstein in Heide etwas passiert und Industriearbeitsplätze entstehen, war, ist und bleibt richtig. Niemand stellt das infrage. Und deshalb waren Bemühungen, sowohl des Bundes als auch des Landes, Northvolt nach Schleswig-Holstein zu holen, völlig in Ordnung und auch völlig legitim. Denn es ist im Interesse des Landes Schleswig-Holstein, über 3.000 Arbeitsplätze und eine Brutto-Wertschöpfung zu schaffen, von der man an der Westküste sonst nur träumen kann.
Und deshalb ist es bedauerlich, dass es das Unternehmen nicht geschafft hat. Es ist bedauerlich, dass dieses Start-up-Unternehmen mit dem Wachstum und der eigenen Wachstumsgeschwindigkeit nicht klargekommen ist. Dass die Verzettelung in unterschiedliche Standorte und die nicht in den Griff bekommene Produktionssituation dazu geführt haben, dass man zunächst mal in organisatorische und betriebliche Schwierigkeiten geraten ist und dann in finanzielle. Denn im Verlauf des Prozesses war es eben nicht möglich, in ökonomisch ausreichender Art und Weise Batteriezellen so zu fertigen, dass man in der genügenden Qualität und Quantität produzieren konnte. Das ist bedauerlich. Und umso bedauerlicher ist es auch, dass der Konzern dann in Schweden vor 14 Tagen Insolvenz anmelden musste. Und wir bedauern das hier alle gleichermaßen.
Und es ist in der Tat formal richtig, dass dieses Insolvenzverfahren den Standort Heide und damit auch die deutschen Vermögenswerte von Northvolt nicht betrifft. Aber der Minister hat es in einem Halbsatz gesagt: Das ist natürlich nur formal richtig. Denn in Wahrheit ist die Insolvenz des schwedischen Mutterkonzerns natürlich mit dem, was dieser können sollte, mit seinen Produktionsaktivitäten in Schweden die Blaupause dafür gewesen, was in Heide eigentlich entstehen soll. Es ging darum, das Produktions-Know-how aus Schweden nach Heide zu übertragen und hier diese Fertigung aufzubauen. Und das wird nicht mehr möglich sein. Denn in Wahrheit fand schon im Chapter 11-Verfahren in Houston, in den USA, das statt, was man gemeinhin als die sanierungsmäßige Zerschlagung des Konzerns bezeichnet, nämlich die Einleitung des Verfahrens, die unterschiedlichen Teile des Konzerns aufzuteilen und unterschiedlich zu veräußern. Das Joint Venture mit Volvo ist bereits vor der schwedischen Insolvenz an Volvo verkauft worden. Die Batteriezellenfertigung für die Nutzfahrzeuge ist an Scania verkauft worden, alles mit Zustimmung des amerikanischen Richters in Houston, Texas. Dieser Richter hat quasi schon da der Aufteilung des Konzerns und der Zersplitterung zugestimmt. Deshalb ist die Hoffnung, dass der Mutterkonzern die Aktivitäten auch für Heide weiterführen könnte, eine, ich sag mal, naive Hoffnung, der, glaube ich, niemand mehr anhängt.
Die Hoffnung besteht darin, dass sich jemand findet, der entweder die Gesamtaktivitäten, die noch da sind, erwirbt, oder der die deutschen Gesellschaften erwirbt. Diese dann allerdings ohne das eigentlich notwendige schwedische Know-how, das man zur Batteriezellenfertigung braucht. Das heißt dann auch, es wird jemand sein müssen, der das Know-how zur Batteriezellenfertigung von sich aus mitbringt. Und das sind in der Regel südostasiatische, vor allem chinesische Unternehmen, die so etwas können. Und das stellt wieder weitere Fragen, zu denen ich gleich noch komme.
Das bedeutet aber auch, dass die Rückzahlung der vom Bund über die KfW gegebene Wandelanleihe, also quasi die unternehmerische Beteiligung am schwedischen Mutterkonzern, nahezu ausgeschlossen ist. Denn in der Insolvenz wird die Zerschlagung des Konzerns eine Rolle spielen. Und dass man aus den Masseanteilen, die man bekommt, genügend übrighat, um die sehr nachrangig zu bedienende Wandelanleihe der KfW zu bedienen – mit Verlaub, ich glaube, ernsthaft glaubt das kein Mensch.
Und wenn das so ist, dann ist der Bundesrepublik Deutschland ein Schaden von 600 Millionen Euro entstanden. Und dem Land Schleswig-Holstein durch das Eintreten der Bürgschaft einen Schaden von 300 Millionen Euro. Und dieser Schaden ist nicht kleinzureden. Der Schaden lässt sich, Herr Minister, auch nicht kleinreden, indem Sie wie vor zehn Tagen im Ausschuss sage: Na, es ist ja nicht so schlimm, das ist ja in den Boden von Schleswig-Holstein geflossen. Das ist insoweit richtig, als dass das Geld hier verbaut worden ist, aber wenn man eine Rückzahlungsverpflichtung hatte und die nicht mehr bedient werden kann, dann ändert das nichts daran, dass das ein Schaden ist, denn die 300 Millionen Euro waren nicht als Förderung gedacht, sondern sie waren als Wandelanleihe und Unternehmensbeteiligung mit einem Rückzahlungsanspruch gedacht, der nun nicht mehr bedient worden ist.
Und vor dem Hintergrund wird nun bei 300 Millionen Euro Schaden durchaus etwas interessanter, wie die Entscheidungen dazu getroffen worden sind und auf welcher Grundlage wer wie entschieden hat. Und ich sage ganz deutlich: Natürlich hat ein Unternehmen, das wie Northvolt ein Start-up-Unternehmen war, ein unternehmerisches Risiko. Wenn man da eine Wandelanleihe zeichnet, dann weiß man, dass das kein kleines Risiko ist. Ich weiß noch um die Diskussion in meiner eigenen Fraktion mit der Kollegin Krämer, die ich nur schwer überhaupt dazu bringen konnte, zuzustimmen, als es darum ging, einem solchen Start-up-Unternehmen eine Wandelanleihe zu zeichnen. Wenn allerdings das Parlament insoweit informiert wird, als dass es sich bei Northvolt – und das waren die Formulierungen des Vertreters vom Bundewirtschaftsministerium am 25. Januar 2024, als es zur Entscheidung des Finanzausschusses kam –um ein ‚mustergültiges‘ Unternehmen handelt, ohne dass irgendjemand aus der Landesregierung interveniert hätte, dann darf das Parlament davon ausgehen, dass an dieser Mustergültigkeit keinerlei Zweifel bestehen.
Diese Zweifel gab es aber, wie wir inzwischen wissen. Und diese Zweifel gab es nicht zu knapp. In einer Unterlage, die im Sommer des Jahres 2023 dem Parlament zur Verfügung gestellt worden ist, steht, der Minister hat es schon erwähnt, da in der Tat in einem Halbsatz drin, dass der Bund sich der Firma PwC als Mandatar bedient. Da steht mitnichten etwas davon, dass PwC ein Gutachten erstellt hat. Schon gar nicht, dass dort ein Gutachten zu einer Due Diligence gemacht worden ist, mit der man die Unternehmensbewertung gemacht hätte. Bis zum 25. Januar 2024 zieht sich das hin, als die Präsidentin des Landesrechnungshofs in der Ausschusssitzung die Frage an den Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums stellt, ob es denn ein Gutachten gibt. Und auf die Nichtbeantwortung der Frage durch den Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums anschließend sagt: ‚Sie haben meine Frage nicht beantwortet‘ und erneut keine Antwort bekommt. Die Tatsache, und das haben Sie dann richtig ausgeführt, dass es ein Gutachten von PwC dazu gab, hat das Parlament im Sommer des Jahres 2024 lange nach der Beschlussfassung erfahren.
Aber jetzt geht es darum, was passiert dann anschließend, wenn eine Landesregierung, wie sie selbst in unserer Kleinen Anfrage sagt, zu bestimmten Gutachten 150 Fragen formuliert, dafür allerdings nirgendwo die Antworten dokumentieren kann, sondern sagt, dass sei in Videokonferenzen erörtert worden. Und dann schreibt sie in eine Kabinettsvorlage für den Dezember dann rein, dass Zweifel an der Belastbarkeit der Zahlen, die Northvolt geliefert hat, bestehen. Da müssen doch alle Alarmglocken angehen. Das ist aber nicht alles. Es findet sich, und darüber darf ich jetzt hier nicht reden, in den Unterlagen ja noch viel mehr. Und deshalb geht heute der Appell an die Landesregierung: Machen Sie das, was Sie angekündigt haben. Angekündigt haben Sie, ich zitiere aus der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt vom 6. Januar 2025, ‚Die Landesregierung wird mit ihren Unterlagen so transparent wie es ihr rechtlich möglich ist umgehen und den zuständigen Ausschüssen des Schleswig-Holsteinischen Landtages alle Unterlagen so detailliert und so schnell wie möglich im Rahmen des im Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuss sowie im Finanzausschuss am 12. Dezember 2024 beschlossenen Aktenvorlagebegehrens zur Verfügung stellen‘. Das ist heute nicht der Fall. Denn es geht um die Schwärzungen und um die nicht öffentlich diskutierbaren Teile der Landesregierung, nicht allein um Dinge, die das Bundeswirtschaftsministerium als vertrauliche Betriebsgeheimnisse von Northvolt eingestuft hat. Die Landesregierung hat vor zehn Tagen erklärt, dass sie einen bestimmten Teil der Akten, und da geht es genau um die vorbereitenden Unterlagen für diese Kabinettsvorlage, aus denen sich alle diese Zweifel ergeben und die man dem Parlament gegenüber hätte thematisieren können, wunderbar belegt, dem Parlament gegenüber bzw. der Öffentlichkeit gegenüber nicht transparent machen könnte, weil das zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Landesregierung gehört. Wer das nicht transparent macht, der sät das Misstrauen weiter. Und Herr Minister, lassen Sie mich an dieser Stelle mal etwas sagen. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie seien sich ganz sicher, dass alle hier die Entscheidung genauso getroffen hätten, selbst wenn sie all die Unterlagen gekannt hätten, dann ist das eine ausgesprochen interessante Spekulation. Aber wie kann ein Parlamentarier eigentlich die Pros und Kontras einer Entscheidung abwägen, wenn er die Kontras gar nicht kennt?
Hier geht es darum, diesen Sachverhalt sauber aufzuarbeiten. Hier geht es darum, dass wir sauber erörtern, was in diesen Unterlagen drinstand. Ich sage Ihnen deutlich, ich hoffe sehr, dass sich am Standort Heide ein zukünftiger Investor findet, der darauf eine Batteriezellenfabrik oder auch etwas anderes Hochproduktives an der Westküste baut. Und die Chancen dafür sind mit der Erschließung des Geländes auch nicht schlecht. Wir wollen alle, dass da etwas entsteht. Wir wollen alle, dass da Industrie entsteht, aber wir wollen auch, dass für Schäden Verantwortung übernommen wird. Und wenn Sie Verantwortung übernehmen für das, was passiert ist, ersparen Sie uns allen lange Untersuchungen.“
 
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.



Bernd Buchholz Sprecher für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Innen & Recht, Justiz, Wohnungsbau, Kommunales, Medien, Digitalisierung, Migration, Extremismus/Verfassungsschutz, Polizei, Datenschutz, Landesplanung, Zusammenarbeit HH-SH


Kontakt: Eva Grimminger, v.i.S.d.P. Pressesprecherin
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