Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
26.03.25
17:00 Uhr
B 90/Grüne

Catharina Nies zu häuslicher Gewalt und elektronischer Aufenthaltsüberwachung

26.03.2025
Nr. 090.25
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 2 – Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt und bei Nachstellungen durch den Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und weitere Änderungen des Landesverwaltungsgesetzes
TOP 10 – Besserer Schutz für Frauen durch das Gewalthilfegesetz
TOP 45 – Bericht über die Umsetzung der Ausweitung des Hochrisikomanagements in Schleswig-Holstein
Dazu sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:
Schleswig-Holstein geht beim Schutz von Frauen und Kindern konsequent voran Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleg*innen,
wir denken, wir leben in einer gleichberechtigten Gesellschaft – aber ist das auch so? Wie erleben Frauen unsere Gesellschaft, die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt werden? Die in erster Linie deshalb von ihrem Partner geschlagen oder bedroht oder vergewaltigt werden, weil sie eine Frau sind und denen das nicht passieren würde, wenn sie als Mann in unserem Land geboren wären. Wie gleichberechtigt fühlt es sich an, als Opfer gehen zu müssen, um sich in Sicherheit zu bringen, die Koffer zu packen, den Job zu wechseln, ein neues Zuhause für sich und die eigenen Kinder suchen zu müssen, sich in einem Frauenhaus zu verstecken - weil der Täter sich nicht ausreichend verantworten muss, und trotz polizeilicher Intervention weiter bedrohen kann?
Was Deutschland derzeit gegen die steigende häusliche Gewalt tut, ist nicht ausreichend. Aber mit dem neuen Bundesgewalthilfegesetz haben wir die historische Chance das zu verändern und ein bedarfsgerechtes Schutz- und Hilfesystem aufzubauen.
Und ich will ganz deutlich sein: Hilfe durch Beratung und Frauenhausplätze allein ist nicht ausreichend für einen effektiven Gewaltschutz. Es ist nicht hinreichend, dass die Opfer weichen müssen. Effektiver Schutz kann nur bedeuten, beim Täter anzusetzen. Und dafür ist eine Überwachung und Bewegungseinschränkung durch eine elektronische Fußfessel an derjenigen Person, die bedroht, die gefährdet, die einer anderen nachstellt, genau der richtige Weg!
Hier in Schleswig-Holstein wollen wir effektiven Gewaltschutz und dafür bauen Sozialministerium und Innenministerium gemeinsam die notwendige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Polizei, Frauenfacheinrichtungen und auch dem Kinderschutz immer weiter aus, zum Beispiel mit unserem Hochrisikomanagement. Das haben wir vor einem Jahr auf ganz Schleswig-Holstein ausgeweitet. Wir haben eine landesweit einheitliche Umsetzung mit dem neuen Polizeierlass, dem gemeinsamen Leitfaden, den Tools zur Gefährdungseinschätzung und den interdisziplinären Fallkonferenzen verankert und im Januar diese Aufgabe mit 1,4 Millionen Euro jährlich finanziell unterlegt. Durch die Institutionalisierung des Hochrisikomanagements soll erreicht werden, dass alle beteiligten Stellen im Land mit einem einheitlichen Verständnis von häuslicher Gewalt arbeiten und Gefährdung einschätzen, wissend, dass häusliche Gewalt „alle Formen körperlicher, sexualisierter oder psychischer Gewalt“ beinhaltet, und sowohl Partnerschaftsgewalt als auch Gewalt innerhalb der Familie oder durch die Familie des Partners umfasst, also unabhängig davon ist, ob Opfer und Täter in einem gemeinsamen Haushalt leben. Dieses gemeinsame Gewaltverständnis ist ein relevanter Fortschritt, weil es sensibilisiert und einer Verharmlosung von häuslicher Gewalt als sogenannte „Beziehungstaten“ entgegenwirkt.
Den effektiven Gewaltschutz und die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken wir außerdem in unserem Landespolizeirecht, indem wir die Gefahrenabwehr- Befugnisse der Polizei bei häuslicher Gewalt und die Befugnis zur Datenweitergabe erweitern. Die im § 201a verankerten polizeilichen Interventionsmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt wollen wir mit dem Gesetz zur elektronischen Fußfessel ausbauen und auf Nachstellungen und Gefahr bei sexueller Selbstbestimmung ausweiten. Mit der Einführung der elektronischen Fußfessel als neuem Schutzinstrument wollen wir die Durchsetzungskraft von Schutzanordnungen erhöhen.
Die Polizei soll künftig eingreifen können, sobald „bestimmte Tatsachen“ auf eine im Einzelfall drohende „Gefahr für Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung“ hinweisen. Es geht also darum, Gewalt in Hochrisikofällen zu verhindern und nicht nur darum, sie erst im Nachhinein zu ahnden.
Der Schutz für eine gewaltbetroffene Mutter und ihr Kind soll auch dadurch erhöht werden, dass die Kinder künftig in die Interventionsmaßnahmen einbezogen werden können und Betretungs-, Kontakt- und Näherungsverbote sich auch auf Kinder oder weitere nahestehende Personen des Opfers erstrecken dürfen.
Außerdem sollen polizeiliche Schutzmaßnahmen von derzeit bis zu vier Wochen gerichtlich auf bis zu 3 Monate ausgeweitet werden können – mit Verlängerungsoption. Die Datenübermittlungsbefugnisse der Polizei an die Partnerstellen im Hilfe- und Schutzsystem erweitern wir mit dem eAÜ-Gesetz.
Unsere Akutberatung durch die Frauenfacheinrichtungen nach polizeilicher Wegweisung wird durch das neue Gesetz künftig nicht nur durch ein proaktives Angebot der Täterarbeit an die gewalttätige Person ergänzt, sondern auch durch eine eigenständige proaktive Akutberatung für die mitbetroffenen Kinder und Jugendlichen. Das betrifft laut des Berichts zum Hochrisikomanagement „2/3 der Fälle häuslicher Gewalt“. Und laut Bundesfrauenhausstatistik sind über 50 Prozent der Frauenhausplätze in Deutschland von Kindern belegt. Diese Zahlen zeigen nicht nur, wie wichtig es ist, dass wir über den Gesetzentwurf die Mitbetroffenheit der Kinder rechtlich anerkennen, sondern auch, dass der Ausbau eines „bedarfsgerechten Hilfesystems bei häuslicher Gewalt“ über das Gewalthilfegesetz Kinder und ihre Bedürfnisse künftig einschließen muss. Das wird eine Zukunftsaufgabe, die sich direkt aus dem Gewalthilfegesetz und dem dort formulierten Präventionsauftrag ableitet. Gewaltkreisläufe von einer zur nächsten Generation müssen durchbrochen werden. Prävention bedeutet, das Risiko zu minimieren, dass Kinder, die Gewalt miterleben, später selbst zu Opfern oder Täter*innen werden.
Eine zweite Zukunftsaufgabe wird sein, das Schutzsystem barrierearmer zu gestalten und Frauen mit Behinderung stärker in den Blick zu nehmen. Alle drei Initiativen, über die wir heute sprechen, bedeuten wegweisende und intensive Weiterentwicklungsprozesse für das Hilfe- und Schutzsystem. Und die 2,6 Milliarden Euro, die der Bund von 2027 bis 2036 für dessen Ausbau zur Verfügung stellen wird, werden hierfür dringend gebraucht.
Mit unserem 3,5 Millionen Euro Paket von Januar für den Ausbau von Frauenhausplätzen und die bessere Ausstattung von Frauenfacheinrichtungen haben wir bereits einen notwendigen Ausbaupfad beschlossen, der sich nun logisch vor das Gewalthilfegesetz setzt. Mit den folgenden Bundesmitteln können wir daran anknüpfen. Mit vielen unserer Landes-Maßnahmen arbeiten wir also bereits jetzt auf die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes und auf den dort in § 1 formulierten Vierklang aus Prävention, Schutz, Intervention und Folgenbekämpfung hin.
Sehr verehrte Damen und Herren, Häusliche Gewalt und sexualisierte Gewalt ist männliche Gewalt, ist patriarchale Gewalt. Auch damit müssen wir uns auseinandersetzen, wenn wir sie beenden wollen. Eine Gesellschaft, die sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau ins Grundgesetz geschrieben hat, kann patriarchale Gewalt nicht akzeptieren und muss sie verhüten.
Als ich den vorliegenden Gesetzentwurf unterzeichnet habe, war das für mich ein besonderer Moment. Heute bitte ich Sie um Zustimmung zur Einführung der elektronischen Fußfessel im Kontext häuslicher Gewalt. Oder um es mit den Worten von Gisèle Pelicot zu sagen: „Die Scham muss die Seiten wechseln!“
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
*** Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Claudia Jacob | Pressesprecherin presse@gruene.ltsh.de Tel. 0431 / 988 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 sh-gruene-fraktion.de