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26.03.25
12:06 Uhr
FDP

Christopher Vogt zu TOP 1+16 "Regierungserklärung 'Chancen nutzen - Impulse setzen'"

26.03.2025 | Finanzen
Christopher Vogt zu TOP 1+16 "Regierungserklärung 'Chancen nutzen - Impulse setzen'" In seiner Rede zu TOP 1+16 (Gemeinsame Beratung a) Regierungserklärung „Chancen nutzen- Impulse setzen“ b) Finanzpolitik mit Zukunft: Reform der Schuldenbremse umsetzen) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt: 
„Eines will ich vorwegnehmen: Deutschland muss sehr schnell deutlich mehr für die Verteidigungsfähigkeit tun. Ich denke, da herrscht in diesem Parlament grundsätzlich große Einigkeit – und das ist auch gut so, denn wir müssen unsere Freiheit auch verteidigen können!
Der Beschluss von Bundestag und Bundesrat geht jedoch weit über das Thema Verteidigung hinaus und diesen Teil des Pakets sehen wir äußerst kritisch. Die Union und die SPD haben gemeinsam mit den Grünen – und ja auch mit Unterstützung der Linken und der Freien Wähler im Bundesrat – ein wirklich gigantisches Schuldenpaket beschlossen. Das ist schon eine radikale Kehrtwende in der deutschen Finanzpolitik. Viele Menschen hatten sich den angekündigten ‚Politikwechsel‘ mit der CDU/CSU sicherlich ganz anders vorgestellt. Im Wahlkampf hatten Friedrich Merz und die Union immer vehement für die Einhaltung der Schuldenbremse plädiert und erklärt, der Staat müsse mit einer Billion Euro Steuereinnahmen pro Jahr auch endlich einmal auskommen.
Nun fragt man sich, womit die Union eigentlich in die Verhandlungen gegangen ist – das eigene Programm kann es nicht gewesen sein. Ich frage mich, was wohl Angela Merkel derzeit denken mag, wenn sie sieht, in welcher Rekordgeschwindigkeit Friedrich Merz so viel rot-grünes Programm umsetzt, wie es unser Land lange nicht mehr gesehen hat. Das ist ja schließlich deutlich links der Ampel, was da gerade beschlossen wurde
Man kann es deshalb jetzt nicht anders sagen: Das ist kein Kompromiss und auch kein kurzfristiges Umdenken der Union wegen Donald Trump, sondern die wohl größte Wählertäuschung in der Geschichte der Bundesrepublik. Meine Sorge ist, dass eine solche Mitte-Links-Politik, für die es in der Bevölkerung eigentlich keine Mehrheit gibt, für noch mehr Frust bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sorgen wird.
Die Schuldenbremse wird nun in erheblichem Maße ausgehebelt. Und das Ende der Fahnenstange ist da ja auch noch nicht erreicht: Denn die zukünftige Koalition aus Union und SPD will noch in diesem Jahr mit den Grünen – und auch mit den Linken – unsere Verfassung erneut ändern, um die Schuldenbremse noch einmal auch ganz explizit aufzuweichen. Es ist ja nicht so, dass Deutschland bisher unter zu wenig Staatsverschuldung leiden würde. Die SPD spricht in ihrem Antrag bei der Schuldenbremse von einer ‚Innovationsbremse‘: Ich glaube, Innovationen werden hierzulande nicht durch die Schuldenbremse ausgebremst, sondern vor allem durch zu viel Bürokratie und andere Rahmenbedingungen. Die Schuldenbremse ist kein Fetisch von einzelnen Parteien, sondern ein wichtiges Instrument, um für halbwegs solide Staatsfinanzen und somit für Stabilität sorgen zu können. Sie war eine Lehre aus der Finanzkrise, wo sich der Staat massiv verschulden musste, um die Lage in den Griff zu bekommen. In der Corona-Krise kamen erneut massive Schulden hinzu. Und auch zuletzt wurden Schulden gemacht.
Natürlich kommt es immer darauf an, wofür Staatsschulden konkret verwendet werden. Ich bin immer sehr für mehr Investitionen in die Infrastruktur, aber mein Eindruck ist, dass mit diesem neuen Sondervermögen am Ende alles Mögliche finanziert werden wird und es dazu dient, Spielräume im Haushalt für konsumtive Ausgaben zu schaffen. Die bisherigen Sondierungsergebnisse machen das ja auch deutlich, wenn man an Themen wie die Mütterrente und andere neue Ausgaben denkt. Es sei denn, die Rentenbeiträge sollen noch weiter steigen – auch davon kann ich nur abraten.
Es ist zumindest fragwürdig, dass man noch mit einer alten Bundestagsmehrheit eine solch wichtige Verfassungsänderung auf den Weg gebracht hat. Es ist wirklich traurig, dass man zukünftig ohne AfD oder Linke keine Grundgesetzänderung mehr vornehmen kann, weil die politischen Ränder so stark geworden sind. Die Aufgabe für die staatstragenden Parteien muss es deshalb sein, die politischen Ränder wieder kleiner zu machen und nicht – wenn auch ungewollt – dazu beizutragen, dass sie noch stärker werden. Ich finde es äußerst schwierig, dass die Union jetzt auch noch einmal gemeinsam mit den Linken unsere Verfassung ändern will, um noch mehr Schulden machen zu können. Mich stört auch der wiederholte Versuch auch aus der CDU, die Linken quasi normalisieren zu wollen. Der Kollege Tobias Koch hat gestern behauptet, dass der ‚problematische Teil‘ der Linken sich ja abgespalten hätte und nun im sogenannten ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘ sei. Warum koaliert die CDU dann in Thüringen mit dem BSW und nicht mit den Linken?
Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Linken nochmal genauer anzuschauen. Die verbrecherische Vergangenheit der Linken, die früher SED hieß, finde ich schlimm – und wir haben gestern wieder gesehen, dass dies von dieser Partei nicht aufgearbeitet, sondern eher noch verklärt wird. Aber auch in der Gegenwart beheimatet sie Linksextreme, die wirklich problematisch sind. Davor sollte man nicht aus machttaktischen Gründen die Augen verschließen.
Union und SPD haben sich einen gewaltigen finanziellen Spielraum verschafft, den die junge Generation wird stemmen müssen – zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Belastungen. Was bei der Diskussion über die deutsche Staatsverschuldung oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass wir auch noch eine sehr hohe indirekte Verschuldung haben. Das sind vor allem die Versprechen der Rentenversicherung und die Pensionszusagen von Bund und Ländern, bei denen noch gar nicht wirklich klar ist, wie diese am Ende eigentlich eingehalten werden sollen. Unsere Sorge ist, dass die junge Generation mit den folgenden Lasten dieses Pakets endgültig überfordert werden könnte. Aus höheren Schulden werden durch Zins und Tilgung sehr schnell geringer werdende Spielräume im Staatshaushalt. Für das geplante Paket dürften schon in den nächsten Jahren insgesamt rund 300 Milliarden Euro an zusätzlicher Zinsbelastung anfallen.
Am Ende müssen für alle Staatsausgaben immer die Steuerzahler geradestehen. Wir haben in Deutschland schon jetzt sehr hohe Steuern und auch Abgaben, die ja auch weiter steigen werden. Neue Schulden sind die Steuererhöhungen von morgen. Ich warne deshalb vor erdrückenden Zinslasten in den öffentlichen Haushalten. Die Zinskosten im Bundeshaushalt sind zuletzt ja auch schon deutlich gestiegen. Experten rechnen auch mit einem weiter steigenden Zinsniveau. Und einem (Wieder-)Anheizen der Inflation, vor allem mit noch höheren Baukosten. Und viele Experten sehen auch eine Gefährdung der Stabilität des Euro-Raums. Das AAA-Rating ist in Gefahr und das ist ein gefährliches Signal an andere Euro-Staaten, die bereits sehr hoch verschuldet sind.
Das beschlossene Paket ist also unterm Strich eine riskante Wette auf die Zukunft unserer Kinder und Enkel und bisher auch eine ziemliche Blackbox. Die Junge Union spricht deshalb zu Recht von einem ‚historischen Fehler‘. Es darf aber kein Schuldenmachen geben, um notwendige Strukturreformen zu vermeiden.
Wir unterstützen es jedoch, dass Deutschland noch einmal deutlich mehr in die eigene Verteidigungsfähigkeit investiert. Das ist leider notwendig. Es war richtig, 2022 das ‚Sondervermögen‘ einzurichten, also Sonderschulden für die Bundeswehr aufzunehmen. Eine Aufstockung hätte meines Erachtens auch früher erfolgen müssen. Mehrere Bundesregierungen haben bei der Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit viel zu lange geschlafen. Wir erleben in Europa und auch in Deutschland durch Russland bereits hybride Angriffe, Sabotage, Spionage und Desinformation. Die Bundeswehr muss sehr schnell viel mehr Aufträge zur Verbesserung der Ausstattung erteilen. Der Faktor Zeit spielt eine riesige Rolle, denn Russland hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt und neu produziertes Material geht oftmals ins Depot und nicht an die Front. Polen vermint die Grenze. Es gibt berechtigte Sorgen ums Baltikum. Wer den Eklat um Selenskyj im Oval Office brauchte, um aufzuwachen, ist entweder nicht ehrlich oder war zu lange naiv.
Schleswig-Holstein hat allein schon aufgrund der geografischen Lage eine besondere Bedeutung für die Landes- und Bündnisverteidigung. Dies betrifft vor allem den Ostseeraum. Ich erwarte deshalb auch, dass hier besonders viel passiert, was auch die hier ansässige Wehrtechnikbranche endlich stärker merken muss. Es braucht schnelle Investitionen in die Stärkung der Marine mit weiteren Schiffen und U-Booten. Zudem muss die Luftwaffe gestärkt werden, insbesondere in Jagel und Hohn, wo ich großen Bedarf beim Thema Drohnen sehe. Ich plädiere auch dafür, dass in Jagel weiterhin Kampfflugzeuge stationiert bleiben sollten.
Kommen wir zum Infrastrukturpaket: 500 Mrd. Euro in zwölf Jahren sind wirklich sehr viel. 100 Mrd. Euro davon sollen für die Länder sein. 100 Milliarden Euro sollen in den Klima- und Transformationsfonds gehen. Manch einer erinnert sich vielleicht noch: Wegen 60 Mrd. Euro hatte die Union seinerzeit gegen die Ampel geklagt. Das viele Geld wird nur dann sinnvoll investiert werden können, wenn es umfassende Reformen des deutschen Planungsrechts und auch des Vergaberechts gibt. Zudem braucht es sehr schnell mehr Planungs- und mehr Baukapazitäten. Es darf jedenfalls keine Verschwendung und keine Zweckentfremdung geben, weil man an diesen Herausforderungen scheitert. Projekte in Schleswig-Holstein gibt es viele: die A20, A21 und A23, die Fehmarnbeltanbindung, die Marschbahn, die S-Bahnen, und auch die Stadtbahn in Kiel.
Und zur Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz möchte ich noch sagen: Das halte ich für einen gefährlichen Sonderweg innerhalb der EU. Denn es gibt ja schließlich den europäischen Emissionshandel. Wir haben ein europäisches System beim Klimaschutz. Es macht überhaupt keinen Sinn, hier auszuscheren und dies dann auch noch in der Verfassung festzuschreiben. Vor allem völlig ohne Plan. Der Kohleausstieg soll ja nun erst 2038 kommen. Was bedeutet dies rechtlich eigentlich genau? Ich habe große Sorge um unseren Wirtschaftsstandort, vor allem um die Industrie, wo jetzt schon jeden Tag ein massiver Arbeitsplatzabbau stattfindet, weil wir nicht wettbewerbsfähig sind. Die Infrastruktur ist da übrigens nicht das Hauptproblem, es sind die Steuern und Abgaben, die überbordende Bürokratie und vor allem die Energiepreise.
Und ein weiterer Punkt: Die Schuldenbremse soll auch für die Länder aufgeweicht werden, nämlich mit der Möglichkeit einer Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bisher ohne Zweckbindung – hier braucht es meines Erachtens eine Festlegung auf Investitionen, wie wir sie schon mehrfach vorgeschlagen haben. Schleswig-Holstein gehört bereits zu den hochverschuldeten Bundesländern. Im Jahr 2010 wurde die Schuldenbremse deshalb auch vom Landtag explizit in die Landesverfassung aufgenommen, was ja nicht überall der Fall ist. Ich finde es deshalb nicht in Ordnung, dass die Landesverfassung nun über den Bundestag und den Bundesrat geändert wurde, ohne den Landtag überhaupt zu fragen. Der Ministerpräsident hatte Gespräche mit den Fraktionen angekündigt, aber die Landesregierung hat dann den Bund auf der Finanzministerkonferenz aufgefordert, den Landtag bei dieser wichtigen Frage auszubooten. So ist es dann auch passiert. Ich finde, das ist ein No-Go in einem föderalen Bundesstaat. Ein selbstbewusster Landtag hätte sich das in dieser Form nicht bieten lassen.
Wie soll es jetzt weitergehen? Dieser Weg ist immerhin ehrlicher als ständige Notkredite, aber ebenso risikoreich. Rund 900 Mio. Euro neue Schulden pro Jahr könnte Schleswig-Holstein jetzt machen. Aber wofür eigentlich? Straßen? Bildung? Hochschulen? Kommunen? Krankenhäuser? Es braucht jedenfalls so oder so wieder eine höhere Investitionsquote.
Die Landesregierung muss endlich mehr für die wirtschaftliche Entwicklung tun, damit sich die Steuereinnahmen dauerhaft erhöhen. Mehr Schulden für die Infrastruktur bringen jedoch nichts, wenn dadurch das solide Haushalten aufgegeben wird. Wir hatten mit unseren Änderungsvorschlagen zum Landeshaushalt ja gezeigt, dass es möglich wäre, ohne Notkredite und ohne Kürzungen bei der Bildung und der Infrastruktur zu arbeiten.
Die Koalitionsverhandlungen im Bund laufen ja noch. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommen wird. Vor allem bei der notwendigen Steuerung der Migration, beim Bürokratieabbau, bei der Reform des Arbeitsmarktes, bei der Senkung der Energiepreise und bei Steuern und Abgaben. Ich hoffe, dass die Union wenigstens hier liefern wird. Und dass Friedrich Merz auch in der Außenpolitik mehr Durchsetzungsvermögen beweist als bisher gegenüber SPD und Grünen. Eigentlich braucht es eine Staatsreform. Dazu gibt es ja gute Vorschläge von Steinbrück, de Maizière, Voßkuhle und Jäkel, die man meines Erachtens diskutieren und auch aufgreifen sollte
Aus unserer Sicht ist jetzt wichtig, dass die vielen Schulden nicht dazu führen dürfen, dass Strukturreformen ausbleiben. Das viele Geld muss sehr zielgerichtet ausgegeben werden. Es darf keine Verschwendung geben. Das Planungsrecht muss deutlich vereinfacht werden. Der Staat muss sich auf allen Ebenen wieder stärker auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Eine weitere Aufweichung der Schuldenbremse mit Hilfe der Linken muss unterbleiben. Es muss mit einer Wirtschaftswende dafür gesorgt werden, dass Deutschland wieder nachhaltiges Wirtschaftswachstum hat, damit die junge Generation diese Belastung auch bewältigen kann. Eine faire Belastung zwischen den Generationen muss endlich offen diskutiert werden, denn es wird ja auch weitergehen mit Themen wie der Wehrpflicht. Es kann nicht sein, dass die junge Generation immer mehr Schulden erbt, während bei Bildung und Wissenschaft gekürzt wird und die strukturellen Probleme liegenbleiben.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.



Christopher Vogt Sprecher für Wissenschaft/Hochschule, Energie


Kontakt: Eva Grimminger, v.i.S.d.P. Pressesprecherin
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