Nelly Waldeck zum Tätigkeitsbericht der Bürger*innenbeauftragten
Presseinformation 31.01.2025Nr. 035.25Es gilt das gesprochene Wort!TOP 38 – Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein (Tätigkeitsbericht 2023)Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:Der Tätigkeitsbericht der Bürger*innenbeauftragten ist kein Arbeitsbeleg, sondern ein Handlungsauftrag Sehr geehrte Damen und Herren,im Juni 2022 wurde eine Webbeschulung für ein schwer belastetes, neunjähriges Kind mit Autismus, Depression und Lernschwierigkeiten im Jugendamt beantragt. Das Jugendamt sah sich zunächst als nicht zuständig an und verwehrte später den Antrag trotz klarer Stellungnahme des Facharztes. Es dauerte bis April 2023, bis die Bewilligung erfolgte. Trotz oder dank der Intervention unserer Bürger*innenbeauftragten Samiah El Samadoni, nach über einem Jahr ohne Beschulung.Dieses Beispiel zeigt zwei Punkte eindrücklich: Die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Schule und Ärzt*innen, um schnellere Lösungen und mehr Transparenz für betroffene Familien zu gewährleisten, ist elementar. Es zeigt aber auch, wie essentiell die Arbeit der Bürger*innenbeauftragten ist und welche Herausforderungen sich bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in der Praxis ergeben.Im Jahr 2023 gingen 3.641 Eingaben bei der Bürger*innenbeauftragten ein, ein erneuter Anstieg im Vergleich zu den Petitionen des Vorjahres. Eine beeindruckende Zahl, die zeigt, dass die Bekanntheit unserer Ansprechstelle immer weiter steigt. Die Zahl besorgt aber auch, denn sie zeigt, dass viele Menschen in unserem Land auf eine Unterstützung bei Behördengängen angewiesen sind. Ein zentrales Problem, das aus den Eingaben hervorgeht, sind die langen Bearbeitungszeiten bei Anträgen an Sozialbehörden. Viele Bürger*innen berichten, dass sie die zuständigen Stellen gar nicht erst erreichen können. Wer dringend auf Hilfe angewiesen ist, kann sich Verzögerungen, fehlende Kommunikation und langes Warten auf Antragsbewilligung nicht leisten. Im Gegenteil: In vielen Fällen verschlimmert eine solche Verzögerung die bestehende Problematik.Die Ursache liegt in vielen Fällen auf der Hand. Der Fachkräftemangel in den Sozialbehörden erschwert eine zügige Bearbeitung und sorgt für erhebliche Belastungen sowohl bei den Antragstellenden als auch bei den Mitarbeitenden der Verwaltung. Um die Handlungsfähigkeit unseres Staates zu wahren, müssen wir daher dringend an effizienten und weniger bürokratischen Verwaltungsprozessen arbeiten. Digitalisierung und Bürokratieabbau müssen auch für unsere Sozialgesetzgebung gelten. Wir brauchen die Abschaffung von Schriftformerfordernissen, durchgängig digitale und möglichst automatisierte Verfahren in der Verwaltung und funktionierende Schnittstellen. Nur so können wir die Überlastung der Sozialbehörden abbauen.Der Bericht enthält wertvolle Anregungen, wie wir genau das tun können: Die Verwaltung entlasten und zugleich die Situation der Bürger*innen verbessern. Anregungen zum Abbau von aufwändigen Vorgaben und Anregungen an welchen Stellen Leistungsanpassungen vorgenommen werden müssen. Vier dieser Vorschläge möchte ich besonders hervorheben: 1. Verjährung von Forderungen: Oftmals werden alte Forderungen erst nach Jahren erhoben, was Betroffene in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Manchmal sogar dann, wenn sie eigentlich bereits verjährt sind. Das kann nicht sein. Klare Verjährungsfristen und vor allem deren Kontrolle würden für mehr Rechtssicherheit sorgen. 2. Widerspruch per E-Mail: Eine digitale Einreichung von Widersprüchen würde Prozesse vereinfachen und beschleunigen. In einer Zeit, in der fast jeder mit E-Mail kommuniziert, sollte das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. 3. Selbstbeschaffte Haushaltshilfe: Der Ansatz für die Kosten einer Haushaltshilfe bemisst sich noch immer an einem Ansatz, der aus der Umrechnung von DM in Euro zustande kam: Er liegt bei stolzen 5,25 Euro pro Stunde. Dieser Beitrag muss von den gesetzlichen Krankenkassen an die aktuelle Zeit angepasst werden. 4. Bagatellgrenze bei Rückforderungen: Kleinbeträge sollten nicht mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand zurückgefordert werden. Dadurch könnten erhebliche Ressourcen eingespart und damit auch Kosten auf allen Seiten gesenkt werden.Diese Maßnahmen sollten bei den nächsten Reformen der jeweiligen Sozialgesetzbücher unbedingt eingebracht oder gegenüber den Krankenkassen vertreten werden. Genau dafür sammelt das Sozialministerium gerade eine Reihe von Vorschlägen zur Vereinfachung des Sozialrechts, um diese zeitnah im Bund einzubringen. Das ist ein wichtiger Schritt, um bei der Entbürokratisierung voranzukommen. Gesetze sind für Menschen gemacht. Sie müssen verständlich und handhabbar und auf eine handhabbare Anwendung ausgerichtet sein. Verstehen wir den Bericht also nicht als Arbeitsbeleg, sondern als Handlungsauftrag und sorgen dafür, dass Menschen in Schleswig-Holstein schneller und unkomplizierter die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Eine schnelle, pragmatische und bürger*innennahe Verwaltung ist Zeichen für einen handlungsfähigen Staat und auch wirksames Mittel gegen Politikverdruss.Vielen Dank!***Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Düsternbrooker Weg 70 24105 KielClaudia Jacob | Pressesprecherin presse@gruene.ltsh.de Tel. 0431 / 988 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 sh-gruene-fraktion.de