Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
31.01.25
10:32 Uhr
SPD

Kianusch Stender zu TOP 21+34: Investieren, entlasten, Fachkräfte sichern!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 31. Januar 2025
Kianusch Stender Investieren, entlasten, Fachkräfte sichern! TOP 21+34: Gemeinsame Beratung a) Neuer Schwung für die Wirtschaft – Zeit für einen neuen wirtschaftspolitischen Kurs b) Arbeitszeitgesetz zeitgemäß weiterentwickeln - Bedürfnissen von Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern und Betrieben im Rahmen von Tarifverträgen gerecht werden c) Wir müssen in einen neuen Aufschwung für Schleswig-Holstein investieren (Drs. 20/2744, 20/707 20/749, BBE 20/2748(neu), 20/2856)
"In Flensburg produzieren wir Papier seit 1696. Die Fabrik hat viele Krisen überlebt. Kriege, Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen, alles überstanden. Einzig die Eigentümer und damit die Namen der Papierfabrik haben gewechselt. Zuletzt hieß das Unternehmen Fjord Paper Flensburg. Und das ist der Punkt: „hieß“. Seit Anfang des Jahres ist dieses traditionsreiche Unternehmen Geschichte. 106.000 Quadratmeter Werksgelände, 210 Beschäftigte, 35.000 Tonnen Papierproduktions-Kapazität pro Jahr. Das ist nun alles vorbei.
Die Frage, die sich einem nun stellen muss, ist ja: Was ist dieses Mal anders? Warum geht es dieses Mal nicht weiter? Warum geht das Unternehmen dieses Mal in die Insolvenz und findet niemanden, der den Betrieb weiter sicherstellen kann? Ist es das Produkt? Nein. Fjord Paper hat zuletzt noch fälschungssichere Tickets für die Fußball-Weltmeisterschaft produziert, ist also auf Top-Niveau. Das Unternehmen stellt Barrierepapier her und gibt mit nachhaltigen Rohstoffen die Möglichkeit, dass man seine Gummibärchen zukünftig ohne Plastikverpackung in einem biologisch abbaubaren Produkt verpackt kaufen kann. Also absolut am Zahn der Zeit.
Ich sage Ihnen, was dieses Mal anders ist. Es ist die Wirtschaftspolitik, die wir in diesem Land machen. Es sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen aktuell konfrontiert sind. Ein Mehr an Bürokratie, Teuerungen, Fachkräftemangel, eine Politik des Hü und Hott. Die Automobilbranche stellt sich auf ein Verbrenner-Aus ein – wird wieder infrage gestellt. Erneuerbare Energien sind die Zukunft, lasst uns das so schnell wie möglich ausbauen – CDU-Chef Merz will Windkraftanlagen wieder abreißen, weil sie (Zitat) „hässlich sind“. Das alles ist keine seriöse Wirtschaftspolitik, das ist blanker Populismus auf dem Rücken unserer deutschen Wirtschaft!
Unsere Wirtschaft braucht Seriosität, Klarheit und Sicherheit, damit sie ihr Handeln danach ausrichten kann.



1 Ein paar Zahlen: Schleswig-Holstein ist im Lohnkeller aller westdeutschen Bundesländer. Der Medianlohn lag bei etwas über 3.500 Euro. Jeder Sechste bekommt bei uns im Land weniger als 13 Euro Stundenlohn und liegt damit unter der aktuellen Niedriglohnschwelle. Und weiterhin bemerkenswert, im negativen Sinne: Der Gender-Pay-Gap liegt immer noch bei 367 Euro!
Die Ausbildungsbilanz der Agentur für Arbeit zeigt, dass in SH beinahe jeder zweite Ausbildungsplatz unbesetzt geblieben ist. Laut der vom Wirtschaftsministerium beauftragten Arbeitsmarktprojektion fehlen in 10 Jahren in Schleswig-Holstein insgesamt 326.000 Fachkräfte.
Unser Antrag ist ein Aufschlag, diese Zahlen ins Positive zu verändern. Wir wollen, dass es einen echten Aufschwung gibt für die Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Denn das ist das Fundament für so viel anderes. Für die Finanzierung unserer Lehrkräfte, für die Ausstattung unserer Polizei, für einen ambitionierten Klimaschutz, und ja, auch für die Finanzierung eines weiteren Ministeriums uns zahlreichen weiteren Staatssekretär*innen.
Wie wollen wir das anstellen? Ich glaube, man kann die vielen Maßnahmen, die wir da beschrieben haben, mit drei Kernpunkten überschreiben: Investieren, Entlasten und Fachkräftesicherung. Das ist es, was die zahlreichen Unternehmen uns an Forderungen mit auf den Weg geben, um Rahmenbedingungen zu schaffen, um erfolgreich wirtschaften zu können. Investieren, entlasten und Fachkräfte sichern.
Schleswig-Holstein hat laut Infrastrukturbericht der Landesregierung bis 2040 einen Investitionsbedarf in Höhe von 15,73 Milliarden Euro. Wenn wir Schleswig-Holstein bis 2030 tatsächlich zum klimaneutralen Industrieland machen wollen, kommt dieselbe Summe nochmal oben drauf. Diese Investitionen sind nicht nur im Ergebnis gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das in Umlauf gebrachte Geld kurbelt die Wirtschaft an vielen Stellen auch wieder richtig an.
Wir müssen investieren in die Innovationsagentur, aus der Sie sich im vergangenen Jahr beinahe komplett rausgezogen haben, trotz eindeutiger Empfehlung der OECD-Studie und bereits getroffenen Verabredungen mit den anderen Bundesländern.
Wir müssen investieren in Kitas und Schulen, um die Fachkräfte von morgen angemessen auszubilden. Aber auch, um z.B. durch ein Bereitstellen von Kitaplätzen – vielleicht hat Frau Touré ja endlich mal Lust, für uns herauszufinden, wie viele da noch fehlen – Arbeitskraft freizusetzen. Denn aktuell stehen viele Eltern und andere Angehörige, die zurzeit diese Kinder betreuen, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. In Zeiten von Fachkräftemangel eine ganz schlechte Idee. Aber zu den Fachkräften kommen wir ja erst gleich.
Wir müssen entlasten, und zwar spürbar. Das funktioniert beispielsweise durch eine Reduzierung der Netzentgelte, die das Energiewendeland Schleswig-Holstein redlich verdient hätte. Das funktioniert durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7 auf 5 Prozent. Durch beitragsfreie Kitas. Durch angemessene Mietpreise.

2 Und nun aber wirklich zu den Fachkräften. Über das Welcome-Center, hatte ich das Gefühl, wollten Sie diese ganze Woche nicht so richtig reden. Bei der Haushaltsdebatte, in der Presse – Ich habe das Gefühl, auch Sie haben mittlerweile gemerkt, das Ding ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde, die Beschäftigten da machen einen guten Job. Aber das, was sie alles leisten sollen, geht nicht mit sieben Beschäftigten. Und es geht auch nicht mit 14. Das ist einfach nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein. Und das alles, obwohl die Fachkräftesituation ja verheerend ist. Ich habe Ihnen die Zahlen genannt. 326.000 fehlende Fachkräfte in den nächsten 10 Jahren. Nehmen Sie sich bitte ein Beispiel an Niedersachsen. Machen Sie eine dezentrale Struktur draus, statten Sie die Center ordentlich aus und lassen Sie sich erst dann abfeiern. Denn für 5 erfolgreiche Vermittlungen in 13 Monaten sollte man das nicht tun!
Und Herr Kilian, ich habe Sie ja am Mittwoch auf die Praktikumsprämie angesprochen. Sie haben mir da gesagt, wir sind da einfach anderer Meinung. Ich will, dass wir jedem das Praktikum bezahlen und staatlich eingreifen, wo es nur geht, und Sie glauben an den eigenen Willen, der nicht immer mit Geld unterfüttert sein muss. Aber 10 Minuten später entpuppte sich auch das als Luftnummer. Und zwar, als wir dann über den SSW-Antrag abgestimmt haben, eine Online- Praktikumsbörse zu finanzieren. Also eine Börse, bei der junge Menschen einen Praktikumsplatz suchen können, den sie interessant finden. Ganz ohne Prämie. Und wer hat da zugestimmt? Wir. Und wer nicht? Sie.
Noch ein paar Worte zum Antrag der FDP. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich eigentlich zuerst vor, einen Änderungsantrag zu ihrem Papier zu schreiben, Herr Dr. Buchholz. Ich würde eine neue Überschrift wählen: Feuchte Träume eines neoliberalen Rollback.
Sie fordern z.B. Technologieoffenheit. Neoliberale und Konservative nutzen die Forderung in der Regel, und so auch heute hier im Plenum, um einen aktuellen politischen und technischen Konsens anzugreifen, z.B. den Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie unterstellen, bald gebe es etwas viel Besseres, zum Beispiel Kernfusion. Die bekommt nur leider keine Chance, weil Ideologen wie wir nicht offen genug dafür sind. Ihre ehemalige Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger behauptet, in zehn Jahren habe man Kernfusion. So ein Quatsch! Das sagt Ihnen jeder anständige Physiker, dass das in keiner Welt stattfinden wird. Und so ist es nämlich mit Ihrer Technologieoffenheit: Sobald es konkret wird, entpuppt sich diese Darstellung fast immer als unseriös oder naiv.
Und dann die anderen klassischen Buzzwords: die blöden EU-Vorgaben, vollständige Abschaffung des Soli, Ende der Debatte über eine Vermögenssteuer, Flexibilisierung der Arbeitszeit. Und so richtig sauer wird man dann, wenn sie dieses populistische Märchen erzählen, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen als der Bezug von Sozialleistungen. Zeigen Sie mir eine wissenschaftliche Erhebung, eine Berechnung, die das stützt. Sie finden keine, weil es ein Märchen ist. Die Hälfte von dem, was Sie da in ihrem Papier fordern, schafft nicht vernünftige Rahmenbedingungen, es würde unser Land noch weiter auseinanderdriften lassen. Und das würde der Wirtschaft nachhaltig weiter schaden.

3 Liebe Kolleg*innen, die Lösung muss so groß sein wie das Problem. In unserem Antrag ist das der Fall. Bei Ihnen nicht. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Für einen echten Aufschwung für unsere Wirtschaft!"



4