Catharina Nies zu geschlechtsspezifischer Gewalt
PresseinformationEs gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 27 – Geschlechtsspezifischer Gewalt konsequent entgegentreten Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landeshaus Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Catharina Nies: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Nr. 381.24 / 12.12.2024Wir brauchen mehr und nicht weniger Gewaltschutz Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,dass wir immer wieder hier im schleswig-holsteinischen Landtag über häusliche Gewalt, über geschlechtsspezifische Gewalt sprechen, ist wichtig! In dieser Plenarsitzung haben wir es viermal geschafft, das Thema Gewalt an Frauen und ihre körperliche Selbstbe- stimmung auf die Agenda zu setzen. Das zeigt den hohen Stellenwert über alle Fraktio- nen hinweg.Lassen Sie mich zunächst Punkte aus dem SSW-Antrag herausgreifen, die ich wichtig finde. Sie fordern die elektronische Fußfessel für Täter häuslicher Gewalt. Wir tun das auch! Die Debatte dazu hatten wir heute morgen. Vor zwei Wochen haben wir einen um- fangreichen Gesetzentwurf hierzu eingereicht.In dem SSW-Antrag geht es neben der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung auch um die Rücknahme von Kürzungsvorschlägen im Haushaltsentwurf der Landesregierung. Inhaltlich stimmen meine Fraktion und ich da zu. Wir sehen beide Kürzungsvorschläge – bei der psychosozialen Prozessbegleitung und auch bei den Beratungen für Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind – inhaltlich sehr kritisch. Damit werden wir uns im Haushaltsverfahren auseinandersetzen müssen. Aber wir werden heute keine Vorfestle- gung zum Haushalt machen.Viel wurde zum Thema psychosoziale Prozessbegleitung schon von meinen Vorredne- rinnen beschrieben. Das will ich nicht wiederholen. Aber lassen Sie mich einen Punkt sagen: Wie kann es sein, dass die psychosoziale Prozessbegleitung in vielen Deliktfällen bundesgesetzlich vorgeschrieben ist, aber ausgerechnet bei Gewalt, die sich dezidiert gegen Frauen richtet, eine freiwillige Leistung sein soll? Gewaltschutz ist spätestens seit der Istanbul Konvention keine freiwillige Aufgabe mehr. Und das müssen Bundesgesetze Seite 1 von 2 auch widerspiegeln.Wir Grüne sehen mit großer Sorge, dass häusliche Gewalt steigt und wir sehen die drin- genden Bedarfe im Hilfe- und Schutzsystem. 2016 bis 2022 haben sich die Wegwei- sungszahlen in Schleswig-Holstein auf 944 Fälle verdoppelt, in den letzten 2 Jahren sind die Zahlen noch weiter angestiegen. Das ist ein gutes Zeichen, weil die Polizei verstärkt sensibilisiert ist und eingreift. Aber diese steigenden Zahlen müssen die Frauenbera- tungsstellen auch schaffen. Die sogenannten 201a-Beratungsstellen müssen dem Opfer häuslicher Gewalt am Folgewerktag nach einer Wegweisung ein proaktives Beratungs- angebot machen – und ohne mehr Personal kann das kaum mehr bewerkstelligt werden.Wir sehen, dass unsere Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen, KIK-Stellen und auch unsere Polizei intensiv an Akut- und Hochrisikofällen arbeiten und alle stark belastet sind. Und, dass wir mehr Schutzplätze brauchen. Aber das wird schwierig ehrlicherweise ohne Hilfe vom Bund. Und ich frage mich immer wieder, wie die Bundesebene es bisher ge- schafft hat, sich nicht an der Finanzierung der Betriebskosten von Frauenhäusern und Beratungsstellen zu beteiligen.In unserem Antrag stellen wir uns hinter die Forderung auf Bundesebene zur Einführung des Rechtsanspruchs auf Beratung und Schutz für gewaltbetroffene oder bedrohte Frauen und ihre Kinder. Und wir fordern eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Kosten des Schutz- und Hilfesystems.Der Vorschlag, der in Berlin gerade am Freitag in 1. Lesung in den Gleichstellungsaus- schuss geschickt wurde für ein Gewalthilfegesetz ist unterlegt mit dem Angebot für die Bundesländer den Anteil an Steuereinnahmen, die an uns vom Bund weitergeleitet wer- den ab 2027 für diesen Zweck zu erhöhen. Und alle Bundestagsabgeordneten, die in Berlin gerade zögern den Gesetzentwurf zum Gewalthilfegesetz zuzustimmen, die müs- sen eigentlich nur eines tun: sich überlegen, ob ihr eigenes Bundesland, ihre eigene Kom- mune in der Lage sein wird ausreichend Frauenhausplätze und Beratungspersonal zur Verfügung zu stellen, ohne die finanzielle Hilfe des Bundes. Die Antwort lautet nein!Lisa Paus hat auf Bundesebene 2,6 Milliarden Euro für die Länder bis 2036 in Aussicht gestellt. Das wären knapp 90 Millionen Euro allein für Schleswig-Holstein nach Königs- teiner Schlüssel. Startend mit 3,8 Millionen Euro in 2027. Mit diesem Geld könnten wir viel bedarfsgerechter ausstatten und Frauenhausplätze massiv ausbauen.Wir sind jetzt bei etwa 9,4 Millionen Euro zur Förderung der Frauenfacheinrichtungen in Schleswig-Holstein über das Finanzausgleichsgesetz. Zusätzlich fördert das Sozialminis- terium konkrete Maßnahmen zum Schutz von Frauen und zur Stärkung der Frauenfach- einrichtungen mit etwa 1,2 Millionen Euro über den Einzelplan 10. Über 10,6 Millionen Euro also, die mittlerweile zur Verfügung stehen. Aber die steigenden Zahlen der Akut- und Hochrisikofälle zeigen: wir brauchen mehr. Wir brauchen auch den Bund im Boot.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! *** Seite 2 von 2