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12.12.24
11:23 Uhr
SPD

Sophia Schiebe zu TOP 9: Gewalt hinter verschlossenen Türen ist kein Privatproblem

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 12. Dezember 2024
Sophia Schiebe Gewalt hinter verschlossenen Türen ist kein Privatproblem TOP 9: Gesetz zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt und bei Nachstellungen durch den Einsatz der elektronischen Aufenthalts-überwachung und weitere Änderungen des Landesverwaltungsgesetzes (Drs 20/2746)
"Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt und bei Nachstellungen durch den Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ist mehr als eine Gesetzesänderung. Es ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass wir diejenigen nicht im Stich lassen, die sich in einer der verletzlichsten und gefährlichsten Situationen ihres Lebens befinden.
Warum ist dieses Gesetz so wichtig?
Häusliche Gewalt und Stalking sind keine Randprobleme. Sie geschehen jeden Tag, in jeder Stadt, in jedem sozialen Milieu. Die Statistiken sind erschütternd: Allein in Deutschland erlebt jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt. Jährlich sind Hunderttausende von Menschen betroffen, darunter auch Männer und Kinder, die entweder selbst Opfer oder stille Zeugen sind. Stalking zerstört Leben – durch Angst, Bedrohung und den Verlust von Freiheit. Doch hinter jeder Zahl steht ein Mensch. Eine Frau, die jede Nacht wach liegt, weil sie Angst hat, dass ihr gewalttätiger Ex-Partner zurückkommt. Kinder, die nicht verstehen, warum ihr Zuhause kein sicherer Ort ist. Diese Menschen zählen auf uns.
Der Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung – oft als „elektronische Fußfessel“ bekannt – ist ein Instrument, das wir nutzen müssen, um dieses Versprechen einzulösen. Diese Gesetzesänderung zielt darauf ab, die Rechte der Opfer zu stärken und sie vor weiterer Gewalt zu schützen. Es ist ein Werkzeug, das klare Signale sendet: Täter können sich nicht mehr unbeobachtet fühlen. Sie können nicht mehr mit der Freiheit planen, die sie ihren Opfern genommen haben.
Eine Möglichkeit könnte sein, dass wir uns bei der elektronischen Aufenthaltsüberwachung von Gewalttätern am spanischen Modell orientieren. Dabei wird die Frau beispielsweise über eine App oder per Armband alarmiert, wenn der potenzielle Täter sich ihr unerlaubt nähert. Unabdingbar ist hingegen, dass der Gesetzesvorschlag „möglichst wasserdicht“ und damit zu einer rechtssicheren Erweiterung des Werkzeugkoffers polizeilicher Maßnahmen wird. Ausfüllungsbedürftige Voraussetzungen dürfen am Ende nicht dazu führen, dass Exekutive und
1 Judikative vor der Anwendung dieser Maßnahme weitgehend zurückschrecken. Hier wird im Anhörungsverfahren sehr genau auf die Einschätzung aus der Praxis zu achten sein, auch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite der Ermessensausübung insbesondere zur Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Fußfessel. Fehlende Rechtsstaatlichkeit wäre kontraproduktiv für den Opferschutz und die wirksame Verhinderung von Gewalt.
Ich komme noch einmal auf meine Ausgangsfrage zurück: Warum ist dieses Gesetz so wichtig? Erstens, weil es eine Lücke schließt. Der Schutz vor häuslicher Gewalt und Nachstellungen endet oft dort, wo Annäherungs- oder Kontaktverbote nicht durchgesetzt werden können. Täter ignorieren diese Maßnahmen häufig, weil sie glauben, dass sie ungestraft davonkommen. Die elektronische Aufenthaltsüberwachung sorgt dafür, dass Verstöße dokumentiert und Konsequenzen schneller gezogen werden können.
Zweitens, weil es Prävention ermöglicht. Die elektronische Überwachung ist eine Maßnahme, um die Freiheit der Opfer an diese zurückzugeben. Es geht darum, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht mehr ständig über die Schulter schauen müssen. Dass es sicher sein kann, wieder ein normales Leben zu führen.
Drittens, weil es Verantwortung zeigt. Als Gesellschaft dürfen wir uns nicht länger damit abfinden, dass Gewalt hinter verschlossenen Türen oder durch ständige Nachstellungen das Leben von Menschen zerstört. Dieses Gesetz zeigt, dass wir handeln.
Doch was können wir noch tun?
Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt, aber es darf nicht unser letzter sein. Wir müssen den Schutz der Opfer weiterdenken. Das bedeutet: Mehr Unterstützung für Schutzräume wie Frauenhäuser, die in akuten Situationen einen sicheren Zufluchtsort bieten. Das heißt: Wir brauchen mehr Frauenhausplätze in Schleswig-Holstein. Eine bessere Schulung der Polizei und anderer Behörden, um sensibler und schneller auf häusliche Gewalt und Stalking reagieren zu können.
Psychologische und rechtliche Hilfe für Betroffene, damit sie ihre traumatischen Erlebnisse bewältigen und ihr Leben wieder aufbauen können. Die geplante Streichung der Landesregierung bei der psychosozialen Prozessberatung muss daher dringend zurückgenommen werden. Und schließlich brauchen wir mehr Präventionsarbeit, um Gewalt überhaupt erst zu verhindern. Liebe Kolleg*innen, wir stehen an einem Wendepunkt. Mit diesem Gesetz können wir Leben retten. Es ist nicht perfekt, und wir müssen wachsam bleiben, um es in der Praxis stetig zu verbessern. Doch als Antwort auf wichtige Fragen ist es ein mutiger Schritt in die richtige Richtung.
Ich danke Ihnen."



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