Oliver Brandt zu Steueroasen in gemeindefreien Gebieten
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 TOP 25 – Keine Steueroasen in gemeindefreien Gebieten 24105 KielDazu sagt der finanzpolitische Sprecher der Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de Oliver Brandt www.sh-gruene-fraktion.de Nr. 345.24 / 20.11.2024Wir müssen dieses Adelsprivileg aus dem 19. Jahrhundert abschaffenAm 11. Oktober überraschte uns die ZDF-Sendung Magazin Royale mit einem Bericht über eine Jagdhütte im Sachsenwald im Herzogtum Lauenburg, die als Firmensitz für zahlreiche Unternehmen dient. Einziger Zweck ist offenbar, Gewerbesteuer zu sparen. Wie funktioniert das?Da müssen wir zunächst mal tief in die Geschichte einsteigen. Das gemeindefreie Gebiet Sachsenwald darf laut Landgemeindeordnung für die Provinz Schleswig-Holstein von 1892 als Verwaltungseinheit vergleichbare Rechte wie Gemeinden wahrnehmen.Diese Sonderrechte wurden 1927 in Schleswig-Holstein abgeschafft, mit zwei Ausnah- men. Eine davon ist der Forstgutsbezirk Sachsenwald. Damit übernimmt dort ein Guts- vorsteher die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Ein Adelsprivileg aus dem 19. Jahr- hundert gilt damit bis heute.Das ist seit langem bekannt. Bereits 1990 scheiterte die Abschaffung des gemeindefreien Gebiets Sachsenwald daran, dass die beteiligten Kommunen sich nicht auf eine Über- nahme in ihr Gemeindegebiet einigen konnten.Neu ist, dass im Sachsenwald hohe Steuereinnahmen erzielt werden. Der Gewerbesteu- erhebesatz für den Sachsenwald liegt seit 1958 bei 275 Prozent. Das spielte lange keine Rolle und liegt im gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Allerdings ist er deutlich günstiger als zum Beispiel in der Nachbargemeinde Aumühle. Dort gelten 350 Prozent. Und dort hat auch die „von Bismarcksche Forstverwaltung“ ihren Sitz.Dies verleitete Bismarck offenbar dazu, eine Betriebsstätte für seine Forstverwaltung im Sachsenwald zu gründen. Und da das Modell wohl gut funktionierte, nutzten immer mehr Seite 1 von 2 andere Unternehmen den Sachsenwald als Betriebsstätte. Nach Informationen der Re- chercheplattform „Frag den Staat“ sind das mittlerweile 21 Firmen, viele davon ursprüng- lich aus Hamburg. Dort liegt der Gewerbesteuerhebesatz bei 400 Prozent.Im gemeindefreien Gebiet Sachsenwald werden erhebliche Beträge an Gewerbesteuer vereinnahmt, 2023 bereits über eine Million Euro. Diese Art von Steuergestaltung empört uns zu Recht. Besonders skurril ist die in der Presse genannte Begründung, mit den ge- zahlten Gewerbesteuern werde ein „wertvoller Beitrag zur Klimawende“ geleistet.Dieser Praxis muss ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben werden! Diese absurde Aus- nahme gehört in die Geschichtsbücher, aber nicht in die Verwaltungspraxis in Schleswig- Holstein.Ob die Jagdhütte tatsächlich als Betriebsstätte für 21 Unternehmen genutzt wurde oder ob es sich um Steuerhinterziehung handelt, müssen nun die Finanzbehörden ermitteln. In Hamburg liegt dazu bereits eine Strafanzeige vor.Die Erhebung von Steuern im gemeindefreien Gebiet Sachsenwald ist allerdings momen- tan rechtlich zulässig. Hierfür liegt die Verantwortung in der Hand des Landes Schleswig- Holstein. Da müssen wir jetzt ran!Im demokratischen Rechtsstaat liegt die Verantwortung dafür, wie Steuereinnahmen ver- wendet werden, in der Hand von gewählten Vertretungen – in Bund und Land genauso wie in Städten, Ämtern und Gemeinden. Deshalb müssen wir dieses Privileg schnell ab- schaffen. Gemeindefrei darf nicht demokratiefrei heißen!Daher begrüße ich, dass das Innenministerium im Finanzausschuss angekündigt hat, dass die Auflösung des gemeindefreien Betriebs zügig umgesetzt werden soll. Und an- ders als 1990 muss es diesmal eine gesetzliche Lösung geben, falls es keine gütliche Einigung der beteiligten Verwaltungen gibt.Das Ministerium hat mitgeteilt, dass eine solche Lösung erst ab 1. Januar 2026 möglich sein wird. Doch es besteht jetzt Handlungsbedarf. Es muss kurzfristig geregelt werden, dass ein gemeindefreies Gebiet keine Steuern mehr erheben darf. Hier erwarten wir Vor- schläge, die bereits zum kommenden Jahr greifen - damit das 19. Jahrhundert in Schles- wig-Holstein auch rechtlich endlich der Vergangenheit angehört.Vielen Dank! *** 2