Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
11.11.24
11:00 Uhr
SPD

Serpil Midyatli: SPD-Fraktionsvorsitzende lehnen Gerichtsstrukturreform ab

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 13051 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de
PRESSEMITTEILUNG #250 - 11.11.2024
Serpil Midyatli: SPD-Fraktionsvorsitzende lehnen Gerichtsstrukturreform ab Bei der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden der SPD im Landtag und in den 15 Kreistagen und Ratsversammlungen der kreisfreien Städte haben sich die Vorsitzenden gemeinsam gegen die Gerichtsstrukturreform der Günther-Regierung ausgesprochen. Hierzu erklärt die Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, Serpil Midyatli:
„Landesweit waren wir uns einig: Die Gerichtsstrukturreform der Landesregierung muss von Ministerpräsident Günther gestoppt werden. Von Beginn an war diese Reform eine Frechheit: Per Mail hat Ministerin von der Decken über eine Reform informiert, die das Leben von 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie ihren Familien grundlegend ändern würde. So geht man mit Menschen nicht um. Nicht mit Mitarbeitenden, nicht mit Hilfesuchenden, nicht mit den mehr als 1.500 ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern, die auch von diesen Plänen betroffen sind.
Diese Reform würde die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit infrage stellen. Das hat mit Bürgernähe in einem Flächenland nichts mehr zu tun. Die Begründung der Landesregierung fußt zudem auf einer schlechten Grundlage, denn die finanziellen Berechnungen, die von der Ministerin vorgelegt wurden, sind unvollständig und fehlerhaft. Tatsächlich bedeuten die Pläne für Bürgerinnen und Bürger sogar steigende Kosten.
Die SPD-Fraktionsvorsitzenden lehnen diese Gerichtsstrukturreform ab und haben bei ihrer Konferenz eine entsprechende Erklärung verabschiedet.“

Die Erklärung der SPD-Fraktionsvorsitzenden aus dem Landtag, den Kreistagen sowie den Ratsversammlungen der kreisfreien Städte:
Die SPD-Fraktionsvorsitzenden lehnen die landesweite Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitsgerichte und die Verlagerung des Finanzgerichts und damit einen Rückzug aus der Fläche ab. Mit entsprechender Besorgnis bewerten wir auch die Ankündigungen zur Reform der Amtsgerichte im nächsten Jahr. Nicht nur die Kosten sind zu bewerten, sondern auch die Erreichbarkeit der Infrastruktur für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Vereine und Institutionen.
Begründung:
1. Sicherung der regionalen Erreichbarkeit
Die Sozial- und Arbeitsgerichte sind für viele Bürgerinnen und Bürger zentrale Anlaufstellen, die sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Streitigkeiten klären müssen. Die Nähe der Gerichte zur Bevölkerung ist unerlässlich, um einen gerechten und schnellen Zugang zum Recht sicherzustellen. Eine Verlagerung dieser Gerichte würde – mit Ausnahme der am Zentralort lebenden Bürgerinnen und Bürger - eine erhebliche Verschlechterung und zusätzliche Kosten bedeuten. Viele Betroffene sind auf eine wohnortnahe Anlaufstelle angewiesen, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Die örtliche

1 Rechtsantragsstelle ist für einige eingeschränkte Klägerinnen und Kläger wichtig, um ihr Anliegen vorzubringen.
2. Kenntnisse der Region
In den arbeitsgerichtlichen Verfahren ist eine Kenntnis der Region mit seinem Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung. Dies zeichnet im Moment auch die bundesweit vorbildliche Schleswig- Holsteinische Arbeitsgerichtsbarkeit aus. Mittelfristig würde diese Kenntnis verloren gehen, wenn die nächste Generation Richterinnen und Richter ihren Wohnsitz am Zentralort nähmen. Auch der Aufwand für Arbeitnehmer*ìnnen, Arbeitgeber*innen, Anwält*innen, andere Prozessbevollmächtigte und ehrenamtliche Richter*innen wäre drastisch höher. Verlorene und unproduktive Zeit. Während in der Region ein Gerichtstermin mit Fahrzeiten ungefähr ein bis zwei Stunden für die Beteiligten dauert, wäre künftig immer mindestens ein halber Tag einzuplanen.
3. Nahbare staatliche Institutionen
Die 300 Mitarbeitenden der Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit werden aufgrund der Verlagerung des Standortes künftig zusätzlich zwei Stunden ohne Zeitausgleich oder Entschädigung zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen. Zu erwarten sind negative Auswirkungen auf deren Familien, der Hobbies und auch deren ehrenamtliches Engagement. Sie werden an den Gerichtsstandorten und der Umgebung gebraucht, um das Gemeinschaftsleben aktiv zu gestalten. Auch die finanziellen Belastungen der vor allem teilzeitbeschäftigten Frauen durch die höheren Fahrtkosten sollten bedacht werden. Schließlich brauchen wir in dieser Zeit einen Staat mit seinen Institutionen, die vor Ort erlebbar sind. In die Ferne gerückte Institutionen bieten wenig Möglichkeiten zur Identifikation und Verständnis für deren Arbeit. Nahbarkeit erfolgt auch dadurch, dass die Mitarbeiter der Gerichte vor Ort beispielsweise im Sportverein, der Feuerwehr, dem DRK-Ortsverein oder auch im Nähclub mitmachen. Durch den Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Teilnahme am Gemeinschaftsleben werden die Institutionen erlebbar und nahbar.
4. Gerichte funktionsfähig erhalten
Inzwischen wird deutlich, dass nur einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit bereit wären an ein Gericht in Neumünster (oder anderen zentralen Ort) zu wechseln. Damit besteht für die Arbeitsgerichte die Sorge, dass die hohe Effektivität nicht mehr gewährleistet wird. Für die Sozialgerichtsbarkeit besteht die Befürchtung, dass die Verfahrensdauer sich drastisch erhöhen wird. Beides ist nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Kreises. Der als Ausgleich vorgesehene Umzug des Finanzgerichts nach Schleswig lässt befürchten, dass auch die eingearbeiteten Teams aus Kiel nicht geschlossen nach Schleswig wechseln. Auch dies führt zu Verlusten der Funktionsfähigkeit. Zudem handelt es sich um ein Fahrradgericht, zudem fast alle Mitarbeitenden mit dem Rad fahren. Ökologisch sinnvoll erscheint der Umzug daher nicht. Zudem wird die Rechtspflege auch dadurch bedroht, dass die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in allen betroffenen Gerichtsbarkeiten erheblich mehr Zeit und Kosten für die Wahrnehmung von Verhandlungsterminen aufbringen müssten. Schon jetzt ist es nicht einfach, ausreichend viele Bewerberinnen und Bewerber für dieses anspruchsvolle Ehrenamt gewinnen zu können, die auch die Vielfalt der Gesellschaft abbilden. Dieses wird künftig noch schwieriger werden, hierdurch wird die Justiz in unserem Lande nicht, wie von der Frau Justizministerin behauptet zukunftsfest gemacht, sondern die Funktionsfähigkeit der Justiz in unserem Lande nachhaltig gefährdet.
2 5. Bedeutung der Gerichte
Die Kosten der Gerichte pro Bürger liegen bei unter 100,- Euro jährlich. Dafür gewährleisten sie Rechtssicherheit, ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger können sich an sie wenden, um ihre Konflikte zivil zu lösen bzw. lösen zu lassen. Durch ihre noch vorhandene regionale Verankerung sind sie ein wichtiger Baustein in der Infrastruktur ihrer Umgebung. Die betrifft auch die Amtsgerichte, die neben den Gerichtsverfahren auch in Betreuungs-, Vereins- und Nachlasssachen eine große Bedeutung besitzen, Ein Kahlschlag wie nun bei den Arbeits- und Sozialgerichten vorgesehen würde notwendige Infrastruktur vor Ort abbauen.
6. Folgerung
Für die Bürgerinnen und Bürger und die Regionen ist regional verankerter effektiver Rechtschutz von hoher Bedeutung. Eine Zentralisierung würde nicht nur den Zugang zum Recht erschweren. Die Kosten für Parteien, Zeugen, Prozessbevollmächtigte und ehrenamtliche Richterinnen und Richter wären dauerhaft höher. Die Funktionsfähigkeit der betroffenen Gerichte droht nachhaltig beschädigt zu werden.



3