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16.10.24
17:25 Uhr
SPD

Sophia Schiebe zu TOP 15: Aussteiger*innen aus der Sexarbeit Perspektiven ermöglichen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 16. Oktober 2024
Sophia Schiebe Aussteiger*innen aus der Sexarbeit Perspektiven ermöglichen TOP 15: Umstiegsberatung in Schleswig-Holstein weiterführen (Drs. 20/2468(neu))
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Kolleg*innen,
Bei diesem Tagesordnungspunkt sprechen wir über ein Thema, welches oft im Schatten steht und trotzdem Teil unserer Gesellschaft ist – und zwar Sexarbeit.
Zunächst sollten wir uns der Tatsache bewusst sein, dass es Menschen gibt, die freiwillig in der Sexarbeit tätig sind und in dieser Branche Erfüllung und finanzielle Unabhängigkeit finden. Für manche ist die Sexarbeit eine Form der Selbstbestimmung, die es ihnen ermöglicht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, oft flexibler als in herkömmlichen Berufen. In einigen Fällen finden Sexarbeiter*innen eine Gemeinschaft in ihrer Branche und erleben Solidarität und gegenseitige Unterstützung.
Dennoch gibt es ebenso viele, wenn nicht mehr, Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, weil ihnen schlichtweg die alternativen Möglichkeiten fehlen. Für diese Menschen kann die Sexarbeit körperlich und emotional belastend sein. Das Stigma, das die Gesellschaft oft mit dieser Tätigkeit verbindet, verschärft die Situation zusätzlich. Die Betroffenen erfahren Diskriminierung und soziale Isolation. Dies erschwert ihnen, über Alternativen nachzudenken oder Unterstützung zu suchen. Gewalt, gesundheitliche Risiken und die Gefahr von Ausbeutung sind weitere negative Begleiterscheinungen, die Sexarbeiter*innen erleben können.
In diesem Spannungsfeld wird die Notwendigkeit einer Umstiegsberatung besonders deutlich. Eine solche Beratung ist wichtig. Sie bietet Menschen in der Sexarbeit, die einen Umstieg in Betracht ziehen, wertvolle Ressourcen, Informationen und Unterstützung. Die Gründe, warum Menschen die Sexarbeit verlassen wollen, sind vielfältig. Manche wünschen sich eine stabilere und weniger belastende Arbeit, andere leiden unter den physischen und psychischen Folgen ihrer Tätigkeit, und wieder andere haben den Wunsch, sich vor dem sozialen Stigma zu schützen.
Die Umstiegsberatung kann hier auf mehreren Ebenen ansetzen. Zunächst bietet sie eine Plattform, auf der die Betroffenen ihre Situation anonym und ohne Vorurteile besprechen können. Diese Niedrigschwelligkeit ist entscheidend, denn viele Sexarbeiter*innen haben Angst


1 vor Stigmatisierung und fürchten, in traditionellen Berufsberatungen nicht ernst genommen zu werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Umstiegsberatung ist die praktische Unterstützung. Viele Menschen, die aus der Sexarbeit aussteigen wollen, stehen vor erheblichen Hürden: fehlende Qualifikationen, Lücken im Lebenslauf, geringe berufliche Erfahrung außerhalb der Sexarbeit. Die Beratung kann hier helfen, indem sie den Betroffenen Weiterbildungen, Umschulungen oder auch organisatorische Unterstützung anbietet. Gleichzeitig kann sie dabei helfen, Zugang zu sozialen Sicherungssystemen wie Arbeitslosengeld, Krankenversicherung oder psychologischer Unterstützung zu finden. Diese umfassende Betreuung erhöht die Chancen auf einen erfolgreichen Umstieg erheblich.
Doch eine Umstiegsberatung muss auch die Herausforderungen und Risiken eines solchen Prozesses berücksichtigen. Ein häufiger Kritikpunkt an Umstiegsprogrammen ist, dass sie nicht alle Betroffenen erreichen oder ihnen nicht ausreichend Alternativen bieten können. Wenn die gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen den Einstieg in neue Berufe erschweren oder die angebotenen Alternativen nicht attraktiv sind, fällt es den Betroffenen schwer, sich wirklich neu zu orientieren. Daher braucht es begleitend auch die Möglichkeit, an adäquaten Unterbringunsmöglichkeiten, wie in unserem gemeinsamen Antrag gefordert.
Es ist entscheidend, dass Umstiegsberatungen die Autonomie der Sexarbeiter*innen respektieren und sie nicht in eine Richtung drängen, die sie nicht selbst gewählt haben. Eine Umstiegsberatung sollte nicht von moralischen oder ideologischen Vorstellungen geprägt sein, sondern den individuellen Bedürfnissen und Wünschen der Betroffenen gerecht werden. Schließlich gibt es Menschen, die sich bewusst für die Sexarbeit entschieden haben und diese Tätigkeit fortsetzen wollen – auch das muss respektiert werden.
Insgesamt ist die Umstiegsberatung ein wichtiger Baustein, um Menschen, die aus der Sexarbeit in andere Berufsfelder wechseln möchten, Perspektiven zu bieten. Sie gibt ihnen die nötige Unterstützung, Qualifikation und emotionale Begleitung, um diesen Schritt selbstbewusst und erfolgreich zu gehen. Und sie zeigt uns als Gesellschaft, dass wir bereit sind, Menschen unabhängig von ihrer beruflichen Vergangenheit zu unterstützen und wertzuschätzen.
Eine Umstiegsberatung für Sexarbeit ist wichtig, weil sie Menschen, die aus der Sexarbeit aussteigen wollen, unterstützt und ihnen neue Perspektiven eröffnet. Gleichzeitig muss sie sensibel und respektvoll mit den individuellen Entscheidungen der Betroffenen umgehen und darf nicht moralisch wertend sein. Es geht nicht darum, die Sexarbeit zu verurteilen, sondern darum, denjenigen zu helfen, die sich eine Alternative wünschen. Die Beratung bietet einen Raum für Hoffnung, Selbstbestimmung und einen neuen Anfang.
Lassen Sie uns also mit diesem Antrag dafür einstehen, dass Umstiegsberatungen nicht nur angeboten, sondern auch aktiv gefördert werden. Denn nur so können wir sicherstellen, dass alle



2 Menschen die Freiheit haben, ihren beruflichen und persönlichen Weg selbstbestimmt zu gestalten. Vielen Dank.



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