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16.10.24
16:39 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 19: Digitalisierung statt Stratigraphie

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 16. Oktober 2024
Martin Habersaat Digitalisierung statt Stratigraphie TOP 19: Abschied vom Briefkasten – Konsequente Digitalisierung von Förderprogrammen (Drs. 20/2493)
"Wie die Landesregierung sich die Umsetzung des Rechts auf Ganztag in Schleswig-Holstein konzeptionell vorstellt, will sie wohl im November verkünden.
Schon vorher, seit dem 1. September, konnten die Schulträger Fördermittel beantragen. Der Startzeitpunkt war schon einmal bedeutungsschwer: Mitternacht. Der Ort: Ein Briefkasten in Kiel.
Wie es genau war, möchte ich nicht schildern, ich war nicht dabei. Aber man kann es nachlesen. „Ein Abenteuer zwischen Bierdosen und Briefkästen“ ist noch nicht im Buchhandel veröffentlicht, aber auf den Webseiten des Amtes Berkenthin. Daraus zitiere ich:
„Bereits um 20.00 Uhr am Sonnabend begannen die ersten unermüdlichen Verwalter, ihre Kühltaschen und Klappstühle vor der Investitionsbank zu platzieren. Mit Bierdosen in der Hand und einem festen Blick auf den frühestens ab 00.00 Uhr zu füllenden Briefkasten scharten sich Vertreter der Kommunen aus dem gesamten Land zusammen, um sich die besten Plätze im Rennen zu sichern. Denn nichts sagt mehr ‚Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen‘ als eine Schlange Beamter, die sich bis Mitternacht in die kalte Nachtluft stellen, um einen Umschlag in einen Briefkasten zu werfen. Und so begann es: Punkt 23:59 Uhr wurde der Briefkasten der Investitionsbank in Kiel noch einmal geleert, bereit für den Sturm der analogen Antragsabgaben ab 00:00 Uhr.“
Doch halt, hier ist dem Chronisten womöglich ein Fehler unterlaufen. Denn in der Antwort auf die Kleine Anfrage 20/2484, die ich Ihnen wirklich ans Herz legen möchte, schreibt die Landesregierung: der besagte Briefkasten wurde am 31.08.2024 um 23:56 Uhr gelehrt. Was stimmt? Die Antwort werden wir wohl nie erfahren, obwohl hier mit kreativen Methoden gearbeitet wird: Zitat: „Die Reihenfolge innerhalb dieser Leerungskohorten ergab sich grundsätzlich aus der ‚Schichtung‘ der Umschläge: Der unterste Umschlag ist der erste eingeworfene Umschlag, also der früher gestellte Antrag im Vergleich mit den darauf liegenden und damit später eingeworfenen Umschlägen.“



1 Damit greift die Landesregierung auf ein bewährtes Verfahren aus der Archäologie zurück: die Stratigraphie. Allerdings scheint mir das FDP-Konzept der Digitalisierung besser zum Problem und zum Jahrhundert zu passen.
Aber noch einmal in allem gebotenen Ernst: Es darf nicht sein, dass wir im Jahr 2024 über die Schichten von Briefen sprechen. Es darf nicht sein, dass unterschiedliche Schulträger unterschiedliche Auskünfte zum Verfahren bekommen. Und es darf schon gar nicht sein, dass sich eine Landesregierung nicht an eigene Zusagen hält. Es gab auf dem Weg zum Ganztag bereits das erste Foulspiel, als Bildungsministerin Prien eine Pro-Kopf-Deckelung bei den Investitionskosten in den Entwurf der Förderrichtlinie schrieb. Bereits im Herbst 2023 hatten sich Land und Kommunen auf die Eckpunkte der Richtlinie geeinigt. Weil sich die Landesregierung zwischenzeitlich wortbrüchig zeigte, dauerte es mit der fertigen Richtlinie dann bis zum Juni 2024. Es hat unnötig viel Zeit gekostet, den Ministerpräsidenten an seine eigenen Zusagen zu erinnern.
Es deutet sich an, dass der Chef der Staatskanzlei mit seiner Prognose, es stehe mehr Geld zur Verfügung, als gebraucht werde, weit daneben lag. Es scheinen die „zunächst“ zur Verfügung gestellten 196 Millionen Euro nicht auszureichen. Bei der letzten Abfrage lagen Anträge über 472 Millionen Euro vor. Und eines ist doch klar: Das Recht auf Ganztag muss im ganzen Land umgesetzt werden!
Wir werden sehen, was das Wort „zunächst“ wert ist. Und wir wollen sehen, dass die Landesregierung kommunale Vertreter nicht mehr um Mitternacht an irgendwelche Briefkästen zwingt.
Das letzte Wort soll wieder dem Bericht aus Berkenthin gebühren:
„Was bleibt von diesem denkwürdigen Ereignis? Für die Geschichtsbücher bleibt der Eindruck, dass die Verwaltung in Schleswig-Holstein im Jahr 2024 auf ihre ganz eigene Weise den digitalen Fortschritt interpretiert hat. Statt eines einfachen Mausklicks wurde der analoge Wettlauf um 0:00 Uhr am Sonntagmorgen zur neuen Norm erklärt. Und während sich der Staub langsam legte und die Bierdosen ausgetrunken wurden, bleibt eine Frage im Raum stehen: War es das alles wert? Werden wir uns an diese Nacht erinnern, als die, in der die Digitalisierung im öffentlichen Dienst endgültig für tot erklärt wurde?“
Stenkelfeld lässt grüßen…"



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