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16.10.24
16:17 Uhr
SPD

Birte Pauls zu TOP 29: Die UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umsetzen!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 16. Oktober 2024
Birte Pauls Die UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umsetzen! TOP 29: 15 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – Noch ist viel zu tun! (Drs. 20/2581)
Am 16.09. hatten wir hier im Plenarsaal eine sehr gute Veranstaltung unter dem Titel „15 Jahre UN-Behinderten Rechtskonvention - Wat nu?“ die unsere Beauftragte für Menschen mit Behinderung Michaela Pries und ihr Team organsiert hat. Dafür noch einmal herzlichen Dank.
Frau Prof. Dr. Siegrid Arnade, die die UN-BRK für Deutschland verhandelt hat, und Gesundheits- und Sozialrechtler Prof. Dr. Felix Welti bewerteten das bislang Erreichte, aber genauso die Aufgaben, die es für uns noch zu lösen gibt. Schauen wir uns einige Aufgaben an.
Eine wichtige Aufgabe, die wir hier im Haus lösen können ist die politische Teilhabe. Am 10. Oktober gab es im deutschen Bundestag einen historischen Moment. Die erste gehörlose Bundestagsabgeordnete überhaupt, Heike Heubach von der SPD-Fraktion, hielt ihre erste Rede. Ihre ständigen Begleiter*innen sind Gebärdensprachdolmetscher*innen. Wir müssen ja nicht glauben, dass die Gemeinschaft der Gehörlosen sich nur für die Belange interessieren, die ihre Gehörlosigkeit betreffen. Aber so behandeln wir sie gerade. Nur wenn es um Themen der Gehörlosigkeit geht, stellen wir hier im Landtag eine Gebärdensprachdolmetschung zur Verfügung.
Das widerspricht dem Art. 29 der UN-BRK, dem Recht auf Teilhabe. „Nichts über uns ohne uns!“, lautet die maximale Partizipation. Und weil Inklusion alle Bereiche unseres Lebens betrifft, müssen wir die politische Teilhabe für alle sicherstellen. Lassen Sie uns es dem Bundestag und anderen Bundesländern gleichtun und unsere Plenumssitzungen barrierefrei übertragen.
Art.7 der UN-BRK beschreibt, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen zu achten sind. Dabei spielt die frühkindliche Bildung eine besondere Rolle. Kleine Kinder sind die tolerantesten Menschen. Sie nehmen andere Kinder einfach so an, wie sie sind. Diskriminierende Gedanken werden ihnen erst später eingeflößt. In der frühkindlichen Bildung werden die Grundsteine für eine inklusive Gesellschaft gelegt. Aber was machen die Sozialministerin und der Ministerpräsident? Sie legen uns ein Kita-Gesetz vor, das die Inklusion erst gar nicht und dann nur sehr halbherzig mitdenkt. Der aktuelle Entwurf vernichtet regelrecht vorhandene und gut funktionierende inklusive Strukturen in den Kitas. Das Modellprojekt „Inklusive Kita“ wird im aktuellen Haushaltsentwurf gestrichen.

1 Die fahrenden Kompetenzteams werden wahrscheinlich mehr Arbeitszeit auf der Straße und mit Dokumentation verbringen als bei den Kindern.
Bildungsministerin Prien macht in der Schule ebenfalls nicht die richtigen Schritte, um das Menschenrecht auf inklusive Bildung zu erfüllen. Sie hat das Leitbild der inklusiven Schule augenscheinlich aufgegeben. Die Exklusionsquote - die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die in einem Förderzentrum unterrichtet werden - ist gestiegen.

Art.19 der UN-BRK beschreibt die unabhängige Lebensführung. Dazu gehört die Wahlmöglichkeit, wie und wo man leben möchte. Dafür brauchen wir mehr bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum. Dieser fehlt überall. Hierbei stehen die Menschen mit Behinderung auch in Konkurrenz zu den Senioren, die den gleichen Bedarf an diesen Wohnraum haben. Das Innenministerium macht hierfür keine Vorgaben. Damit rückt die Deinstitutionalisierung weiter in die Ferne. Betroffene werden quasi gezwungen, in besonderen Wohnformen zu leben. Eine echte Wahlmöglichkeit gibt es also nicht. Zu einem unabhängigen und selbstbestimmten Leben gehört neben der Wohnung, den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu können. Wir sind jedoch vom gleichen Recht auf Arbeit, wie er in Artikel 27 der UN-BRK beschrieben ist, ebenfalls weit entfernt. Die Leistungen in der Eingliederungshilfe liegen zwar im aktuellen Haushaltsentwurf bei fast einer Milliarde Euro. Aber trotzdem leisten wir es uns, Menschen mit Behinderungen in ihren Tätigkeitsmöglichkeiten einzuschränken, anstatt sie zu fördern. Individuelle Assistenz am Arbeitsplatz ist nicht nur eine Frage von Respekt und Würde auf der einen Seite. Sie ist auch eine Antwort auf den Fach- und Arbeitskräftemangel auf der anderen Seite.
Fragen und Ansprüche im Bereich der Eingliederungshilfe müssen leider oft vor Gericht geklärt werden. Deshalb verstoßen die neuen Pläne der Justizministerin und der Staatskanzlei, die Sozialgerichte zu zentralisieren, gegen Art. 13 der UN- BRK, nämlich dem gleichberechtigten Zugang zur Justiz. Es ist ja jetzt schon für Betroffenen schwierig, die notwendige Assistenz zu organisieren. Wer soll sie denn bitte zukünftig auf langen Wegen zum Sozialgericht begleiten?
Artikel 25 der UN-BRK legt das das Recht auf Gesundheit fest. Ich begrüße sehr, dass das erste Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderungen (MZEB) am UKSH in Lübeck eingerichtet wird. Übrigens war das unser Antrag. Das entbindet uns aber nicht dafür Sorge zu tragen, dass Arztpraxen in öffentlicher wie in privater Hand barrierefrei zugänglich sind und dass die notwendige Zeit für oft länger dauernde Behandlung auch vergütet wird.
Ich könnte jetzt noch Beispiele für jedes Ministerium anführen: Tourismus, ÖPNV, Landwirtschaft, Umwelt, Gewaltschutz. Leider fehlt mir die Zeit.
Der Fond für Barrierefreiheit ist ein gutes Instrument. Aber viel besser wäre es, wenn Barrierefreiheit automatisch in allen Bereichen umgesetzt wird.



2 Inklusion ist und bleibt ein Querschnittsthema, das uns alle auffordert. Die UN- Behindertenrechtskonventionen sind kein „nice to have“. Durch das Ratifizierungsgesetz sind wir zur Umsetzung verpflichtet. Und wir wollen das auch! Denn nicht das Individuum muss sich verändern, sondern die gesellschaftlichen Bedingungen. Und dafür sind wir verantwortlich.



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