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16.10.24
10:06 Uhr
Landtag

Ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel - Landtag untermauert seine Solidarität mit Israel

Nr. 105 / 16. Oktober 2024


Ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel – Landtag untermauert seine Solidarität mit Israel

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat heute (16.10.) in seiner ersten Sitzung nach dem 7. Oktober an den Jahrestag des terroristischen Angriffs der Hamas auf Israel erinnert. Landtagspräsidentin Kristina Herbst gedachte des Überfalls auf Israel mit einer Ansprache im Plenum. Hier die Rede im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):
„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
am 7. Oktober vor einem Jahr war Israel Ziel eines Terror-Angriffs der radikal-islamischen Hamas. Rund 1.200 Menschen wurden kaltblütig ermordet – der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Mehr als 250 Menschen wurden als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt. Viele von ihnen sind bis heute nicht befreit, nicht wenige wurden inzwischen ermordet.
Die Bilder und Berichte von den entsetzlichen Gräueltaten erschüttern uns bis heute.
Seitdem ist die Gewalt im Nahen Osten eskaliert - in Gang gesetzt durch die Hamas und ihre Unterstützer aus der Region. Mit entsetzlichen Folgen für die Menschen in Israel, in Gaza und jetzt auch im Libanon.
In einer Ansprache zum 7. Oktober hat der israelische Staatspräsident Herzog die tiefe Sehnsucht seines Landes nach Frieden mit seinen Nachbarn, nach einem Ende des Hasses im Nahen Osten unterstrichen. Wir alle hier teilen diesen Wunsch zutiefst.
Die Gewalt im Nahen Osten hat schon jetzt und auf allen Seiten viel zu viele Opfer gefordert. Die Menschlichkeit gebietet es, das Leid und die Not aller Menschen in der Region wahrzunehmen und zu beklagen. Dementsprechend kann nur an alle Beteiligten appelliert werden, diplomatische Lösungen nicht zu vernachlässigen.
Das erste Gebot lautet allerdings, der Not abzuhelfen. Deshalb begrüßen wir alle Hilfsmaßnahmen, die die katastrophale Lage der unter der militärischen Auseinandersetzung leidenden Bevölkerung lindern. Zivilisten und zivile Infrastruktur müssen besser geschützt werden. Meine Damen und Herren,
vor einem Jahr hat der Schleswig-Holsteinische Landtag einstimmig das Existenzrecht Israels bekräftigt. Wir haben uns in Solidarität hinter Israel und seine Bevölkerung gestellt – und auch hinter die Jüdinnen und Juden in Schleswig-Holstein.
Diese Aussagen gelten damals wie heute. Und sie verpflichten uns, zu handeln, wo wir Verantwortung tragen.
Denn seit dem 7. Oktober 2023 hat eine unbegreifliche Welle des Judenhasses auch Deutschland erfasst. Angesichts der Vorkommnisse auf unseren Straßen, in unseren Hochschulen oder in den Sozialen Medien hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, von einem „Tsunami des Antisemitismus“ gesprochen.
Und diese schlimme Entwicklung ist leider auch an Schleswig-Holstein nicht vorübergegangen. Das sagen uns die Statistiken, die einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle verzeichnen. Das sagen mir vor allem aber die Gespräche mit Jüdinnen und Juden, die sich seit dem 7. Oktober 2023 deutlich unsicherer fühlen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
So sagt es der Artikel 1 unseres Grundgesetzes, dessen 75. Geburtstag wir in diesem Jahr gefeiert haben.
Meine Damen und Herren,
ist es menschenwürdig, wenn Jüdinnen und Juden sich in unserem Land nicht als solche zeigen können? Wenn sie Symbole des jüdischen Glaubens nicht offen tragen können, weil sie um Leben und Gesundheit fürchten müssen?
Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Der Staat hat mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass dieser Zustand aufhört. Sonst legen wir selbst die Axt an unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Meine Damen und Herren,
alle jene, die in unserem Land Jüdinnen und Juden bedrohen, die die Gräueltaten der Hamas bejubeln oder rechtfertigen, stellen sich außerhalb unseres demokratischen Grundkonsenses. Das muss ihnen ganz klar sein.
Leider sind auch viele Hochschulen in Deutschland kein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden. Hier agiert ein Milieu, das unter dem Schlagwort des „Antikolonialismus“ gegen Israel, aber auch gegen jüdische Universitätsangehörige mobilmacht.
An dieser Stelle ist nicht der angemessene Ort und Anlass für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem akademischen Konstrukt. Lassen Sie mich nur so viel sagen: Die Hamas hat nicht vor, irgendjemanden zu befreien. Auch nicht ihre Landsleute. Im Gegenteil. Ihr Ziel ist die Errichtung einer theokratischen Diktatur. In Gaza herrscht sie mit Unterdrückung und Gewalt. Sie tritt Frauenrechte mit Füßen und ermordet Homosexuelle. Sie nimmt ihre eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde und macht auch vor Krankenhäusern nicht halt. Mörderischer Antisemitismus ist die Geschäftsgrundlage ihrer Existenz. Mit vollem Recht hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr das Verbot dieser Terrororganisation ausgesprochen.
Meine Damen und Herren,
dringender Handlungsbedarf besteht im Bereich der Sozialen Medien. Populäre Videoplattformen etwa werden seit dem 7. Oktober 2023 in großem Ausmaß mit antisemitischem Gift geflutet. Oftmals gefördert durch einen Algorithmus, der gewaltverherrlichende Inhalte belohnt.
Hier müssen wir gegensteuern – wenn es sein muss, auch regulatorisch. Vor allem aber durch Aufklärung. Unsere Schülerinnen und Schülern müssen sowohl das inhaltliche als auch das methodische Handwerkszeug erhalten, um antisemitische Propaganda zu erkennen und ihr widersprechen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist richtig: das Land Schleswig-Holstein tut bereits viel im Kampf gegen den Antisemitismus.
Das gilt für den Landtag, die Landesregierung, den Landesbeauftragten für politische Bildung sowie den Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.
Und das gilt für zahlreiche Initiativen aus der Bürgergesellschaft. Pars pro toto nenne ich das „Bündnis gegen Antisemitismus Kiel“, das in diesen Tagen mit einer Vielzahl von Veranstaltungen den „Monat gegen Antisemitismus“ begeht und die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus – kurz LIDA, die wir im vergangenen Jahr mit dem Demokratiepreis ausgezeichnet haben.
Allen Menschen, die Ihre Solidarität mit Israel und ganz besonders mit den Jüdinnen und Juden in unserem Land öffentlich bekunden, gilt unser ganz herzlicher Dank. Sie erfüllen damit eine unverzichtbare Bürgerpflicht.
Aber die letzten 12 Monate haben gezeigt: Wir dürfen nicht nachlassen im Kampf gegen den Antisemitismus. Im Gegenteil: wir müssen noch besser werden.
Für die Freiheit und Sicherheit der Jüdinnen und Juden in unserem Land; und für uns alle, die wir in einer offenen und friedlichen Gesellschaft leben wollen.
Meine Damen und Herren,
morgen beginnt eines der wichtigsten jüdischen Feste: Das Laubhüttenfest oder Sukkot. Es ist ein fröhliches Fest, das den Erntedank mit der Erinnerung an die biblische Wanderung des Volkes Israel in das gelobte Land verbindet. Und ein Ereignis, das die jüdischen Gemeinden auch gerne mit Außenstehenden feiern. Wir sollten daher auch bei der aktuellen weltpolitischen Lage nicht vernachlässigen, worum es uns gehen sollte: das jüdische Leben in Schleswig-Holstein sichtbar und zu einem normalen Bestandteil unseres Alltagslebens zu machen. Diese Zielsetzung hat der Schleswig-Holsteinische Landtag auch mit der Einsetzung des Runden Tisches für jüdisches Leben deutlich gemacht – sie ist derzeit wichtiger denn je. Wir können so alle einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis, zum Bekämpfen von Vorurteilen und von Antisemitismus leisten. Ich wünsche mir, dass auf diese Weise alle in Schleswig-Holstein vertretenen religiösen Überzeugungen miteinander ins Gespräch kommen und das praktizieren, was Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens ist: Toleranz.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns einen Moment innehalten und aller Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten gedenken. Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Ich danke Ihnen.“