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31.07.24
09:21 Uhr
SPD

Martin Habersaat: Oberstufenreform hakt an zentralen Stellen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 13051 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de
PRESSEMITTEILUNG #188 - 31.07.2024
Martin Habersaat: Oberstufenreform hakt an zentralen Stellen Zum Schuljahr 2021/22 trat in Schleswig-Holstein eine Oberstufenreform in Kraft, die mehr Vergleichbarkeit zwischen den Ländern einerseits und mehr Möglichkeiten zur individuellen Schwerpunktsetzung durch die Schülerinnen und Schüler andererseits erreichen sollte. Der erste Reformjahrgang hat 2024 das Abitur erworben. Die Umsetzung der Reform wurde durch eine Studie begleitet. Zu deren Ergebnissen sagt Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD- Landtagsfraktion:
„Das ‚Beste aus den Oberstufenreformen der vergangenen 40 Jahre zusammenführen‘ wollte Bildungsministerin Karin Prien nach eigener Aussage. Große Worte, die in der Realität nicht umgesetzt werden. Die Reform erfolgte weitgehend ohne parlamentarische Beteiligung und in der Umsetzung mitten in die Pandemie-bedingten Belastungen der Schulen hinein. Nicht die einzigen Gründe dafür, dass wir heute nicht die beste aller Oberstufen haben: Es wurde die Chance vertan, größere Schritte in Richtung eines interdisziplinären Arbeitens zu gehen. Es fehlt an klaren Strukturen für fächerübergreifendes und projektorientiertes Lernen, stattdessen wurde an fachgebundenen Stundenstrukturen festgehalten – mit allen damit verbundenen Problemen. Nach der Rückkehr zu G9, um den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit zum Lernen zu geben, hätte es gut angestanden, ihnen auch mehr Freiräume zur Persönlichkeitsentwicklung, für projektorientierten Unterricht, Praktika und Auslandsaufenthalte zur Verfügung stellen. Nach Lektüre der Studie, die sich nicht mit den Möglichkeiten einer Oberstufenreform befasst, sondern mit der Umsetzung dieser konkreten Reform, lassen sich fünf Feststellungen treffen:
• Schülerinnen und Schüler werden zu selten beteiligt: Von einer Reform der Oberstufe sind in starkem Maße Schülerinnen und Schüler betroffen. Es ist bedauerlich, dass das Bildungsministerium bei dieser Studie auf deren Perspektive verzichtet hat. Ein ähnliches Bild ergibt sich in der Studie bei der Frage, ob bei der Entwicklung des Profilseminars an den Schulen Wünsche und Ideen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt wurden. Vielerorts nicht. • Das Profilseminar ist noch nicht überall angekommen: Es ist erst an 70% der Schulen flächendeckend eingeführt, teilweise wegen fehlenden Personals oder wegen unklarer Vorgaben. Die Gymnasien scheinen abseits des bekannten Fächerkanons größere Schwierigkeiten zu haben als die Gemeinschaftsschulen. Die Schulleitungen sind mit der Profilausgestaltung zu 95% zufrieden. Von Schülerinnen und Schülern wird zuweilen anderes gespiegelt. Dort hört man: Die Seminare hängen an vielen Schulen im luftleeren Raum und werden zuweilen zur Verfügungsmasse der ‚richtigen‘ Fächer, wo sie doch eigentlich der Schritt in Richtung Lernen und Schule der Zukunft sein sollten. • Zwei-Wege-Kurse werden abgelehnt: Die Einführung getrennter Kurse auf grundlegendem und erhöhtem Anforderungsniveau wird mehrheitlich begrüßt, es werden jedoch starke negative Effekte auf die Schulorganisation beklagt und Einschränkungen bei Leistung und Motivation bei dreistündigen Kernfachkursen gesehen. Besonders groß ist die Kritik an Zwei-Wege-Kursen. Diese werden aus Ressourcenmangel dreistündig von Schülerinnen und Schülern auf beiden Niveaus belegt, für Schülerinnen und Schüler auf erhöhtem Niveau
1 kommen zwei Extrastunden hinzu. Nahezu alle betroffenen Lehrkräfte wünschen sich eine andere Lösung. • Zwei-Wege-Kurse sind ungeliebt, eine mögliche Alternative aber noch mehr: Zum Befragungszeitpunkt im Februar 2023 fand gemäß den Angaben aus der Schulleitungsbefragung an keinem der teilnehmenden Gymnasien oder Gemeinschaftsschulen eine Kooperation mit einer anderen Schule hinsichtlich des Kursangebots in den Kernfächern statt. Lediglich rund 10 Prozent der Schulleitungen gaben an, dies perspektivisch auch nur zu erwägen. • Schülerinnen und Schüler werden überlastet: Die Belegverpflichtungen in der Oberstufe bringen zum Teil hohe wöchentliche Stundenumfänge mit sich, die sich im ersten Halbjahr der Qualifikationsphase auf bis zu 36 regelhafte Stunden pro Woche belaufen können. An 32 Prozent der Gemeinschaftsschulen und an 60 Prozent der Gymnasien sind an zwei oder mehr Tagen von den Schülerinnen und Schülern mehr als acht Stunden Unterricht zu bewältigen. Dabei sind zwischenliegende Freistunden nicht mitgezählt. Schülerinnen und Schüler wurden nicht befragt, aber viele Lehrkräfte sehen das Problem und werden in der Studie zitiert (‚Schüler benötigen freie Nachmittage für ihre Freizeitgestaltung und die Ausbildung ihrer eigenen Persönlichkeit‘, ‚Lange Tage für die Schüler‘, ‚SuS haben zu wenig Zeit, um vertieft zu arbeiten‘).
Nicht Teil der Studie ist das neue Pflichtseminar zur Berufsorientierung. Die Berufsorientierung wird an jeder Schule anders interpretiert und findet (noch) nicht überall in notwendigem Umfang in der notwendigen Qualität statt. Nur am Rande geht die Studie auf ein anderes Thema ein: Das Fach WiPo wurde abgewertet und gegen Geografie gestellt, obwohl Globalisierung, Digitalisierung, politischer Populismus und andere Entwicklungen die demokratische Gesellschaft herausfordern und wir deren Bedeutung eher mehr im Stundenplan abbilden müssten. Und das geschah ausgerechnet im von der Ministerin selbst ausgerufenen ‚Jahr der politischen Bildung‘. Hören sollte man auf die Stimmen der Lehrkräfte, die in der Studie auch zu anderen Themen zu Wort kommen. Beispielsweise auch diese hier: ‚Dringend andere Themen! Im Fach Mathematik unterrichten wir seit einer Ewigkeit immer dieselben Themen, die zum Teil an der beruflichen Realität vorbei gehen.‘“



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