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19.07.24
12:30 Uhr
B 90/Grüne

Jan Kürschner zum Verfassungsschutzbericht 2023

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 40 – Verfassungsschutzbericht 2023 Pressesprecherin Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher Claudia Jacob der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Jan Kürschner: 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 257.24 / 19.07.2024

Die größte Bedrohung unserer Demokratie geht weiterhin von rechts aus Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
nur wenige Wochen nach dem 75. Geburtstag des Grundgesetzes gilt es, einen bitteren Befund auszusprechen: Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik forderten Verfassungsfeinde den Staat und die Gesellschaft stärker heraus als heute. Dazu kommt noch eine gestiegene Bedrohungslage aus dem Ausland, Cyberangriffe und Sabotage- akte. Wir stehen diesen Bedrohungen mit den Instrumenten der wehrhaften Demokratie gegenüber. Eines davon ist der Verfassungsschutz, dem ich an dieser Stelle für seine Arbeit und den vorgelegten Bericht danke.
Allerdings hege ich zuletzt angesichts der manchmal langwierigen Prozesse in den Be- hörden und nachgelagert der jahrelangen Verfahrensdauer bei den Verwaltungsgerich- ten Bedenken, ob das System der wehrhaften Demokratie effektiv wirkt oder sogar zu scheitern droht. In Schleswig-Holstein sind wir nicht von den Vorgängen in der Welt ent- koppelt.
Die durch den menschenverachtenden Terrorangriff der Hamas ausgelösten Ereignisse in Nahost beeinflussen das Geschehen in unserem Land. Wir erleben einen drastischen Anstieg antisemitischer Straftaten um die 116 Prozent. Antisemitismus ist niemals akzep- tabel. Auch die extreme Linke ist nicht davor gefeit, was nicht neu ist. Im Sommer 2023 gab es prominente Taten im linksextremistischen Bereich, begangen von zugereisten Personen, die allesamt nicht in Schleswig-Holstein leben. Insgesamt spielt dieser Bereich in Schleswig-Holstein aber keine große Rolle, was sich im weiteren Absinken der Taten insgesamt und der knappen Halbierung der Gewaltdelikte zeigt. Bei den absoluten Zah- len ist der Phänomenbereich rechts siebenfach größer als der Phänomenbereich links.

Seite 1 von 2 Zum Punkt Islamismus ist folgendes zu sagen: Der Islamismus ist eine menschenfeindli- che Ideologie, die tötet. Das Kalkül dahinter ist wie bei anderen Formen des Extremismus auch, die westlichen Gesellschaften dazu zu bringen, die Freiheitlichkeit ihrer Demokra- tien aufzugeben, damit die Demokratie als Gesellschaftsbild an Attraktivität verliert. Den Gefallen sollten wir ihnen nicht tun. Wer für die Einführung des Kalifats demonstriert und die Bundesrepublik als „Wertediktatur“ verunglimpft und dabei verfassungsfeindliche Be- strebungen verfolgt, dem sollten wir mit allen Mitteln entgegentreten, die uns die Verfas- sung zu ihrer Verteidigung bietet. Die größte Bedrohung der Demokratie geht aber wei- terhin von rechts aus.
In Schleswig-Holstein haben sich im Jahr 2023 die Gewalttaten durch Rechtsextremisten fast verdoppelt. So einen krassen Anstieg gab es sonst nur noch in Bayern. Wenn die Statistiken stimmen, befindet sich Schleswig-Holstein, was die absoluten Zahlen angeht, damit jetzt in etwa auf einer Ebene mit ostdeutschen Bundesländern. Das möge man sich vergegenwärtigen!
Die AfD Schleswig-Holstein ist Teil einer Bundespartei, die nicht nur als „rechtsextremis- tischer Verdachtsfall“ eingestuft ist. Das ist durch zwei Gerichtsinstanzen bestätigt. Sie agiert auch als ein Scharnier für die gesamte extrem rechte Szene. Es gibt einen Schul- terschluss der AfD in Schleswig-Holstein mit bekannten rechtsextremistischen Personen und Organisationen. Das lässt sich an dem Teilnehmerfeld des von der Frau Ministerin erwähnten Vernetzungstreffens „Tag des Vorfelds“ deutlich ablesen. Ich habe den Ein- druck, die AfD in Schleswig-Holstein legt es bewusst darauf an, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Anders kann das „Herzlich willkommen“ des AfD-Landesvorsit- zenden in diesem Zusammenhang kaum zu verstehen sein.
Wer sich auf unerträgliche Art und Weise verfassungsfeindlich äußert, kann nicht gleich- zeitig so tun, als sei man ein armes Opfer von Unterstellungen, was denn mit dem Wort „Remigration“ gemeint sei. Gefährlich ist, dass es der extremen Rechten gelingt, mit ihren Themen Anschluss an größere Teile der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ zu finden und Diskurse nach Rechtsaußen zu verschieben. Wir laufen als Gesellschaft Gefahr, un- seren moralischen Kompass zu verlieren.
Wie ist einer Abwendung von der Demokratie nun entgegenzutreten? Eine gute Politik entzieht dem Extremismus seinen Boden, heißt es. Man kann gewiss darüber streiten, was gute Politik ist. Aber ganz abgesehen von rechtlichen und praktischen Schranken: In möglichst kurzer Zeit einfach möglichst viele Menschen aus Deutschland abzuschieben, was nicht wenige immer wieder reflexhaft fordern, kann damit nicht gemeint sein. Diese Vorstellung ist naiv.
Um zuversichtlich zu enden: Der Großteil der schleswig-holsteinischen Bevölkerung be- kennt sich zu unseren demokratischen Werten und ich glaube, dass das so bleibt, auch wenn zwölf Prozent für die AfD bei der Europawahl zu viel sind. Darüber sollten wir zwar nicht in Selbstzufriedenheit versinken, es kann uns mit Blick auf die Ergebnisse in ande- ren Bundesländern aber durchaus noch zuversichtlich stimmen.
Vielen Dank! ***



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