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17.07.24
12:10 Uhr
B 90/Grüne

Malte Krüger zur Kinder- und Jugendgewalt in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 27 – Kinder -und Jugendgewalt Pressesprecherin entschieden entgegentreten Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der bildungspolitische Sprecher der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Malte Krüger: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 243.24 / 17.07.2024

Gemeinsam an einem effektiven Kinder- und Jugendschutz arbeiten
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
vor einigen Tagen habe ich YouTube aufgemacht und mir wurde das Video: „Generation brutal: Die Jugendkriminalität boomt“ angezeigt. Solche Titel sind natürlich bewusst ge- wählt, um möglichst viele Aufrufe zu generieren, aber gleich eine ganze Generation als „brutal“ in eine Schublade zu stecken, halte ich für fragwürdig.
Zu Beginn meines Mandats hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit der Polizei Itzehoe. Damals wurde auf extreme Gewaltfälle mit Schüler*innen hingewiesen, zwi- schen Schüler*innen, zwischen Schüler*innen und Eltern, aber auch mit Personen, die aus dem außerschulischen Kontext kommen. Damals wurde mir erklärt, dass solche Vor- fälle inzwischen vermehrt zur Anzeige gebracht werden. In einem Gespräch letzte Woche mit dem Regionalen Bildungszentrum Itzehoe haben wir erneut von Vorfällen gehört, die einen nur fassungslos zurücklassen. Junge Mädchen werden unter Druck gesetzt, so- wohl psychisch als auch physisch, damit sie entsprechend den Vorstellungen der Familie ihren Partner finden. Eine junge Mutter und ihre Tochter erfahren häusliche Gewalt, sie werden mit einem Kabel geschlagen. In Heide überfallen drei Jugendliche eine 13-Jäh- rige und berauben sie.
Diese Ereignisse, die nicht nur in Dithmarschen oder Steinburg stattfinden, müssen uns aufrütteln, müssen uns zum Handeln bringen. Was klar ist: Sie ereignen sich in einer facettenreichen Umwelt, in einer Zeit, in der wir per Liveticker beobachten, wie der politi- sche Diskurs fast überall weltweit verroht, in der digitale Gewalt zunimmt und sozialer Druck steigt. Sowohl die Familie als auch die Schule können das nicht immer auffangen. Häufig, so zeigen die exemplarischen Fälle vom Anfang, fangen die Probleme auch
Seite 1 von 3 genau da an. Wie sollen Eltern, wie soll eine Schule, wie sollen Lehrer*innen und Päda- gog*innen darauf eingehen können, wenn der Raum oder die Expertise dafür fehlt?
Ich bin sehr dankbar, dass wir mit dem vorliegenden Antrag einen parteiübergreifenden Maßnahmenplan auf den Weg bringen werden, um genau darauf zu antworten. Es ist ein gutes Zeichen, dass neben den Koalitionsparteien auch FDP und SSW daran mitwirken. Herzlichen Dank für die Impulse und an dieser Stelle auch gute Genesungswünsche von mir an die Kollegin Jette Waldinger-Thiering. Das wird diesen Antrag zusammen einbrin- gen, zeigt die Bedeutung des Themas auf, und dass wir uns bei diesem Thema nicht im politischen klein-klein verkämpfen, sondern gemeinsam, fraktionsübergreifend Lösungen suchen. Umso mehr bedaure ich, dass die SPD unser Angebot, einen gemeinsamen An- trag zu machen, nicht angenommen hat.
Mit allen Fraktionen haben wir eine gemeinsame Anhörung des Bildungs-, des Sozial- und des Innenausschusses gemacht. Dabei kam raus, dass es zwar Auffälligkeiten in der Statistik gibt, zum Beispiel bei Schüler*innen, wo eine Zunahme an Gewalt statistisch signifikant ist, allerdings ist dabei auch klar geworden, dass es in den letzten Jahren rein quantitativ nicht mehr Gewaltfälle bei Kindern- und Jugendlichen gab. Von einer „Gene- ration“ brutal zu sprechen, ist also faktisch falsch. Gewalt an Schulen gab es schon im- mer. Ich selbst habe auch Gewalt an meiner Schule als 5. Klässler erlebt und ich bin ehrlich gesagt heilfroh, dass zu meiner Schulzeit die Handys noch nicht so ausgereift waren, dass die Tritte gegen mich aufgezeichnet und im ganzen Internet verbreitet wur- den. Das ist inzwischen aber die Realität. Damit muss Schule umgehen. Damit muss Politik umgehen und dafür haben wir hier einen Antrag vorgelegt, in dem wir verschiedene Bereiche voranbringen wollen.
Für uns Grüne ist klar, dass eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von jetzt 14 Jahren keine Lösung sein kann. Das haben auch die Expert*innen in der Anhörung unisono so gesehen. Wir sehen vor allem Bedarf und Chancen bei der Verbesserung der Präventi- onsarbeit.
Die 13 Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendgewalt in unserem Antrag sind sehr unterschiedlich und setzen auf verschiedenen Ebenen an, auch und vor allem in der Schule. Sie umfassen präventive und interventive Ansätze. Kernpunkte sind die Erarbeitung eines Leitfadens für „Runde Tische“ an Schulen, die Aktualisierung von Handreichungen wie dem Notfallwegweiser, die Entwicklung von Materialien gegen Dis- kriminierung und Extremismus sowie die Stärkung der Gewaltprävention in der Lehrkräf- teausbildung. Weitere wichtige Aspekte sind die Erweiterung von Präventionsangeboten im digitalen Raum, die Verbesserung der Kooperation zwischen Schulen und Polizei so- wie die Schaffung einer Schnittstelle zwischen Schule, Polizei und Jugendhilfe.
Dabei muss deutlich werden, dass die Polizei und das Jugendamt keine Behörden sind, die Kinder und Jugendliche einfach aus den Familien reißen. Sie setzen viel früher an und können Erziehungshilfen und wichtige Präventionsarbeit leisten. Weitere überaus wichtige Aspekte dieses Antrages sind Fragen der Gleichstellung und des Aufbrechens stereotypischer Rollenbilder, in einem zu großen Ausmaß die Vorstellung der Eltern, die Kinder und Jugendlichen prägen. Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen aber auch anderer vulnerablen Gruppen hat sehr viel mit überholten Rollenzuweisungen und toxi- scher Männlichkeit zu tun. Hier müssen wir so früh wie möglich ansetzen.
All diese Maßnahmen zielen darauf ab, ein sicheres Umfeld für Kinder und Jugendliche zu schaffen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu finden und jedem Kind ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Sie sind ein Versprechen an unsere
2 Kinder und Jugendlichen im Land. Alle Kinder und Jugendlichen sollen in einem diversen und gewaltfreien Land zwischen den Meeren aufwachsen und wirken können.
Lassen Sie uns also gemeinsam an einem effektiven Kinder- und Jugendschutz arbeiten. Lassen Sie uns gegen Gewalt und Hetze antreten, die viel zu häufig unsere Gesellschaft spalten.
Vielen Dank
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