Birte Pauls zu TOP 7: Die Informationslücke beim Thema Frauengesundheit ist inakzeptabel
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 19. Juni 2024Birte Pauls Die Informationslücke beim Thema Frauengesundheit ist inakzeptabel TOP 7: Frauengesundheit in Schleswig-Holstein (Drs. 20/1638, 20/2093)„Im Namen der SPD-Fraktion bedanke ich mich herzlich bei den Mitarbeitenden im Ministerium für die Beantwortung des Fragenkataloges. Vielen Dank auch an die Ministerin und an alle weiteren Organisationen, die daran mitgewirkt haben. Die Kassen, die KVSH, die Kammern und Kommunen haben Daten zugeliefert.Die landesspezifische Datenlage ist überschaubar, da das Land keine Statistiken erhebt. Und trotz Hilfe von anderen Stellen fehlen leider bei vielen Fragen die Daten und Kenntnisse. Mir ist sehr bewusst, dass unsere Große Anfrage ein erheblicher Aufwand war, der zeitgleich zur Entwicklung der Krankenhausreform die gleiche Abteilung traf.Wir haben die Anfragen gestellt, weil uns in Gesprächen immer wieder mitgeteilt wurde, dass viele Frauen sich in der medizinischen Versorgung oft nicht ernst genommen fühlen. Für uns war das der Anlass, genauer hinzuschauen.Entgegen der Zusammensetzung unseres Parlamentes leben in Schleswig -Holstein mehr Frauen als Männer nämlich 51,13%. Das Durchschnittsalter beträgt 46,8 Jahre. Das ist höher als im Bundesdurchschnitt. Allerdings liegt hier im echten Norden die Lebenserwartung etwas niedriger als im Bundesdurchschnitt, nämlich bei 82,91 Jahren und ist in den letzten Jahren gesunken. Und wie steht es nun um die Frauengesundheit in Schleswig-Holstein und um die Gesundheitsversorgung von Frauen?Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigsten Erkrankungen und mit 37% die häufigste Todesursache bei Frauen. 600.000 von den 1,5 Millionen Schleswig-Holsteinerinnen sind von Herz-Kreislauferkrankungen betroffen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden bei Frauen jedoch immer noch unterschätzt. Zur Frage der Versorgung bei Herz-Kreislauferkrankungen insbesondere für Frauen kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob es Unterschiede bei der kardiologischen Versorgung von Männern und Frauen gibt.Ganz anders äußert sich aber die Deutsche Herz-Stiftung. Eine unterschiedliche Symptomatik führt oft zu Fehleinschätzungen und Fehldiagnosen. Frauen zögern zudem mit dem lebensrettenden Notruf. 1 Prävention ist hier das Schlüsselwort. Die Landesregierung sieht sich jedoch nicht in der Pflicht. Die Förderung der LAG Herz und Kreislauf in S-H e.V. als Selbsthilfeorganisation wurde für 2024 sogar eingestellt. Karl Lauterbach plant indes ein „Gesundes-Herz-Gesetz“, um Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu stärken.Prävention ist auch wichtig, um Diabetes zu verhindern oder frühzeitig zu entdecken. 8,2 % der Frauen in SH sind an Diabetes erkrankt. Die Zahlen werden weiter steigen. Zudem wird Typ-2- Diabetes bei Frauen meist später entdeckt als bei Männern. Die Gesundheitsversorgung ist laut Ministerium sichergestellt, bei den Arzneimitteln gibt es jedoch Lieferengpässe. Leider gibt es keine Informationen zu Beratungsstrukturen oder Selbsthilfegruppen. Wir müssen Diabetes ernst nehmen, es ist eine Volkskrankheit. Nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Krebserkrankungen neben Demenz die zweithäufigste Todesursache von Frauen. Jährlich erkranken mehr als 9000 Frauen neu an Krebs. Häufigste Krebsarten sind Brustkrebs und Hautkrebs. 4200 Schleswig-Holsteinerinnen sterben jährlich an Krebs vor allem an Lungen- oder Brustkrebs. Das Screening-Angebot zur Mammographie ab 50 Jahren als Vorsorge wird zunehmend angenommen. Allerdings hat sich Teilnahme an den Krebsfrüherkennungen während der Corona-Pandemie halbiert. Die Landesregierung bewertet die Mammographie- Angebote als ausreichend. Patientinnenerfahrungen sprechen eine andere Sprache. Für Frauen unter 50 Jahren z.B. mit familiärer Vorbelastung ist es schwer einen Mammographie-Termin zu erhalten.Bei den gynäkologischen Erkrankungen fällt weiterhin eine hohe Anzahl von Endometriose betroffenen Frauen auf. 11500 Frauen leiden unter dieser Erkrankung. Ob und was die Landesregierung mit unserem einstimmig gefassten Landtagsbeschluss zur Schleswig- Holsteinischen Strategieentwicklung zu dem Thema bislang gemacht hat, wird in unserer großen Anfrage nicht erwähnt.Bei der Darstellung der gynäkologischen Versorgung, aber nicht nur da, fällt auf, dass Frauen mit Behinderungen benachteiligt sind.Frauen mit Behinderungen haben aufgrund fehlender Barrierefreiheit Schwierigkeiten, Zugang zu gynäkologischen Untersuchungen und Behandlungen zu erhalten. Es fehlt ein flächendeckender barrierefreier Zugang zu den Praxen. Das betrifft aber natürlich auch ältere Frauen mit eingeschränkter Mobilität. Die derzeitige Situation führt zwangsläufig dazu, dass Frauen mit Behinderungen gar auf notwendige medizinische Untersuchungen verzichten.Hier besteht Handlungsbedarf für die Landesregierung, der auch mit dem Fond für Barrierefreiheit und einem MVZE nicht ausreichend beantwortet ist. Auch die fehlende Honorierung bei erhöhtem Zeit- und Personalaufwand bei Patientinnen mit Behinderung hat sich als Problem dargestellt. 2 Ohne eine angemessene Honorierung kann die notwendige Sorgfalt in der Gesundheitsversorgung, die für diese vulnerable Gruppe erforderlich ist, nicht gewährleistet werden.Die gynäkologische Versorgung ist nach den vorgelegten Zahlen sichergestellt. Für die Zukunftssicherung ist die Nachbesetzung der Praxen relevant. Zudem ist es wichtig und richtig, dass der Bund jetzt und zukünftig den Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe in den Kliniken stützen. Eine weitere Ausdünnung der Angebote in der Fläche ist für uns nicht hinnehmbar.Leider sind im Bereich Geburtshilfe überhaupt keine Daten zur Hebammenversorgung enthalten. Es wird auf das neue Projekt zur Hebammenversorgung verwiesen. Die Kaiserschnittrate ist weiterhin erschreckend hoch und liegt in den meisten Kliniken zwischen 30- 40 %. Das ist wirklich nicht gut, weder für das Kind noch für die Mutter und zeugt von einem hohen Druck in den Kreißsälen. Die Zahl der Geburten ist mit 22193 auf ein 10-Jahrestief gefallen. Laut IGES- Gutachten hat Schleswig-Holstein den drittniedrigsten Betreuungsschlüssel in Deutschland. Von der Umsetzung der empfohlenen S1- Richtlinie sind wir weit entfernt. Diese würde aber nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch die Arbeitszufriedenheit der Hebammen, die zunehmend den Beruf verlassen. Die Landesregierung sieht nach derzeitigem Stand die geburtshilfliche Versorgung im Land als gesichert an. Junge Familien berichten allerdings, dass sie Schwierigkeiten haben, eine Hebamme für die Vor- und Nachsorge zu finden. Eine weitere Reduzierung der Geburtshilflichen Abteilungen, wie wir sie in den letzten Jahren beobachten mussten, lehnen wir ab. Die Landesregierung muss das Angebot sicherstellen. Krankenhausplanung ist und bleibt Ländersache! Im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche fällt auf, dass die Anzahl der Angebote zwar gestiegen ist, aber in Dithmarschen und Plön keine Fälle abgerechnet worden sind.Einen großen Bereich möchte ich noch hervorheben – nämlich die psychische Gesundheit von Frauen. Hier ist leider festzustellen, dass 28,6 % aller Patientinnen im Jahr 2022 eine Diagnose im Bereich Psychische Erkrankung haben. Studien weisen darauf hin, dass Frauen aus verschiedenen Gründen häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen sind als Männer. Viele Frauen jonglieren zwischen beruflichen Verpflichtungen und familiären Aufgaben, was zu chronischem Stress und Burnout-Erkrankungen führen kann. Und, meine These, Frauen geraten häufiger aufgrund von unspezifischen Symptomen z.B. bei Long Covid in Diagnosesackgassen und oft heißt es dann zum Schluss: „das ist die Psyche.“Auffällig ist, dass sich die Zahlen der Erwerbminderungsrente mit psychischer Diagnose seit dem Jahr 2020 verdoppelt haben. Die psychotherapeutische Versorgungslage in S-H ist entsprechend angespannt. Die Wartezeiten für Behandlungen liegen zwischen 4 Wochen und mehreren Jahren.Die Landesregierung gibt leider keine Auskunft, was sie für die Verbesserung dieser Situation tun wird.Beim Thema Essstörungen ist es nicht anders. Die Zahlen der von Essstörungen betroffenen Mädchen und Frauen steigen immer weiter an. Die Beratungsstelle Eß-o-Eß berichtete uns, dass 3 es viel zu wenig Beratungskapazitäten mit viel zu langen Wartezeiten gibt. Die Landesregierung hingegen kann aufgrund fehlender Daten die Versorgungslage bei Essstörungen nicht beurteilen. Damit ist das Thema scheinbar abgetan.Unser Fazit: Die Antwort der Landesregierung auf unsere große Anfrage war für uns einigermaßen ernüchternd. Trotz der vielen Zahlen und Informationen, konnte das Ministerium unsere Fragen zur Frauengesundheit in Teilen nicht beantworten, weil Daten schlichtweg fehlen. Diese Informationslücke ist inakzeptabel. Mädchen und Frauen haben spezifische gesundheitliche Bedürfnisse und Risiken, die berücksichtigt werden müssen. Ansonsten kann keine angemessenen Präventions- und Behandlungsstrategie entwickelt werden!Für die Prävention fühlt sich die Landesregierung nicht zuständig, sondern verweist auf die Eigenverantwortung und auf die Kassen. Die Barrierefreiheit ist weiterhin ein großes Problem. Außerdem liegen keine Daten zur Gesundheit von Frauen mit geringem Einkommen vor. Dabei sind vor allem sie oft einem höheren Risiko für verschiedene gesundheitliche Probleme ausgesetzt. Diese Frauen stehen vor einer Vielzahl an gesundheitlichen Herausforderungen, die durch finanzielle Einschränkungen und soziale Barrieren verschärft werden.Wir möchten die große Anfrage in den Sozialausschuss überweisen damit wir uns ausführlich der Gesundheitsversorgung von Mädchen und Frauen widmen können." 4