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23.05.24
15:45 Uhr
B 90/Grüne

Jasper Balke zur Prävention in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 15 – Prävention in Schleswig-Holstein Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Jasper Balke: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 171.24 / 23.05.2024

Es geht um die gesundheitliche Chancengerechtigkeit Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,
eine der größten Ungerechtigkeiten in Deutschland ist der eindeutige Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund sowie dem Bildungsstatus eines Menschen auf der einen und dem individuellen Gesundheitszustand und der Lebenserwartung auf der anderen Seite. Wenn wir von über 20 Prozent in Armut aufwachsenden Kindern spre- chen, dann sind das genau die Menschen, die durch Mangelernährung und einen gene- rell ungesünderen Lebensstil im Laufe ihres Lebens mit viel höherer Wahrscheinlichkeit und viel früher als andere erkranken. In Deutschland leben Menschen mit niedrigerem Bildungsstand durchschnittlich bis zu zehn Jahre kürzer als Menschen aus besser gebil- deten Umfeldern.
Eines der zentralen Probleme dabei ist die sogenannte Ernährungsarmut. Während wir glücklicherweise den Zustand haben, dass die meisten Menschen genug Makronähr- stoffe, Fette, Proteine und Kohlenhydrate, also Kalorien, zum Überleben zu sich nehmen, so führt deren finanzielle Armut allerdings sehr häufig dazu, dass sie einen Mangel an den sogenannten Mikronährstoffen, also beispielsweise Eisen, Zink, Vitaminen und an- deren Mineralstoffen aufbauen. Diese sind aber besonders in jungen Jahren, in der Ent- wicklung des menschlichen Körpers aber insbesondere des Gehirns, ganz besonders wichtig. Je früher im Leben ein solcher Mangel auftritt und bei manchen Kindern ist das leider schon pränatal der Fall, weil nämlich schon die Mutter selbst nicht ausreichend Nährstoffe zu sich nimmt, desto verheerender und irreversibler sind die Folgen.
Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für die gesunde Entwicklung von Kindern. Leider haben viele Kinder aus benachteiligten Familien jedoch keinen regelmäßigen Zu- gang zu gesunden Lebensmitteln, entweder weil die Eltern es nicht besser wissen oder weil sie eben nicht ausreichend finanzielle Mittel dafür zur Verfügung haben.

Seite 1 von 2 Die konsequente Bekämpfung von Kinderarmut ist deshalb eine der wichtigsten Maßnah- men für mehr Gesundheitsförderung, es geht dabei um nichts anderes als gesundheitli- che Chancengerechtigkeit und das Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse.
Liebe Kolleg*innen, mir war es wichtig, in das Thema Prävention und Gesundheitsförde- rung etwas allgemeiner einzusteigen, um die Dimension der Herausforderung, vor der wir in Deutschland stehen, einmal klarzumachen. Dabei, und das haben wir hier schon einige Male diskutiert, leben wir in einem der teuersten Gesundheitssysteme der ganzen Welt. Dass wir im Ländervergleich aber trotzdem keine spürbar steigende Lebenserwartung und Krankheitszahlen haben, liegt auch daran, dass Deutschland prozentual, gemessen an den Gesamtausgaben im Gesundheitswesen deutlich weniger Geld für Prävention und Gesundheitsförderung ausgibt als andere Länder. Das ist deshalb so fatal, weil der Euro, den ich in ganz frühen Jahren eines Menschenlebens in gesundheitsfördernde Maßnahmen investiere, sich hinterher volkswirtschaftlich um den Faktor 100 rechnet, hierzu gibt es sehr gut gemachte Studien aus den USA.
Keine Frage, wir haben in Deutschland ein Top-Gesundheitssystem und sind sehr gut darin, Krankheiten mit sehr hoher Expertise und vielen Ressourcen zu therapieren, doch wir sind nicht gut darin, den Namen „Gesund“heitssystem eigentlich ernst zu nehmen. Denn die Salutogenese, also das gesund halten der Bevölkerung, das ist deshalb teil- weise gar nicht mehr möglich, weil so viele Ressourcen dorthin fließen, wo Erkrankungen schon längst entstanden sind.
Studien der WHO gehen davon aus, und das ist natürlich nie ganz leicht zu beziffern, dass ca. 50 bis 60 Prozent der sogenannten Volkserkrankungen (Krebs, Herz-Kreislauf- Erkrankungen und die sie bedingenden Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes) in Deutschland und der EU durch einen gesünderen Lebensstil hätten verhindert werden können.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Jeder Mensch hat selbstverständlich das Recht, so gesund oder eben auch ungesund zu leben, wie er oder sie es eben möchte. Das ist auch gut so und ein Leben, dass allein auf maximale Gesundheit und Verlängerung der Le- bensspanne ausgerichtet ist, das stelle ich mir wenig lebenswert vor.
Der Kernpunkt ist aber der, dass es einfach so viele Menschen gibt, die gar nicht das Privileg haben selbst zu entscheiden, ob sie denn gesund oder ungesund leben wollen und genau das ist das große Problem, liebe Kolleg*innen.
Und deshalb stört es mich auch so, dass bei neuen Empfehlungen der Deutschen Ge- sellschaft für Ernährung zum Fleischkonsum oder anderem direkt wieder kulturkämpferi- sche identitätspolitisch motivierte Verbotsdebatten geführt werden, denn das trägt rein gar nichts zu mehr gesundheitlicher Chancengerechtigkeit bei.
Liebe Kolleg*innen, ich möchte mich ganz herzlich bei der Ministerin und den Mitarbei- tenden aus dem Ministerium für die Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Ich fand diese sehr aufschlussreich und möchte den Ausschussberatungen nicht zu viel vor- wegnehmen und sage deshalb nur so viel: Projektitis und vereinzelte gute Ideen, die nur lokal wirken und nach drei Jahren trotz guter Evaluationsergebnisse wieder in die Schub- lade gepackt werden, das wird das Grundproblem nicht lösen, da müssen wir in Schles- wig-Holstein einen grundsätzlicheren Ansatz mit den verantwortlichen Krankenkassen und Kommunen hinbekommen. Ich freue mich auf die Beratungen und danke für die Auf- merksamkeit. ***
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