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23.05.24
10:57 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu TOP 21,39,46+47: Einigkeit und Recht und Freiheit

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 23. Mai 2024
Serpil Midyatli Einigkeit und Recht und Freiheit TOP 21,39,46+47: Keine Toleranz bei Drohungen, Schmähungen und Verunglimpfungen, Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes, Die Regenbogenflagge als Symbol unserer freien, vielfältigen und toleranten Gesellschaft (Drs. 20/1990(neu), 2. Fassung, 20/2142(neu), 20/2151(neu), 20/2152)
"Wir feiern heute 75 Jahre Grundgesetz. Wir feiern heute 75 Jahre Bundesrepublik Deutschland.
Das Grundgesetz wurde 1949 als Provisorium für das geteilte Deutschland geschaffen, aus dem schließlich die Verfassung unseres Landes wurde. Dieses Erfolgsprodukt - eine Gebrauchsanweisung für die Errichtung eines demokratischen Rechtsstaates - wurde zum Exportschlager, der für spätere Demokratieentwicklungen als Vorbild diente, etwa in Spanien. Und es war so erfolgreich, dass – einst bis zur Wiedervereinigung gedacht – es auch danach bestehen blieb.
Das Grundgesetz gehört sicherlich zu den großen Errungenschaften unserer Geschichte. Auch und weil es einen unveränderlichen Kern hat und in anderen Teilen auch mit der Zeit gegangen ist und angepasst werden kann.
Heute gilt: Dieser unveränderbare Kern muss wieder verteidigt werden. Er ist uns eine Lehre aus der Geschichte. Diese Ewigkeitsklausel ist eindeutig: Die Bundesrepublik Deutschland gibt es nur genau so. Daran darf kein Zweifel bestehen. Die freiheitlich-demokratische-Grundordnung gehört zu Deutschland. Sie gehört zu dem, was ich in einem Wort zusammenfasse: Die freiheitliche- demokratische Grundordnung gehört zu meiner Heimat.
Die Bestimmungen des Grundgesetzes, gerade die Grundrechte der ersten Artikel, haben eine freiheitlich-liberale Gesellschaft geprägt und vorangebracht.
Vieles, was für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern erreicht wurde, konnte durch den Artikel 3 abgeleitet werden. Vieles, was heute so selbstverständlich erscheint, musste durch den Artikel damals hart erkämpft werden. Elisabeth Selbert und andere haben ihn im parlamentarischen Rat erkämpft. Seine Übertragung ins Zivilrecht hat für Frauen so viel ermöglicht.
1 Heute arbeiten Frauen, sind in Führungsgremien vertreten – und dank Quotenregelungen auch zunehmend gleichberechtigt repräsentiert -, dürfen Entscheidungen selbst treffen. Das war noch bei Entstehung des Grundgesetzes keine Selbstverständlichkeit – beileibe nicht.
Andere Fragen - etwa, wie weit die Meinungsfreiheit oder das Recht auf Demonstrationsfreiheit gehen darf - wurden durch die Interpretation des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Aber auch dessen Interpretationen unserer Verfassung sind nicht in Stein gemeißelt, sondern werden entsprechend der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung durch die Rechtsprechung der Realität und Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst. Vieles aus unserem politischen Handeln ist geprägt durch das spannende Abwägen verschiedener Rechte und Freiheiten.
Diese Abwägung hat uns gerade auch in den vergangenen Jahren der Corona-Pandemie begleitet. Selten waren die Bestimmungen des Grundgesetzes so präsent und so allgegenwärtig wie in diesen Jahren. Und gleichzeitig: Selten wurden sie auch auf so eine harte Probe gestellt.
Manche Grundfreiheit hat aktuell auch darüber hinaus eine besondere Brisanz: Etwa Artikel 14 - Eigentum verpflichtet. Was muss eigentlich geschehen, wenn sich jemand eben nicht an diese Verpflichtung hält? Wenn jemand zum Beispiel Immobilien besitzt und sie verwahrlosen lässt? Das Wohnraumschutzgesetz gehört für mich zu diesen konkreten Maßnahmen, um Grundrechte umzusetzen. Und ist zugleich eine Reaktion darauf, wenn eine solche Grundfreiheit eben nicht erfüllt wird.
Und an manche Bestimmungen des Grundgesetzes würde ich auch gerne konkret ran: So an den Artikel 109. Als Lehre aus der Finanz- und Bankenkrise wurde eine Schuldenbremse verankert. Als Lehre aus den vergangenen Jahren, Corona-Pandemie und Krieg führen wir zu Recht jetzt eine Debatte, wie sie verändert werden kann. Damit wir wieder mehr investieren können. Damit wir agiler auf Krisen reagieren können.
Das war doch in 75 Jahren auch immer eine Stärke des Grundgesetzes, dass es eben auch mit der Zeit gegangen ist und gelernt hat bzw. geändert wurde.
Manche Bestimmung fand auch erst später ihren Platz und bei machen kämpfen wir noch heute: Ich trete auch weiterhin ein für Kinderrechte im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche haben Rechte und das sollte ein Grundgesetz auch explizit beinhalten.
Auch heute lohnt es sich, noch nach mehr Demokratie zu streben. Mehr Demokratie wagen. Entscheidungen nicht immer gleich hinnehmen. Einschränkung von Demokratie bekämpfen, wie bei der Frage von Volksentscheiden jüngst geschehen.



2 Wir als SPD werden das an vielen Stellen immer wieder tun: Bei der Teilhabe – an der Wertschöpfung der Energiewende, der schnellen Integration in den Arbeitsmarkt, der Schule und der Kita.
Artikel 1 erklärt die Achtung und den Schutz der Würde des Menschen zum obersten Grundrecht. Nicht die Würde des Deutschen, sondern die Würde des Menschen.
In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist hier auch das Recht auf ein Existenzminimum Zuhause. Ich finde es beschämend, wenn dieses Recht in politischen Debatten infrage gestellt wird. Es geht hier um Respekt.
Der Sozialstaat ist kein Instrument zur Haushaltssanierung. Der Sozialstaat ist die Grundlage für ein respektvolles Miteinander.
Wir brauchen mehr Respekt. Generell gilt: Wir brauchen mehr Verständnis für den gesellschaftlichen Wert eines Kompromisses. Nicht die einzelnen Stimmen zählen und wer dabei die Lauteste hat, sondern wer zusammenführen kann und das Land dennoch voranbringt und nicht verharrt. Dafür möchte ich ausdrücklich werben und Bürgerinnen und Bürger auch um ihr Vertrauen bitten.
Denn es gilt leider auch, wieder wachsam zu sein: Ich finde es deshalb sehr richtig, dass im Bund eine parteiübergreifende Debatte gestartet ist, was für Lehren wir aus den aktuellen Gefahren des Extremismus ziehen müssen. Die Regelungen zum Bundesverfassungsgericht sind dafür ja ein prägnantes Beispiel, weil wir am Beispiel von Polen und Ungarn zuletzt auch bei europäischen Nachbarn erlebt haben, wie extreme Kräfte den demokratischen Staat aushebeln können. Und wir tun gut daran, auch in Schleswig-Holstein eine entsprechende Debatte zu führen.
Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen ganz ausdrücklich dafür danken, dass Sie hierfür die Bereitschaft gezeigt haben und wir mit einem gemeinsamen Antrag ein Signal setzen und uns an die Arbeit machen – gemeinsam.
In diesen Zeiten, in denen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer auf der Straße angegriffen werden und in der EHRENAMTLICHE Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker bedroht werden, müssen wir die Abwehrkräfte unserer Demokratie mobilisieren. Gemeinsam.
In einer Zeit, in der dies infrage gestellt wird und in der politische Kräfte laut und brutal an alte Zeiten anknüpfen wollen, ist es unsere Pflicht, Menschenwürde und Demokratie zu schützen und zu verteidigen!
Es tut gut zu sehen, wenn so viele Menschen aufstehen gegen Rechts. Es gibt so viele Menschen, die unseren Schutz brauchen:

3 Leider mittlerweile auch diejenigen, die sich für die Demokratie engagieren. Aber auch die, die angegriffen werden von Menschen, die von „Remigration“ faseln. Das erzeugt Angst. Angst bei Menschen, die über das Asylrecht – auch ein Grundrecht – bei uns Schutz suchen. Angst aber auch bei Deutschen, wie meiner Familie und mir, die hier ihre Heimat haben. Eine Heimat, für die es sich zu kämpfen lohnt. Eine Heimat, die ohne freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht mehr unsere Heimat wäre.
„Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“."



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