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22.05.24
12:21 Uhr
SPD

Niclas Dürbrook zu TOP 5: Bodycams sind kein Wundermittel, aber ein Baustein

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 22. Mai 2024
Niclas Dürbrook Bodycams sind kein Wundermittel, aber ein Baustein TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung des Bodycam-Einsatzes nach § 184a LVwG in Wohnungen (Drs. 20/988, 20/2092)
„Technisch unterscheiden die in Deutschland genutzten Polizei-Bodycams sich kaum von den Geräten, mit denen die Polizei in den USA unterwegs ist. Der Hintergrund der Einführung ist allerdings grundverschieden. Dort ging es bei der Einführung um Bürgerrechte und Kontrolle der Polizei, hier um den Schutz der Beamtinnen und Beamten vor Übergriffen.
Und dabei gibt es in Schleswig-Holstein bislang eine Lücke. Denn der Einsatz in privaten Wohnungen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dabei spielen diese Wohnungen eine ziemlich relevante Rolle. Die CAU hat in einer etwas älteren Studie von 2013 Übergriffe auf Polizisten in NRW untersucht, immerhin ein Vierteil der Angriffe fand in privaten Räumen statt, das ist eine Menge. Zumal jeder dieser Übergriffe – da sind wir uns zweifelsohne einig – einer zu viel ist. Gewalt gegen Einsatzkräfte darf nicht Alltag sein und unsere Aufgabe als Politik ist es auch, dafür zu sorgen.
Hinter der Idee von Bodycams steckt hierzulande die Vorstellung, ihr Einsatz würde deeskalierend wirken. Die Überlegung: Läuft erst einmal die Bodycam, dann hält sich der potentielle Übeltäter aus Angst vor der Dokumentation seiner Straftat zurück. Zur Wahrheit gehört, dass es ganz so einfach vermutlich nicht ist.
NRW hat eine ausführliche Evaluation beim Thema Bodycams durchgeführt und der Blick in dieses Papier lohnt ebenso, wie das Ergebnis überrascht. Beamte mit Bodycams wurden demnach sogar öfter Ziel von Übergriffen, als Beamte, die ohne Bodycams unterwegs waren. Gleichzeitig gaben viele Beamte an, dass die Bodycam ihr Verhalten beeinflusst habe. Die Untersuchung legt zumindest nahe, dass beides zusammenhängt. Ich zitiere aus der Stellungnahme der NRW-Polizeihochschule, die für die Evaluation verantwortlich war, in unserer Anhörung:
„Eine Polizeibeamtin brachte es damit auf den Punkt, dass sie immer dann auf das Einschalten der Bodycam verzichtet, wenn die aus ihrer Sicht erforderliche Einsatzkommunikation nicht dem Amtsdeutsch entspricht. In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei laufender Bodycam nicht die



1 geeignete Kommunikationsform gewählt wird, vielmehr ist durch den Rückzug auf das Amtsdeutsch keine Deeskalation der jeweiligen Situation erwartbar.“
Übersetzt: Läuft die Bodycam, verhalten sich Polizisten derart strikt nach Vorschrift, dass schwierige Situationen nicht entspannt, sondern weiter angeheizt werden. Das lässt zum einen Rückschlüsse darauf zu, wie weit der Weg noch ist, den wir beim Thema verständliche Behördenkommunikation gehen müssen. Es zeigt aber auch, wie zentral Kommunikation im Polizeialltag ist. Und das wird auch die Herausforderung für unsere Landespolizei sein. Denn offenbar ist bei den Bodycams nicht nur die technische Bedienung, oder die rechtliche Abwägung zu trainieren, sondern vor allem die Kommunikation rund um den Einsatz. Sonst verfehlen wir das Ziel und geben der Polizei nicht mehr Sicherheit im Alltag, sondern eine weitere Belastung. Diesen Punkt werden wir im Blick behalten, denn er ist zentral.
Ich habe es schon gesagt: Es geht um den Schutz der Beamtinnen und Beamten, auch den Schutz Dritter, im Kern aber auf jeden Fall um Gefahrenabwehr. Das geht teilweise ein wenig unter, weil die Diskussion mit dem Thema häusliche Gewalt eng verwoben ist. Und natürlich ist es so, dass ein nicht unerheblicher Teil der Einsätze in privaten Wohnungen mit häuslicher Gewalt zusammenhängt. Allerdings werden die Straftaten gegenüber einem Opfer vor Ort in diesem Fall fast immer vor dem Eintreffen der Polizei stattgefunden haben. Die Kameras könnten also allenfalls dokumentieren, wenn ein Täter auch nach Eintreffen der Polizei z.B. aggressiv auftritt. Sie werden aber ziemlich sicher auch Opfer häuslicher Gewalt in Situationen aufnehmen, in denen niemand von uns gerne gefilmt werden würde. Das KIK-Netzwerk formuliert das in seiner Stellungnahme so:
„Die polizeilichen Einsätze bei Häuslicher Gewalt sind mit starken Emotionen in der Privatsphäre des eigenen Zuhauses verbunden und führen sehr häufig bei den von Gewalt betroffenen Frauen und auch den Kindern zu Scham und Schuldgefühlen. (…) Die betroffenen Frauen dürfen nicht das Gefühl bekommen, bloßgestellt oder in ihrer Selbstwirksamkeit eingeschränkt zu werden.“
Das ist das vielleicht eindrücklichste Beispiel dafür, dass der Einsatz von Bodycams in Wohnungen einen hochsensiblen Bereich berührt und entsprechend ernsthaft diskutiert werden muss.
Wir stimmen dem Gesetzentwurf heute selbstverständlich zu, denn wir haben großes Vertrauen in unsere Landespolizei, dass sie diese nötige Sensibilität hat. Bodycams sind kein Wundermittel, aber wir sind zuversichtlich, dass sie unter Berücksichtigung all dessen, was unsere Bürgerpolizei ausmacht, ein wichtiger Baustein sein können.
Wir finden den Richtervorbehalt für die Nutzung der Aufzeichnungen wichtig und grundsätzlich auch die enge Befristung für die Speicherung der Daten. Ich glaube allerdings, dass die Praxis wird zeigen müssen, ob ein Monat Speicherdauer nicht etwas sehr knapp ist.
Bislang gab es bei der Polizeibeauftragten keinerlei Beschwerden über den Bodycam-Einsatz der Landespolizei. Ich bin optimistisch: So wird es bleiben. Herzlichen Dank.“

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