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24.11.23
11:35 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 46: In welcher Ecke wollen wir stehen?

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. November 2023
Martin Habersaat In welcher Ecke wollen wir stehen? TOP 46: 10-Punkte-Plan für jüdisches Leben — Bildungsoffensive gegen Antisemitismus in Schleswig- Holstein (Drs. 20/1617)
„Zu Beginn meiner Rede habe ich Ihnen eine Frage mitgebracht und möchte Sie vor vier Wahlmöglichkeiten stellen. Bitte ordnen Sie sich gedanklich einer Ecke des Saals zu.
Das Judentum … A: ist eine Religionsgemeinschaft B: ist eine Nation oder ein Volk C: eine Kultur D: vereint Menschen, die eine jüdische Mutter haben
Haben Sie sich entschieden? Mit dieser Frage fängt eine der vorgeschlagenen Unterrichtseinheiten aus der Handreichung „Judentum | Antisemitismus | Israel - Anregungen für den Unterricht in der Sekundarstufe I/II“ an, für die ich hier ausdrücklich werben möchte.
Mit diesem Einstieg in die Stunde hätten Sie jede Schülerin und jeden Schüler dazu gebracht, sich Gedanken zu machen und eine Position zu beziehen. Und im Optimalfall hätten Sie ein Interesse geweckt, und sei es auch nur um herauszufinden, was denn nun stimmt.
Im Folgenden würden Sie in den Ecken übrigens erarbeiten können, dass es Argumente für jede der vier Positionen gibt. Und mit der Diskussion dieser Frage kann der Auftakt gelingen zu einer Unterrichtseinheit, in der viele weitere wichtige Fragen, Haltungen und Zusammenhänge zur Sprache kommen.
Unsere Bildungseinrichtungen müssen Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche die grundlegenden Werte unserer offenen Gesellschaft erleben. Sie sollen erfahren, dass sie ihre eigene Meinung bilden und auch vertreten können, dass diese ernst genommen und ihnen zugehört wird, dass der Austausch von Meinungen einen Raum für Zweifel und Emotionen lässt


1 und dass Argumente dabei helfen können, Meinungen zu festigen oder zu überdenken. Bildungseinrichtungen müssen vermitteln, dass unsere Gesellschaft auf Respekt füreinander aufbaut. Kinder und Jugendliche sollen dort Respekt erfahren und lernen, anderen Respekt entgegenzubringen. Sexismus, Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzungen aller Art fallen nicht unter die Meinungsfreiheit. Sie haben keinen Platz in unserer Gesellschaft und werden zurückgewiesen. Wer Ausgrenzung und Diskriminierung erfährt, muss geschützt werden. Demokratie- und Wertebildung sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die die Bildungseinrichtungen nur gemeinsam mit Eltern und in Zusammenarbeit mit außerschulischen Initiativen und Organisationen leisten können. Dazu gehören auch ein breites Angebot von Fortbildungen und Austauschformate für Lehrende.
Bei antisemitischen Äußerungen von Schüler*innen müssen Lehrkräfte intervenieren und konsequent einschreiten, indem sie die Äußerungen als antisemitisch benennen, als auf Zuschreibungen oder Phantasmen basierende Fremd- oder Feindbilder widerlegen, ihre Funktionen sowie die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen offenlegen und sie überdies in den Kontext der Geschichte und Kontinuität des Antisemitismus setzen. Diese, richtige, Forderung, findet sich ebenfalls in besagter Broschüre. Sie formuliert einen hohen Anspruch, darüber müssen wir uns klar sein. Denn diese Klarheit braucht es nicht nur im Geschichts- oder Wipo-Unterricht, sondern bei Bedarf auch in Mathe und Physik oder auf dem Sportplatz.
Und diese Klarheit braucht es auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Wir alle müssen uns auch hier darüber im Klaren sein, in welcher Ecke wir stehen.
Bei der Reaktion auf antisemitische Demonstrationen im öffentlichen Raum oder Antisemitismus in Familie und Nachbarschaft. Was wir von unseren Lehrkräften hier verlangen, sollten wir alle als Gesellschaft zu leisten imstande sein.
Aber in welcher Ecke stehen wir, wenn Kinder und Jugendliche mit anerzogenem Antisemitismus vor uns stehen? Natürlich bringen wir niemals Verständnis für Antisemitismus auf. Aber wie ist es mit Verständnis für diese Kinder und Jugendlichen? Reagieren wir mit Bildungsangeboten als Emanzipationsmöglichkeit?
Als Juden und andere aus Deutschland flohen, weil sie um ihr Leben fürchteten, fanden Sie oft keine Aufnahme. Der Nachhall auf diesen Umstand ist das Asylrecht im Grundgesetz. In welcher Ecke stehen wir, wenn wir das heute diskutieren?



2 In welcher Ecke stehen wir, wenn mit ausländerfeindlichem Anklang ein Punkt gegen den politischen Gegner zu machen ist? Beklagen wir dann, dass in unseren Schulklassen zu wenig Deutsch gesprochen wird oder kümmern wir uns um bessere DAZ-Angebote?
Es gibt viel zu tun. Nicht nur für die Schulen. In welcher Ecke wollen wir stehen?“



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