Antidiskriminierungsstelle zum Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG)
Nr. 35 / 22. November 2023Antidiskriminierungsstelle zum Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG)Am 15. November 2023 behandelte der Bundestag den Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) in erster Lesung im Bundestag. „Seit Jahrzehnten warten trans*, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen darauf, dass das diskriminierende Transsexuellengesetz durch eine Regelung ersetzt wird, die die Wahrnehmung des eigenen Geschlechts respektiert“, so Samiah El Samadoni, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein. „Das emotional äußerst belastende, zeit- und kostenintensive bisherige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz muss endlich abgelöst werden.“Das Transsexuellengesetz (TSG) regelt seit dem 1. Januar 1981 wie eine Person den bereits bei der Geburt erfolgten Geschlechtseintrag im Personenstand ändern kann. Bereits die Bezeichnung des Gesetzes wird vielfach kritisiert, da es nicht um Sexualität, sondern um Geschlechtsidentität geht. Jahrzehntelang gab es im Personenstandsrecht nur die Möglichkeit, entweder „männlich“ oder „weiblich“ einzutragen. Erst 2013 wurde hier ergänzt, dass dieses Feld offengelassen werden kann, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann (§ 21 Abs. 3 PStG). Zuletzt wurde hier aufgrund eines wegweisenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 das binäre Geschlechtsverständnis um die Option „divers“ erweitert.„Der Weg zum Änderungseintrag für trans*, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ist aus meiner Sicht beschwerlich und mit vielen, nicht nachzuvollziehenden Hürden im TSG versehen“, so El Samadoni. „Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor vielen Jahren entschieden, dass wesentliche Regelungen des TSG verfassungswidrig sind. Hierzu zählte u.a. die Vorgabe, zwingend mit der Änderung des Personenstands auch geschlechtsangleichende Operationen durchführen lassen zu müssen. Im Ergebnis gibt es also heute eine Paragraphenruine, die die Selbstbestimmung der Betroffenen vollkommen ignoriert. Hier muss endlich etwas geschehen. Andere Länder haben bereits seit langer Zeit deutlich fortschrittlichere Regelungen getroffen.“ 2Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle kritisiert den Entwurf aber auch dahingehend, dass es mehrere Menschengruppen ausschließt. So haben beispielsweise Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus keinen Zugang. Auch Minderjährige bzw. Menschen mit Betreuungsstatus können nicht ohne gesetzliche Vertreter*innen bzw. Familiengericht von dem Regelungsziel, der Selbstbestimmtheit in der Frage des Personenstandes, profitieren.Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle sollte der im Entwurf unter § 6 Abs. 2 genannte Bezug auf das Hausrecht gestrichen bzw. erläutert werden. Dort heißt es im Hinblick auf den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers unberührt bleibt. „Es ist klar, dass etwaige Regelungen zum Hausrecht und die bisher hierzu bereits geführten öffentlichen Diskussionen nicht den seit 2006 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorgegeben Diskriminierungsschutz konterkarieren darf. Es ist bereits jetzt so, dass dem Hausrecht hier Grenzen gesetzt sind. Das Hausrecht ist grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht auszuüben“, stellt El Samadoni klar.Darüber hinaus enthält der Entwurf auch unnötige Verschlechterungen. So sieht der Entwurf etwa eine Anmeldefrist für intersexuelle Personen bei Standesämtern vor, die zumindest nach der aktuellen Rechtslage nicht beachtet werden muss.Aus Sicht der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein gibt der Entwurf aber zumindest Hoffnung auf eine positive Änderung der Situation der Betroffenen.