Politik trifft Sport - Podiumsdiskussion im Landtag
Nr. 246 / 12. Oktober 2023Politik trifft Sport. Zwei Bereiche, ähnliche Prinzipien? – Podiumsdiskussion im LandtagDie Werte des Sports, dessen ist sich Landtagspräsidentin Kristina Herbst sicher, können ein wertvolles Leitbild für die Politik sein. Wie kann dieses Leitbild aussehen? Und was kann der Sport von der Politik lernen? Darüber diskutierte sie mit prominenten Gästen am Mittwochabend vor rund 130 Zuschauern im Landeshaus. Die Mannschaftsaufstellung mit Moderatorin Kirstin Recke war hochkarätig: Mit dem hessischen Sportminister Peter Beuth, dem Philosophen und Sportsoziologen Prof. Dr. Gunter Gebauer, der Co-Trainerin der DFB-Frauen-Nationalmannschaft, Britta Carlson, Hans-Jakob Tiessen, Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, Tanja Scholz, mehrfache Weltmeisterin im Para- Schwimmen und Sportlerin des Jahres 2022 in Schleswig-Holstein sowie Nicole Ebsen, Fußballerin des Jahres 2022, fand ein lebhafter Meinungsaustausch statt. Einigkeit bestand darin, dass der Sport Teamgeist und Fairplay vermittelt und dies auch der Politik gut zu Gesicht steht. Zugleich funktioniere der sportliche Wettbewerb nur auf der Grundlage eines für alle verbindlichen Regelwerks und gegenseitigen Respekts, welcher vergleichbar mit der Geschäftsordnung im Parlament sei, erläuterte Landtagspräsidentin Herbst. Sie warf zudem die Frage auf, ob angesichts der weltweiten Bedeutung des Sports die Sportbewegung überhaupt unpolitisch sein könne. Denn: „Zu groß sind die Wechselwirkungen des Sports mit Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft“, attestierte Herbst. Bezogen auf die große Bühne des Sports sagte sie: „Bei manchem, was vor allem auf internationaler Ebene innerhalb einzelner Verbände geschieht, muss ich mich jedoch als Politikerin fragen: Ist das gutes politisches Management? Und als Demokratin frage ich mich: Stehen die handelnden Personen immer für die Werte ein, die wir durch den Sport vermittelt sehen wollen?“ Britta Carlson griff das Thema Management und Politik in den großen Verbänden ebenfalls auf. Sie betonte, dass Politik in den großen Verbänden für die Sportlerinnen und Sportler auch bedeute, sich genau zu überlegen, ob und in welcher Form sie ihre Haltung zeigen. Die enge Verflechtung von Politik – nicht im Sinne von Parteipolitik – mit dem Sport bestätigte auch Sportminister Beuth. Er betonte, dass sich der Sport durch Werte und Tugenden wie Respekt, Fairness und Teamwork auszeichne und dass dieses Wertegerüst auch immer den politischen Ton prägen sollte. „Auf der anderen Seite bin ich davon überzeugt, dass der Sport parteipolitisch stets neutral bleiben muss, aber gesellschaftspolitisch immer auch Stellung beziehen und Haltung zeigen muss“, so Beuth. Hier trügen Vereins- und Verbandsvorsitzende, die ebenfalls in großer Zahl im Publikum vertreten waren, eine sehr große Verantwortung für die Einheit des Sports. Auch Gunter Gebauer unterstrich, dass Politik und Sport einen ähnlichen Kern hätten, brachte dabei den Aspekt der Macht in die Diskussion ein. In Sport und Politik gehe es im Kern um Macht – in dem Sinne, dass gewinnen Macht ist. „Politik und Sport organisieren Wettkämpfe um Gewinn und um Erhalt von Macht. In beiden Feldern stellen sich ähnliche Fragen: Wie wird Macht errungen? Wie beweist sich Macht, wie wird sie gerechtfertigt, wie wird sie kontrolliert?“ Im Sport seien diese Fragen, im Unterschied zur Politik, klar zu beantworten: Die Verteilung von Macht geschehe nach festen Spielregeln, Leistungen werden nach objektiven Maßstäben gemessen. Wettkämpfe in der Politik hingegen führten nach Ansicht Gebauers, der einst Leistungssportler bei der KSV Holstein war, selten zu klaren Ergebnissen. Daher würden in vielen Fällen Koalitionen gebildet. Das Thema Macht im Sport griff auch Landessportverbandspräsident Tiessen auf. Er bezog sich dabei auf Macht im positiven Sinne, die von den vielen im Verein Sport treibenden Menschen ausgehen könne, die in den Verbänden des Landes vereint sind. „Wenn wir diese Stimmen bündeln, können die Sportlerinnen und Sportler mit dieser Macht gestalten – und zwar von unten nach oben. Sport hat so viel Kraft und Kompetenz. Diese PS haben wir längst noch nicht auf die Straße gebracht.“ Einigkeit bestand bei allen Gesprächsteilnehmenden darin, dass der Umgang miteinander, sowohl auf der politischen Bühne als auch beim Sport, immer rauer und aggressiver werde. Fußball- Kapitänin Ebsen: „Ich finde, es wird immer lauter, und es geht eindeutig in eine falsche Richtung.“ Konsens bestand auch darin, dass sowohl Politiker als auch Sportler in Bezug auf den gesellschaftlichen Umgang miteinander eine Vorbildfunktion hätten. Konsequentere Sanktionen und damit das deutliche Aufzeigen von Grenzen könnten ein Lösungsansatz sein, um Auswüchse im Sport und im politischen Diskurs einzudämmen. Dass Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Sport längst nicht selbstverständlich ist, verdeutlichten die Schilderungen von Tanja Scholz eindrücklich. Als sie nach ihrem Unfall, dessen Folge eine Querschnittslähmung ist, wieder mit dem Sport beginnen wollte, war sie mit vielen Hindernissen konfrontiert. Aber auch als Mutter dreier Kinder könne sie nicht selbstverständlich ihre Kinder zum Sport begleiten, da kaum eine Sportstätte barrierefrei sei. Mehr Aufmerksamkeit für diese Themen wünsche sie sich – auch vonseiten der Politik. Wie eng die Verflechtung von Politik und Sport ist, wurde an diesem Abend aus unterschiedlichen Blickwinkeln deutlich. Ebenso deutlich wurde, wie groß die Beziehung des Sports mit weiteren Themenfeldern ist, beispielsweise der Wirtschaft. Landtagspräsidentin Herbst kündigte daher weitere Podiumsdiskussionen zur Verflechtung des Sports an.Fotos stehen in unserem Pressebereich zum Download zur Verfügung: https://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/pressefotos/