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12.07.23
13:07 Uhr
FDP

Christopher Vogt zu TOP 39A "Bericht 'Ein Jahr Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein'

12.07.2023
Christopher Vogt zu TOP 39A "Bericht 'Ein Jahr Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein' In seiner Rede zu TOP 39 A (Bericht „Ein Jahr Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein: Wohin will die Landesregierung das Land führen?“) erklärt der Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Christopher Vogt:
„Wir haben diese Debatte beantragt, weil wir der Meinung sind, dass nach einem Jahr neuer Regierung – gerade in diesen bewegten und schwierigen Zeiten – nicht nur auf Pressekonferenzen, sondern auch hier im Parlament eine erste Bilanz gezogen werden sollte.
Es wäre sicherlich das bessere Signal gewesen, wenn Sie, Herr Ministerpräsident, nach der aus unserer Sicht bemerkenswert schwachen Bilanz im ersten Jahr Schwarz-Grün – von sich aus – eine Regierungserklärung angemeldet hätten, um den leider oft verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern Ihre Regierungspolitik zu erklären und der Öffentlichkeit einen Ausblick auf das zweite Jahr der Wahlperiode zu geben.
Denn gerade nach Ihrem Haushaltsdesaster, der chaotischen Haushaltssperre und den hektischen Kürzungen in vielen sensiblen Bereichen fragen ja nicht nur wir uns, wie Sie jetzt in den kommenden Monaten einen verfassungskonformen Haushalt auf die Beine stellen wollen.
Sie haben die Landesverwaltung und den Regierungsapparat aufgebläht und weitere Programme zur Bezuschussung von Balkonkraftwerken aufgelegt, deren konkreter Nutzen mehr als nur fragwürdig ist, aber kürzen jetzt beim Sport, bei der Bildung, bei der Ausbildung von Fachkräften, bei der Feuerwehr, bei der Polizei oder auch beim Tierschutz. Das war und ist eine völlig falsche Schwerpunktsetzung, die viele Menschen irritiert.
Ich hätte mir heute eine ehrliche Bilanz gewünscht und einen Ausblick, der den Menschen in diesen schwierigen Zeiten Orientierung gibt.
Als ehemaliger Koalitionspartner sind wir manchmal schon überrascht, wie CDU und Grüne mittlerweile regieren. Dieser Koalition wohnte von Anfang an irgendwie kein Zauber inne.
Der Ministerpräsident hatte sich im letzten Jahr aus bestimmten strategischen Erwägungen für dieses Bündnis mit den Grünen entschieden. Mein Eindruck ist, dass seine Rechnung bisher nicht aufgegangen ist, auch weil die Stimmung im Land und auch an der CDU-Basis ja mittlerweile eine ganz andere ist als noch vor einem Jahr. Es war schon ziemlich skurril, dass Sie Ihr schwarz-grünes Jubiläum kürzlich mit einem groß angelegten PR-Termin auf einem Bauernhof begangen haben, wo die vermeintliche Harmonie zelebriert wurde. Und am Abend kam dann der ‚Partycrasher‘ Friedrich Merz in den CDU-Landesvorstand, um dort zu erklären, dass die Grünen jetzt – innerhalb des demokratischen Spektrums – der Hauptgegner der Union seien. Das war wirklich eine strategische Meisterleistung der CDU. Wenn das so geplant gewesen ist, könnte man von einer interessanten Doppelstrategie der CDU sprechen, aber diesen Eindruck hatte ich eher nicht.
Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein ist eine große Koalition der inhaltlichen Gegensätze. Leider gibt es mit ihr keine großen Lösungen, sondern meistens nur – wenn überhaupt – kleine Formelkompromisse, die das Land ja nicht voranbringen, sondern es eher zurückwerfen. Es fehlt Ihnen jetzt auch nicht nur das Geld, um die fehlenden inhaltlichen Schnittmengen mit zusätzlichen Ausgaben in den verschiedenen Ministerien zu kaschieren. Sie werden nun sogar in vielen Bereichen weitere nennenswerte Kürzungen vornehmen müssen und ich bin sehr gespannt, wie sich dies auf die weitere Zusammenarbeit auswirken wird.
Sie werden jetzt deutlich mehr und sehr intelligente Schwerpunkte setzen müssen, davon sind Sie bisher noch weit entfernt. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten bestand ja bisher darin, bei wirklich jeder Gelegenheit mehr Geld vom Bund zu fordern – mit völliger Gleichgültigkeit gegenüber der finanziellen Lage des Bundes. Dies werden Sie nun nicht mehr so freihändig tun können, wenn Sie gleichzeitig selbst den Haushalt wieder ins Lot bringen müssen.
Der Koalitionsvertrag ist zwar sehr umfangreich, aber eben auch an vielen Stellen sehr vage formuliert oder bereits Makulatur – wenn man z.B. an die versprochene weitere Senkung der Kita- Gebühren oder an die Eigenheimzulage denkt. Hier haben Sie Ihre Versprechen, die sich ja vor allem an junge Familien richteten, die von der Inflation besonders betroffen sind und besonders um ihren Wohlstand bangen, bereits nach kurzer Zeit gebrochen.
Sie haben diese Menschen im Regen stehen lassen, anders kann man es nicht sagen.
Die neue Regierung ist zwar deutlich größer, aber im Durchschnitt auch schwächer geworden. Der Abgang von Leistungsträgern konnte nicht angemessen kompensiert werden. Das 100 Tage- Programm war nicht der Rede wert.
Es fehlt der Wunschkoalition aus CDU und Grünen ganz einfach – und das wird von Woche zu Woche immer deutlicher sichtbar – an einer überzeugenden gemeinsamen Vision für Schleswig- Holstein. Das ständige Gerede vom ‚ersten klimaneutralen Industrieland‘ ist nicht ansatzweise durch geeignete Maßnahmen hinterlegt. Ihre Entlastungsmaßnahmen im Zuge des Energiegipfels waren entweder Luftnummern oder Rohrkrepierer.
Und sie liegen mittlerweile in fast allen wichtigen Politikfeldern über Kreuz:
Beim Thema Migration haben wir es ja in der letzten Sitzung erlebt. Sie schaffen es nicht einmal, sich auf das zu verständigen, was der Ministerpräsident auf Bundesebene längst beschlossen hat, nämlich weitere sichere Herkunftsländer auszuweisen. Darauf können Sie sich nicht einigen. Sie können sich auch nicht einigen, dem EU-Asylkompromiss eine Zustimmung zu geben. Das, was Annalena Baerbock schon getan hat, das kriegt die Günter-CDU bei diesem wichtigen Thema hier nicht hin. Und ich meine das wirklich ernst. Wir haben wirklich dramatische Signale erhalten, zum Beispiel aus dem Kreis Pinneberg, die uns sagen, dass sei mit deren Kapazitäten nicht mehr so möglich. Das sollte man sehr ernst nehmen und da muss man darüber nachdenken, wie man Abhilfe schaffen kann.
Beim Thema Finanzen ist Frau Heinold doch deutlich näher am Kollegen Losse-Müller als an der CDU und sagt, man müsse neue Milliardenschulden machen, ansonsten kriege man Aufgaben wie die Transformation gar nicht hin. Ich sehe das anders. Das ist kein Zurückziehen auf irgendwelche verfassungsrechtlichen Dinge. Das ist unser Grundgesetz, das ist unsere Landesverfassung. Wir dürfen nicht so weitermachen, dass wir es trotz der weltweit fast höchsten Steuern und Abgaben nicht schaffen, zu wirtschaften ohne uns massiv Geld bei der kommenden Generation, bei unseren Kindern, zu leihen. Das wurde jahrzehntelang gemacht und das Desaster sehen wir jetzt bei den steigenden Zinsen.
In der Wirtschaftspolitik sehen wir fast keine neuen Impulse. Die meiste Berichterstattung, Herr Madsen, gab es darüber, dass Sie Deutscher geworden sind und CDU-Mitglied. Das sind von Ihnen ja auch wegweisende Beschlüsse gewesen. Aber ich glaube, es muss auch neue Impulse geben. Denn die Chancen für Schleswig-Holstein sind enorm. Auch wenn das Thema Northvolt ja von der Staatskanzlei verantwortet wird und nicht vom Wirtschaftsministerium. Es muss neue Impulse geben und ich lese mit Sorge, dass in der Verkehrspolitik immer noch die alten ideologischen Debatten geführt werden: Bei der A 20, bei der A 23, und seit gestern auch wieder bei den Landesstraßen, wo 90 Millionen Euro im Jahr eh schon zu wenig sind. Das ist seitens der Grünen wirklich ideologische Mottenkiste, Radwege gegen Straßen aufzuwiegen. In welchem Jahrzehnt leben Sie eigentlich? Man muss beides machen. Aber wenn man die Straßen verrotten lässt, der zahlt in Zukunft auch doppelt.
Bei der Bildung haben wir gewaltige Großbaustellen: Inklusion, Integration, Ganztag. Es wird versucht, mit diversen Konzepten Zeit zu gewinnen. Die Arbeit von Frau Prien kann man eigentlich überschreiben mit ‚zu wenig, zu spät‘. Auch beim Thema Übergang von Kita zur Grundschule sind sich CDU und Grüne überhaupt nicht einig, obwohl uns die Experten zahlreiche Vorschläge geben, zum Beispiel mit Sprachtests für Viereinhalbjährige.
Angesichts der Lage kann ich schon nachvollziehen, dass sich der Ministerpräsident lieber in die Sommerpause retten wollte und hier keine Regierungserklärung mehr halten wollte. Diese Haltung ist aber das falsche Signal an die Bevölkerung. Wie schon im vergangenen Sommer haben Sie sich da aus unserer Sicht falsch verhalten.
Herr Ministerpräsident, ich denke, Sie werden angesichts der schwierigen Lage wieder deutlich präsenter werden müssen – auch außerhalb der Kieler Woche. Anders als Ihr Koalitionspartner fand ich Ihre Gesangslage ja gar nicht so unsympathisch. Ich würde Ihnen Ihren ausbaufähigen Musikgeschmack und Ihre durchwachsenen Sangeskünste niemals vorwerfen. Sie haben im Bayernzelt Leidenschaft gezeigt, ich wünsche mir, dass Sie dies zukünftig auch wieder im politischen Tagesgeschäft hinbekommen. Wenn man Sie leichter auf die Bierzelt-Bühne als an das Rednerpult im Landtag bekommt, gibt es da noch Luft nach oben. Bei der sogenannten ‚Letzten Generation‘ sind Sie nach langem Schweigen dann mal in die Offensive gegangen und haben eine ‚härtere Gangart‘ angekündigt. Zu sehen ist davon bisher allerdings mal wieder nichts! Das führt zu Frust bei den Menschen.
Apropos Frust bei den Menschen: Das Grundsteuerchaos kam mit Ansage. Und das nervt die Bürgerinnen und Bürger. Frau Heinold, ich glaube, die Haushaltsführung muss wieder deutlich solider werden. Das wird nicht einfacher in diesen Zeiten. Aber Taschenspielertricks, und das werden wir ganz genau im Auge behalten, die können Sie sich nicht leisten.
Und noch etwas sollten wir uns nicht leisten: Herr Goldschmidt, für Ihren Nationalpark Ostsee, mit dem Sie sich offenbar ein Denkmal setzen wollen, für den gibt es leider keine überzeugende Begründung. Die Menschen an der Ostseeküste, die auch Ahnung haben, was da los ist, die fragen, ob es nicht auch andere Maßnahmen gibt, die verhältnismäßiger sind. Da geht es vor allem um das Thema Munitionsbeseitigung und weniger Schadstoffe. Herr Goldschmidt, Sie stiften ohne große Not große Verunsicherung an der Küste. Es ist eben kein ergebnisoffener Prozess. Das glaubt Ihnen kein Mensch. Und ich frage mich von Tag zu Tag mehr, was eigentlich die Haltung der CDU ist? Also von einem weiß ich das jetzt nach einer doppelseitigen Anzeige in den Zeitungen des Landes. Ich weiß es aber nicht vom Minister für Fischerei und Landwirtschaft, was der eigentlich dazu sagt. Von dem hört man da auch irgendwie nichts. Also wenn es ein ergebnisoffener Prozess sein soll, dann wäre es schön, wenn die CDU eben auch mal eine Haltung bekäme. Ich sage Ihnen, Herr Ministerpräsident, ziehen Sie die Reißleine. Sagen Sie diese Pläne ab. Hören Sie auf, die Menschen zu verunsichern. Machen Sie wirksame Maßnahmen. Es braucht diesen Nationalpark nicht, es braucht nicht diese ideologische Kampfansage an die Fischer, Segler, Surfer, an die Landwirtschaft und die Tourismuswirtschaft.
Eine Sorge habe ich beim Thema Kita: Wir haben gemeinsam die große Kita-Reform auf den Weg gebracht. Das war nicht leicht, gerade während der Pandemie. Aber wir haben da viele Dinge geschafft, vor allem bei der Entlastung der jungen Familien. Die von Ihnen im Koalitionsvertrag versprochene weitere Entlastung fällt ja offenkundig aus. Und jetzt wird darüber gemunkelt, ob es höhere Kita-Beiträge geben soll. Dort hätte ich mir eine klare Ansage gewünscht, Herr Ministerpräsident, und die werden Sie auch schnell liefern müssen. Was ist jetzt mit der Belastung oder der Entlastung der Familien?
Wohin soll die weitere Reise gehen? Das ist leider weiterhin unklar. Sie müssen bei den wichtigen Themen dringend eine gemeinsame Linie finden. Daniel Günther hatte versprochen, ‚Kurs zu halten‘. Sie sind aber leider erheblich vom Kurs abgekommen. Gerade wenn man heftigen Gegenwind hat, ist es schwierig, wenn die Mannschaft nicht zusammenarbeitet und das Steuerrad immer wieder in die entgegengesetzte Richtung reißt. Es mangelt der Koalition am gemeinsamen Gestaltungswillen. Weiterhin nur nebeneinander vor sich her zu regieren, wird definitiv nicht funktionieren. Das muss sich ändern. Ansonsten drohen Schleswig-Holstein fünf verlorene Jahre. Das kann niemand wollen.“
 
Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort



Christopher Vogt Vorsitzender


Kontakt: Sina Schmalfuß, v.i.S.d.P. stv. Pressesprecherin
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