Nelly Waldeck zum Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 26 – Dem Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr Landeshaus effektiv entgegenwirken Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die mobilitätspolitische Sprecherin der Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Nelly Waldeck: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Nr. 205.23 / 16.06.2023In Zukunft müssen mehr Züge und Busse fahrenSehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,nicht nur in Schleswig-Holstein sind wir es gewohnt, auf die Deutsche Bahn zu schimp- fen. Zugausfälle und Verspätungen sind längst ein fester Bestandteil der Abenteuerge- schichten vieler Pendler*innen.In diesem Jahr allerdings stand hier im Norden mal ein anderes Verkehrsunternehmen öffentlich stark in der Kritik. Die andauernden Zugausfälle von Erixx haben für viel Frust bei Fahrgästen gesorgt und die Verlässlichkeit der Bahn nochmal erheblich in Frage ge- stellt.Was bei Erixx passiert ist, ist kritikwürdig, und viele Unternehmensentscheidungen sind nicht unbedingt plausibel nachvollziehbar. Vielmehr jedoch verweist die Situation bei Erixx auf ein viel grundlegenderes und strukturelles Problem: Es fehlt an Menschen, die unseren öffentlichen Verkehr am Laufen halten – und das in allen Bereichen. Und ich betone: Hier geht es um den Status quo, nicht mehr.In Zukunft müssen mehr Züge und Busse fahren, wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen. Und wir alle sind uns einig, dass sie alternativlos ist. Neben dem fehlenden Geld bleibt aber der Fachkräftemangel ein Nadelöhr für mögliche Fahrplanerweiterungen und damit für alle Bemühungen, die Wende zu schaffen. Diesem Problem müssen wir mit aller Kraft und so weitsichtig wie möglich entgegensteuern.Wir müssen das aber tun, ohne ständig über nur die Probleme zu reden. Wir müssen anfangen, lösungsorientiert über Fachkräftemangel zu diskutieren. Es gibt nicht die eine Antwort auf den Fach- und Arbeitskräftemangel. Und so hat auch unser Antrag nicht Seite 1 von 2 den Anspruch, den Fachkräftemangel zu beseitigen. Ich denke das ist klar. Die Lösun- gen müssen so vielfältig wie möglich sein und dafür wollen wir einige branchenspezifi- sche Aspekte angehen.Wir müssen bundesweit anerkennen, dass wir auf ein großes Problem im ÖPNV zu- steuern. Und wir müssen die Anstrengungen bei der Suche nach Busfahrer*innen erhö- hen. Dafür braucht es zunächst die Aufnahme von Busfahrer*innen auf die Liste bun- desweiter Mangelberufe. Das wichtigste Instrument für mehr Fachkräfte ist es aber, die Fachkräfte von morgen auszubilden. Im besten Fall nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern darüber hinaus.Bereits jetzt machen wir das in Kooperation mit der Nah.sh in neuen Verkehrsverträgen. Das muss zur Selbstverständlichkeit werden und wir wollen in Kooperation mit Ver- kehrsunternehmen daran arbeiten, dass noch stärker ausgebildet wird – und das auch, wenn Verträge das nicht oder nicht mehr hergeben.Ein Fehler bei der Betriebsaufnahme von Erixx war die fehlende Übernahme von Aus- zubildenden der letzten zwei Jahre. Die Deutsche Bahn hatte auf der Strecke bereits frühzeitig aufgehört auszubilden. Das wollen wir mit unserem Vorgehen in Zukunft ver- hindern. Aber auch der Ausbau von Infrastruktur gehört zum öffentlichen Verkehr dazu und dort ist der Bedarf ebenso groß.Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass wir eine Professur für Verkehrsplanung im Schienenwesen schaffen. Bisher fehlt es in ganz Norddeutschland an Schienenexper- tise in der universitären Lehre. Das werden wir ändern.Zudem wollen wir regulatorische Hemmnisse wie das Mindestalter prüfen. Wer aus der Schule kommt, kann nicht auf direktem Weg eine Ausbildung zur Busfahrer*in absolvie- ren. Denn Bus fahren ist im Gegensatz zu LKW fahren erst mit 24 Jahren erlaubt. Diese Regel gehört auf den Prüfstand.Und obwohl es allen Geschlechtern freigestellt ist, im ÖPNV-Betrieb zu arbeiten, ist die Quote an Frauen unter Busfahrenden schlechter als in deutschen Vorständen – wer hätte gedacht, dass das möglich ist. Bei der Berliner Verkehrsgesellschaft arbeiten ak- tuell gerade sechs Prozent Frauen.Deswegen sollten wir uns damit auseinandersetzen, wie wir das Busfahren auch für Frauen attraktiver gestalten, beispielsweise durch Anpassung der Arbeitszeiten, durch mehr Sicherheit auch in Abend- und Nachtstunden oder durch angepasste Kita-Öff- nungszeiten, zumindest dort, wo das möglich ist.Auch das Thema Sprache müssen wir diskutieren. Ich glaube, wir brauchen eine De- batte darüber, welche Sprachkenntnisse im Beruf wirklich relevant sind und welche Ausbildungsinhalte nur der einfachheitshalber auf Deutsch angeboten werden. Am Ende stehen wir im Wettbewerb mit anderen EU-Staaten, in denen die Offenheit für Mehrsprachigkeit bereits deutlich weiter ist als hier.Es gibt noch einige Stellschrauben, an denen wir drehen können, um mehr Menschen für die Arbeit im öffentlichen Verkehr zu begeistern. Und genau dies müssen wir tun, wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen.Vielen Dank. *** 2