Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle des Landes 2021/2022: Eingabezahlen weiterhin auf hohem Niveau
Nr. 20 / 25. Mai 2023Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle des Landes 2021/2022: Eingabezahlen weiterhin auf hohem NiveauDie Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes, Samiah El Samadoni, stellte heute (Donnerstag) ihren Tätigkeitsbericht für den Berichtszeitraum 2021 und 2022 in Kiel vor. „Der Schwerpunkt der Eingaben lag weiterhin bei Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung, der ethnischen Herkunft und des Geschlechts. Im Vergleich zum letzten Berichtszeitraum blieb die Anzahl der Beratungsfälle mit 667 Petitionen vergleichbar weiter hoch“, so El Samadoni. Seit der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Landes im Jahr 2013 wurden zum Stichtag 31. Dezember 2022 insgesamt 2.170 Petitionen bearbeitet.Die Beratung der Antidiskriminierungsstelle – angesiedelt bei der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes – orientiert sich im Schwerpunkt an dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Gesetz schützt vor Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. „Ein nach wie vor großes Problem sind öffentliche Arbeitgeber:innen, die bei Stellenausschreibungen gegen die Einladungspflicht von Menschen mit Behinderung verstoßen“, erklärte El Samadoni. Öffentliche Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber:innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt. „In den im Bericht dargestellten Beratungsfällen war dies ganz überwiegend der Fall, dennoch folgte keine Einladung. Häufig nahm man es billigend in Kauf, auf Schadensersatz verklagt zu werden, da dieser auf maximal drei Brutto-Monatsgehälter gedeckelt ist“, erläuterte El Samadoni. In zwei Beratungsfällen haben sich die Bewerber:innen die Diskriminierung nicht gefallen lassen und insgesamt 6.000 Euro bzw. 3.000 Euro vor Gericht erstritten.“Insgesamt waren häufig Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben Gegenstand der Beschwerden. „Manchmal ging es um fehlende Sensibilität von Vorgesetzten und Kolleg:innen im 2diskriminierungsfreien Umgang. Vermehrt waren auch datenschutz- und diskriminierungsrechtlich bedenkliche Fragen der Arbeitgeber:innen zu Schwangerschaften und Behinderungen ein Thema“, so die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. „Leider ließ dies manchmal eine komplette Unkenntnis des rechtlich Zulässigen erkennen.“Stellenausschreibungen, die insbesondere gegen das Verbot der Geschlechterdiskriminierung verstießen, waren im Berichtszeitraum häufig Gegenstand der rechtlichen Beratung. Deutlich wurde immer wieder, dass noch nicht alle Arbeitgeber:innen verstanden haben, dass Stellenausschreibungen nur dann dem AGG entsprechen, wenn die Ausschreibungen in ihren Formulierungen inklusiv männlich, weiblich und divers berücksichtigen – entweder durch den Zusatz „m-w-d“ oder Verwendung eines Gendergaps oder –sternchens. „In der Regel erleben wir aber, dass die betroffenen Arbeitgeber:innen nach unserer Ansprache sofort bereit sind, ihre Texte und Stellenausschreibungen anzupassen. Bemerkenswert war hier allerdings, dass auch ein rechtswissenschaftlicher Lehrstuhl und eine Rechtanwaltskanzlei mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht hier nicht vor Fehlern gefeit war“, trug El Samadoni vor. Das Bundesverfassungs- gericht hatte bereits 2017 entschieden, dass es mehr als nur ein binäres Geschlechtersystem gibt und dies in der Praxis rechtliche Konsequenzen hat.Bei den Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft waren insbesondere die sog. „Massengeschäfte des Alltags“ betroffen, also zivilrechtliche Rechtsgeschäfte, die im Alltag in einer großen Anzahl mit zahlreichen Vertragspartner:innen abgeschlossen werden und bei denen es auf die Ansehung der Person nicht ankommt (z. B. der Einkauf im Supermarkt, die Beförderung im ÖPNV, der Eintritt in die Disko). Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle führte aus: „Wir berieten u.a. eine Petentin, die der deutschen Minderheit der Sinti angehört, der wegen ihrer ethnischen Herkunft die Mitgliedschaft in einem Fitness-Center verweigert wurde“. Da die außergerichtliche Einigung scheiterte, führte eine Klage schließlich zu einer Entschädigung für die erlittene Verletzung des Persönlichkeitsrechts – die Petentin erstritt öffentlichkeitswirksam 1.000 Euro Entschädigung.Generell weist die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes darauf hin, dass Unternehmen und Behörden – neben vielen positiven Beispielen – generell mehr in die Sensibilisierung und präventive Schulung ihrer Mitarbeitenden investieren sollten. „In den letzten Jahren fiel aber auch auf, dass der Fachkräftemangel vereinzelt dazu geführt hat, dass sich Arbeitgeber:innen in den Bereichen Diversität und interkulturelle Kompetenzen weiterentwickeln“, lobte El Samadoni.Neben der Darstellung einzelner Fälle enthält der Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle auch zahlreiche Anregungen und Forderungen. Dies ist zum Beispiel der Hinweis auf die dringend notwendige Reform des AGG, u.a. im Hinblick auf die Einführung eines Verbandsklagerechts und die Ausweitung der geschützten persönlichen Merkmale im Gesetz. Schon in der Vergangenheit 3wurde vom der Antidiskriminierungsstelle vorgeschlagen, auf Landesebene für bestimmte Diskriminierungen Ordnungswidrigkeitentatbestände zu schaffen, wie etwa bei rassistischen Diskriminierungen beim Einlass in Diskotheken oder auf dem Wohnungsmarkt. „Gerade wenn vermehrt auf den Zuzug von Personal aus dem Ausland gesetzt werde, um dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken, wäre dies auch ein wichtiges Signal“, so El Samadoni.Die Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein berät gerne telefonisch von Montag bis Freitag zwischen 9.00 und 15.00 Uhr und mittwochs bis 18.30 Uhr unter der 0431-988 1240.