Landesbeauftragte: Gesundheits- und Pflegesystem muss inklusiver werden
Landesbeauftragte: Gesundheits- und Pflegesystem muss inklusiver werden! Die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) verabschieden die „Bad Nauheimer Erklärung“.Behinderungen sind statistisch gesehen ein Phänomen des höheren Lebensalters. In einer älterwerdenden Gesellschaft steigt die Wahrscheinlichkeit, im Lauf des Lebens eine Behinderung zu erwerben. Die Beauftragten von Bund und Ländern halten daher ein grundlegendes Umdenken im Gesundheits- und Pflegebereich für dringend notwendig. Damit Menschen mit Behinderungen jeden Alters den gleichen Zugang zur Gesundheits- und Pflegeversorgung erhalten wie Menschen ohne Behinderungen, sollte das gesamte Gesundheitssystem barrierefrei ausgestaltet werden. Darüber hinaus sind spezifische Angebote für die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen vorzuhalten. Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, führt aus, dass er das vordringlichste Problem im Gesundheitsbereich in der fehlenden Barrierefreiheit von Arztpraxen sieht. „Es kann doch nicht sein, dass es immer noch Bundesländer gibt, in denen es nicht eine einzige barrierefreie gynäkologische Praxis gibt. Die medizinische Versorgung gehört zur Basis der Daseinsvorsorge. Dass Menschen mit Behinderungen hier immer noch ausgeschlossen werden, insbesondere wenn es um die ambulante Versorgung geht, ist eines Landes wie der Bundesrepublik Deutschland unwürdig“, so Dusel. Außerdem sieht Jürgen Dusel großen Handlungsbedarf bei der Hilfsmittelversorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen: „Wenn Kinder ihre Hilfsmittel nicht zeitnah bekommen, schließen sich Zeitfenster, in denen Fähigkeiten aufgebaut bzw. deren Verlust verhindert werden kann. Es ist inakzeptabel, dass Krankenkassen Anträge, die von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als dringend notwendig eingestuft werden, nach Aktenlage ablehnen.“ Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen Schleswig-Holstein wird die Ergebnisse der Beratungen bei den aktuellen Beratungen zur Gesundheitspolitik im Sozialausschuss des Landtages einbringen: „Ich stehe ausdrücklich hinter den Ausführungen des Bundesbeauftragten. Eine gleichberechtigte Regelversorgung und spezialisierte Angebote für Menschen mit Behinderungen sind für mich eine Selbstverständlichkeit und nicht verhandelbar. Das gilt gleichermaßen für eine optimale Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen.“ Einen weiteren Gesichtspunkt der gesundheitlichen Versorgung verdeutlicht Prof. Dr. Helga Seel, die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR). Sie mahnt eine Verbesserung der Rehabilitation von Menschen mit Schwerstverletzungen an. Sie erläutert dazu, dass viele Patientinnen und Patienten nach einer erfolgreichen Akutbehandlung im Krankenhaus immer noch einen hohen Unterstützungsbedarf haben, weil sie zum Beispiel noch nicht wieder selbstständig essen können. Nach aktueller Definition gelten sie als „noch nicht reha-fähig“. Viele werden deshalb nach Hause oder in eine Pflegeeinrichtung entlassen, anstatt in eine Rehabilitations- Einrichtung. Daher fordert Prof. Dr. Seel: „Hochleistungsmedizin braucht Hochleistungsrehabilitation.“Hintergrund: Am 11. und 12. Mai 2023 kamen in Bad Nauheim die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) zu ihrem 65. Treffen zusammen. Die Treffen finden zweimal jährlich statt und dienen der Beratung aktueller behindertenpolitischer Themen. In seiner Grußbotschaft wies der Hessische Ministerpräsident, Boris Rhein auf die Bedeutung eines inklusiven Gesundheits- und Pflegesystems hin. Bei ihrer Begrüßung am Donnerstag betonte Anne Janz, Hessische Staatssekretärin für Soziales und Integration, dass Gleichberechtigung in Gesundheit und Pflege nur dann gelingen kann, wenn gleiche Zugänge zu allen Gesundheits- und Pflegeleistungen bestehen. Zum Fachaustausch trugen unter anderen Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, sowie verschiedene Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis mit ihren Vorträgen bei. Die Bad Nauheimer Erklärung steht unter www.behindertenbeauftragte.hessen.de zum Download bereit.