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11.05.23
19:45 Uhr
B 90/Grüne

Jasper Balke zur Unterstützung der Krankenhäuser

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 14+34+39+42 – Umsetzung der Krankenhausreform Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher Landeshaus der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Jasper Balke: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 152.23 / 11.05.2023



Krankenhäuser und Personal am Limit: Die Krankenhausreform ist dringend notwendig
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Vielen Dank für die Einblicke und den Bericht, liebe Frau Ministerin, damit es nicht zu redundant wird, fange ich ganz allgemein an, indem ich den Appell und die Wichtigkeit der Krankenhausstrukturreform noch einmal verdeutliche.
Die Krankenhäuser und übrigens auch das Personal sind wirklich absolut am Limit ange- kommen. Viele Kliniken und Standorte mussten bereits schließen, weil in kürzester Zeit auf ein absolut krankes Vergütungssystem noch zusätzliche Belastungen eingetroffen sind. Angefangen bei der Corona-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg mit den steigenden Energiepreisen und Inflation – enorm hohen Bau- und Materialkosten und auch noch Lie- ferengpässen in für das Gesundheitssystem teilweise unverzichtbaren Bereichen.
Hinzu kommen noch die Mehrkosten durch die kürzlichen Tarifabschlüsse und in abseh- barer Zeit auch noch die Ergebnisse aus den Verhandlungen mit der Ärzt*innenschaft.
Das Ausmaß dieser finanziellen – ja man kann es schon fast so bezeichnen – Katastro- phe mit Ansage wird nicht nur dann deutlich, wenn das Krankenhaus bei mir um die Ecke entweder ganz schließt, oder bestimmte Abteilungen zumachen, sondern das wird schon dann klar, wenn man sich die Zahlen anschaut. Knapp 9 von 10 Krankenhäusern in Deutschland und damit natürlich auch in Schleswig-Holstein schreiben momentan rote Zahlen. Das muss man sich mal vorstellen, denn wir reden hier ja immerhin nicht über irgendeinen Bereich, sondern hier geht es um Daseins-, um Gesundheitsversorgung, hier Seite 1 von 4 geht es um unsere Lebensversicherung.
Die Krankenhausstrukturreform, die es eigentlich schon vor zehn bis 15 Jahren gebraucht hätte, muss deshalb jetzt absolute Priorität haben. Und es ist deshalb auch genau richtig, dass das Land Schleswig-Holstein sich in diesem Prozess konstruktiv und mit eigenen Vorschlägen und Hinweisen einbringt – das Gutachten wurde unter anderem ja bereits erwähnt.
Es gibt viele Punkte, die die Regierungskommission bereits auf den Tisch gelegt hat, die in genau die richtige Richtung gehen. Wichtig ist jedoch, dass bei dem hoffentlich bald startenden Gesetzgebungsprozess alle wesentlichen Akteur*innen des Gesundheitssys- tems einbezogen werden und dass sektorenübergreifend gedacht wird.
Denn ein stationäres Angebot auf der Grünen Wiese zu planen, ohne ausreichend prä- oder postoperative Angebote im ambulanten Bereich, ohne ein sinnvolles Entlassma- nagement oder genügend Gesundheitsfachkräfte ist viel zu kurz gedacht. Vielmehr muss im stationären Bereich durch ein sinnvolles Zusammenspiel und Ausnutzen aller Kompe- tenzen aus ganz verschiedenen Berufsgruppen, gesünderen und qualitativ hochwertige- ren Krankenhausmahlzeiten auf eine nachhaltige Therapie und Genesung gesetzt wer- den.
Das aktuelle Fallpauschalensystem ist aber unter anderem durch die Gestaltung der Ope- rationen-Prozeduren-Schlüssel gar nicht darauf ausgerichtet, den Krankenhäusern die notwendigen personellen Kapazitäten zu refinanzieren und setzt damit eher Anreize auf Quantität - zum Nachteil von Qualität und Personal.
Dass dieses Problem besonders problematisch ist, fällt insbesondere im Bereich der Ge- burtshilfe auf. Hier werden seit Jahren Fehlanreize und mangelnde Kapazitäten beklagt. Wir setzen uns deshalb schon lange ein für eine 1:1-Betreuung, mehr Hebammenge- führte Kreissäle, eine bessere Zusammenarbeit und teilweise Kompetenzausweitung der Berufsgruppen – nicht zuletzt, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.
Dies ist uns offenkundig nicht gelungen, was nun so fatal ist, dass viele gut ausgebildete Hebammen mittlerweile gar nicht mehr in der direkten Geburtshilfe arbeiten.
Deshalb ist es auch genau richtig, dass die Landesregierung mit dem Qualitätszirkel Ge- burtshilfe genau die Menschen an einen Tisch holt, die aus der Praxis kommen und ver- schiedene Interessen und Ideen abwägen. Dabei sind unbedingt auch die außerklinische Geburtshilfe und der Rettungsdienst mitzudenken, die nicht gesondert zu betrachten sind.
Ziel muss insgesamt ein zeitnaher Maßnahmenkatalog sein, der Qualität und Bedarfsde- ckung gemeinsam betrachtet und Arbeitsbedingungen wie Kapazitäten so anpasst, dass die Geburtshilfliche Versorgung den richtigerweise hohen Ansprüchen endlich gerecht wird.
Besonders wichtig gerade für den Süden Schleswig-Holsteins ist eine gute und enge Zu- sammenarbeit mit der Freien und Hansestadt Hamburg zum Aufbau von medizinischen Kooperationen und einer länderübergreifenden Bedarfsdeckung. Dass der Dialog dabei schon Fahrt aufgenommen hat, freut mich nicht nur für die Geburtshilfliche, sondern für die Versorgung der Region insgesamt.
Denn nicht nur bei der Geburtshilfe bedarf es besserer, einfacherer Kooperationen 2 unterschiedlicher Berufsgruppen oder Versorgungsstrukturen. Insgesamt muss die Ge- sundheitsversorgung bei uns im Land moderner und flexibler werden und deshalb haben wir als CDU und Grüne die Gelegenheit genutzt und bringen zu diesem Thema heute einen Alternativantrag ein, der wirklich Substanz hat.
Und das ist auch unbedingt notwendig, denn wenn man mit den Leuten vor Ort spricht, dann ist natürlich das stationäre Angebot ein großes Thema. Mindestens genauso häufig kommen jedoch Fragen auf, wieso die Apotheke oder die Praxis für Allgemeinmedizin um die Ecke zumachen mussten, ohne Aussicht auf eine Nachfolge.
Häufig ist der Fachkräftemangel zumindest ein Teil der Antwort. Deshalb haben wir uns als Koalition darauf verständigt, einen Pakt für die Gesundheits- und Pflegefachberufe aufzusetzen, der die Ausbildungskapazitäten an den absehbaren Bedarf anpasst.
Besonders wichtig ist mir dabei, in den Dialog auch mit den Auszubildenden und Studie- renden aus den Gesundheits- und Pflegefachberufen und Medizin zu treten. Denn die in der Regel jungen Menschen können tendenziell am besten sagen, welche Arbeitszeitmo- delle oder Anreize aus ihrer Sicht geschaffen werden müssten, um perspektivisch im am- bulanten Bereich oder ländlichen Regionen zu arbeiten.
Genauso wichtig ist es jedoch auch, die in der Ausbildung erworbenen Kompetenzen der Berufsgruppen stärker auszunutzen als bisher. Was allein schon die Öffnung der Primär- versorgung für die Gesundheitsfachberufe und eine vereinfachtere Niederlassung oder Kooperation in regionalen Gesundheitszentren unter Zuhilfenahme flächendeckender te- lemedizinischer Angebote für eine Entlastung und gleichzeitig auch Attraktivitätssteige- rung der einzelnen Berufsgruppen bedeuten würde, das kann ich hier an dieser Stelle gar nicht hinreichend ausführen. Gleichzeitig können dadurch viel breitere Gebiete abgedeckt werden und durch alternative Angebote zur Belebung eben jener Regionen führen, wo die Apotheke oder Praxis weggefallen ist.
All das erfordert eine extrem hohe Flexibilität der Leistungserbringer aber natürlich auch der Kostenträger. Hier muss endlich Bewegung ins System kommen, denn die erfolgrei- chen Modellprojekte und Ideen liegen ja bereits alle auf dem Tisch.
Bis zur Umsetzung ist es aber besonders wichtig, das Sterben der Apotheken und Praxen nicht noch zu befeuern, sondern endlich darauf hinzuwirken, dass die Honorare der Apo- theker*innen und Ärzt*innen dynamisiert werden, um die steigenden Kosten zu kompen- sieren. Hier sehen wir übrigens Parallelen zu den steifen Vergütungsmechanismen im stationären Bereich.
Vorgestern wurde dazu wieder gestreikt – hier ist es unsere Verpflichtung, dem nicht nur zuzusehen, sondern auch politisch zu agieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese großen aber notwendigen Projekte sind selbstver- ständlich nicht für lau zu haben. Karl Lauterbach geht zwar davon aus, dass seine Kran- kenhausstrukturreform einigermaßen kostenneutral sein wird – ich setze da wirklich ein dickes Fragezeichen hinter und plädiere insbesondere dann, wenn der Bund den Ländern in einigen Bereichen Strukturvorgaben machen sollte, definitiv auch für einen Struk- turfonds zur Finanzierung der Kosten.
Doch wir sollten auch nicht verkennen, dass ein Abbau von Überversorgung, von Eingrif- fen, die unnötigerweise stationär statt ambulant oder ein Aufbau von für die Bevölkerung einfach verständlichen und niedrigschwelligen Wegen in die für sie direkt passende 3 Versorgung auch eine Menge Geld sparen kann. Und genauso verhält es sich mit den Themen Gesundheitsförderung und Prävention. Die WHO geht davon aus, dass über 50 Prozent der Volkserkrankungen in Europa durch einen gesünderen Lebensstil zu verhin- dern wären – das würde nicht nur eine Menge Leid sparen, sondern selbstverständlich auch eine Menge finanzielle Kapazitäten.
Eine bessere gesundheitliche Bildung und zielgruppenspezifische Aufklärung trägt also nicht nur zur Salutogenese – also der Gesunderhaltung der Bevölkerung – und damit mehr gesundheitlicher Chancengerechtigkeit bei, sondern sie führt insgesamt auch zu einer Entlastung des Gesundheitssystems, einer Entwicklung also, die wir in Anbetracht des demographischen Wandels wirklich gebrauchen können.
Und weil mir gerade dieser letzte Punkt so wichtig ist und ich finde, dass es hierbei gar nicht genug Redundanz geben kann, freue ich mich besonders darüber, dass wir uns als Koalition dazu im Koalitionsvertrag ja auch schon auf einige konkrete Projekte einigen konnten, über deren Umsetzung wir an dieser Stelle sicherlich noch das ein oder andere Mal sprechen werden – ich freue mich drauf und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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