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24.03.23
11:22 Uhr
B 90/Grüne

Oliver Brandt zum Arbeitszeitgesetz

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 17 – Arbeitszeitgesetz weiterentwickeln Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der arbeitspolitische Sprecher Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Oliver Brandt: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 110.23 / 24.03.2023

Wir müssen Fachkräfte mit attraktiven Arbeitsbedingungen binden
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Schlafen und vielleicht etwas essen – vielmehr dürfte bei einem 13 Stunden Tag kaum noch möglich sein. Berücksichtigt man die vorgeschriebene Pause von einer Stunde und die Tatsache, dass die meisten von uns auch einen Anfahrtsweg zu meistern haben, dann kommen wir auf gut und gerne 15 Stunden außer Haus.
Das, liebe FDP, hat nichts mit Work-Life-Balance oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun.
Der Trend geht in eine andere Richtung: Arbeitnehmer*innen wollen weniger arbeiten, um mehr Zeit für ihre Familie, Freunde, Sport – kurz gesagt – um mehr Freizeit zu haben. Die 40-Stunden Woche an drei Arbeitstagen durchziehen, um dann den Rest der Woche frei zu haben – das wollen die wenigsten. Arbeitszeiten, die in den Abendstunden liegen oder an den Wochenenden, sind für die Mehrheit unattraktiv. Nicht nur das: Solche Ar- beitsverdichtungen machen Menschen krank – zahlreiche Studien belegen das. Gerade aber in ohnehin schon angespannten Personalsituationen verschärfen solche Ausfälle das Fachkräfteproblem weiter.
Wir brauchen Fachkräfte. Und wir müssen diese Fachkräfte mit attraktiven Arbeitsbedin- gungen binden. Ich denke, darin sind wir uns alle hier einig.
Die Stärkung der Tarifbindung ist hier ein guter Weg, um etwa eine faire Bezahlung durch- zusetzen und wir wollen gemeinsam daran konstruktiv und im Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden arbeiten. Seite 1 von 2 Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sie wollen mit der Erhöhung der werktäglichen Arbeitszeit Arbeitgeber*innen einen Anreiz bieten, Tarifverträge abzuschließen. Ein Ansatz, der ins Leere läuft. Aufgrund der in Pa- ragraf 7, Absatz 3 des Arbeitszeitgesetzes formulierten Öffnungsklausel ist die Anwen- dung einer solchen gesetzlichen Änderung auch für nicht tarifgebundene Unternehmen möglich.
Ich zitiere: „durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Per- sonalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer.“
Hier gibt es keinen Anreiz, vielmehr die konkrete Gefahr, dass Arbeitnehmer*innen durch Einzelvereinbarungen systematisch benachteiligt werden. Und übrigens: Für das von Ihnen benannte Beispiel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, gilt bereits seit letztem Jahr, dass Tarifverträge allgemeinverbindlich sind.
Es gibt andere Wege, um Anreize zu setzen. So könnte man die Tariftreue und faire Löhne gezielt an die Wirtschaftsförderung koppeln, etwa über ein Punktesystem. Das könnte ein viel wirksamerer Hebel sein, um die Tarifbindung mittelfristig zu erhöhen. Un- sere Nachbarn in Mecklenburg-Vorpommern machen das vor. Auch fehlt es an einer Be- ratungsstelle zu diesem Thema, die Unternehmen bei deren Überlegungen unterstützt und Vorteile aufzeigt. Das sind nur zwei Beispiel für Ideen, die das Thema ernst nehmen; die Anhebung der Arbeitszeit auf 13 Stunden tut dies leider nicht.
Schaut man sich die Zahlen des Sozioökonomischen Panels an, dann zeigt sich ein wei- teres Problem: Viele, die in Teilzeit arbeiten, würden gerne mehr Stunden arbeiten. Ge- rade bei geringfügig Beschäftigten ist dieser Wunsch besonders groß. Und was wenig überrascht: Das betrifft in erster Linie Frauen. Insbesondere Mütter arbeiten oft in Teilzeit, im Gegensatz zu den meisten Vätern.
Gelingt es uns hier, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass insbesondere Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt werden, etwa durch eine partnerschaftliche Aufgabenteilung, umfassende und flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie bes- sere steuerliche Anreize für eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Ehefrauen, dann können wir wirklich etwas gegen den Fachkräftemangel tun.
Die angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes bietet die Gelegenheit, Flexibilität und familienfreundliche Arbeitszeiten stärker zu berücksichtigen sowie Anreize für gerechte Teilhabechancen von Eltern am Erwerbsleben zu schaffen.
Klar muss allerdings sein, dass die Bedingung für jede weitere Flexibilisierung, die Ein- haltung grundlegender Aspekte des Arbeitsschutzes ist und das ohne Kompromiss. Nie- mand – und das gilt in erster Linie auch für Arbeitgeber*innen – kann ausgebrannte und überlastete Mitarbeitende gebrauchen. Das, liebe Kolleg*innen, gilt es um jeden Preis zu verhindern.
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