Martin Habersaat und Jette Waldinger-Thiering: Wer keine Erkenntnisse hat, kann auch keine Lösungen entwickeln
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 1 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de PRESSEMITTEILUNG #546–20.03.2023Martin Habersaat und Jette Waldinger-Thiering: Wer keine Erkenntnisse hat, kann auch keine Lösungen entwickeln Was kostet es Eltern, ihr Kind in Schleswig-Holstein in die Schule zu geben? Eigentlich wollten SPD und SSW der Landesregierung bis zum Sommer 2024 Zeit geben, in einer Studie die Zahlen der Vorgänger- studie von 2016 zu aktualisieren. Nachdem CDU und Grüne diesen Antrag ablehnten, legten SPD und SSW eine Große Anfrage vor. Die (fehlenden) Antworten darauf und die heute von GEW, Kinderschutz- bund, Eltern- und Schülervertretungen vorgelegten Zahlen und Forderungen kommentieren Martin Ha- bersaat und Jette Waldinger-Thiering so:Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion:„Der am häufigsten vorkommende Satz in der Antwort auf diese Anfrage lautet: „Zu den Kosten der Eltern liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor“. Das ist kein Wunder, weil Eltern und Schü- ler*innen schlicht nicht befragt wurden. Das passt zur bisherigen Performance von CDU und Grünen: Die Suche nach politischen Lösungen für reale Herausforderungen findet nicht statt. Entweder Probleme werden ignoriert oder es werden Scheinlösungen präsentiert, die nicht einmal annähernd so groß sind wie das Problem. Und es gibt zahlreiche Probleme:Erstens: Die Belastung der Eltern2016 waren es Kosten von 1.000 Euro im Jahr für die Eltern. Allein die Preissteigerungen seitdem führen zu einer Belastung von ca. 1.200 Euro, Eltern und Schüler kamen in ihrer Umfrage 2023 sogar auf 1.300 Euro. Hinzu kommen Kosten für ein digitales Endgerät von etwa 400 Euro sowie die Kosten für einen geeigneten Internetzugang mit ausreichender Bandbreite. Und Verbesserungen sind nicht in Sicht, wer- den von dieser Landesregierung nicht einmal angestrebt. Damit bleiben die Bildungschancen der Kin- der abhängig vom Geldbeutel der Eltern. Wir können nur hoffen, dass CDU und Grüne zur Besinnung kommen und endlich mit uns ein Maßnahmenpaket zur Entlastung der Familien angehen. GEW, Kinder- schutzbund, Eltern- und Schülervertretungen haben heute gute Vorschläge gemacht. Auch wir fordern Höchstgrenzen für Klassenfahrten, digitale Lernausstattung durch den Staat und Absprachen mit den Schulträgern wären drei sinnvolle Maßnahmen.Zweitens: Die Planlosigkeit bei der DigitalisierungAnstatt den Schulen ein digitales Grundkonzept an die Hand zu geben und mit der Umsetzung des Digi- talpakts schon fertig zu sein, hat Frau Prien sich entschieden, das Rad überall neu erfinden zu lassen. Das ist erstens teuer. Wie viel teurer als die Alternativlösung, möchte man seitens der Regierung lieber nicht wissen. Die Kosten für eine zentrale Übernahme der bisher durch die Schulträger erfolgten IT- Ausstattung der Schulen für das digitale Lernen und deren Bewirtschaftung konnten in der Beantwor- tung der Großen Anfrage nicht ermittelt werden. Zweitens dauert es lange und führt drittens dazu, dass Ausstattung und Bedingungen vom Zufall des Wohnortes abhängen. Im Rahmen einer Schulabfrage haben 29 Schulen erklärt, dass für ihre Schülerinnen und Schüler die Pflicht zur Anschaffung digitaler Endgeräte bestehe. Die Kosten belaufen sich dafür auf durchschnittlich 407 Euro. Das ist weit entfernt von der einst vollmundigen Ankündigung von Daniel Günther, der Laptops für alle Schülerinnen und Schüler versprach. Im Rahmen derselben Abfrage haben 22 Schulen erklärt, dass sie von ihren Schüle- rinnen und Schülern im Rahmen des digitalen Lernens die Nutzung kostenpflichtiger Angebote verlan- 1 gen. Welche Angebote und zu welchem Preis? Das sind naheliegende Fragen, die sich die Landesregie- rung lieber nicht stellt.Drittens: Das Milliardenproblem beim SchulbauDie für das Schulbau- und Schulsanierungsprogramm IMPULS 2030 II von den kommunalen Schulträ- gern angemeldeten Vorhaben hatten ein Gesamtvolumen von rd. 1,06 Mrd. Euro. Zur Verfügung standen 120 Millionen Euro, viele Schulträger haben wegen der offensichtlichen Überzeichnung von vornherein darauf verzichtet, Vorhaben zu melden. Der Bedarf wird umso größer, wenn wir mehr als zusätzliche Klassenräume, dichte Dächer und sanierte Toiletten wollen. Der Wechsel von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft bringt neue Herausforderungen für die Schulen mit sich. Schulen entwickeln sich zu Ganztagsschulen, die Inklusion bringt neue Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler mit sich, die Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten. Auch das müsste sich in Schulbauprogrammen abbilden. Müsste…“Jette Waldinger-Thiering, bildungspolitische Sprecherin der SSW-Landtagsfraktion:„Alles wird teurer und wir müssen sehen, wie wir Familien entlasten. Dazu fehlt CDU und Grünen aller- dings der Wille. Der Verweis auf das Perspektivschulprogramm ist zu wenig, weil an allen Schulen des Landes Familien mit zu hohen Kosten konfrontiert sind. Bildungsgerechtigkeit und Lernmittelfreiheit sind offenbar keine Ziele dieser Landesregierung. Seit zehn Jahren gibt es massive Kritik an der Kosten- situation für Eltern und Schüler, seit 2017 passiert hier nichts mehr.Soweit von den Eltern die Beschaf- fung bestimmter Lernmittel verlangt wird, geschieht dies immer im pädagogischen Ermessen der Schu- le und der Lehrkraft. Aber wo ist die Leitlinie aus dem Ministerium, die die Bezahlbarkeit berücksich- tigt? Manche Schulträger stellen Verbrauchsmaterial zur Verfügung, an manchen Schulen müssen Du- den und Atlas nicht gekauft werden. Warum geht das nicht überall? Wo ist der Dialog der Landesregie- rung dazu mit den Schulträgern? Auch die Schulen selbst können viel tun: In der Schulkonferenz wären viele Entscheidungen zur Entlastung von Eltern und Familien zu treffen, aber offenbar wird damit sehr unterschiedlich umgegangen. Ein Beispiel: Die Kosten für Klassenfahrten variieren stark. An den Gym- nasien in Ostholstein ist man im Schnitt mit 643 Euro dabei, Gymnasien im Kreis Segeberg kommen mit 500 Euro aus. Noch größer ist die Spreizung bei den Beruflichen Schulen: In Lübeck fährt man für durchschnittlich 292 Euro, in Rendsburg-Eckernförde für 750 Euro.Während man an Förderzentren im Kreis Herzogtum Lauenburg für 50 Cent frühstücken kann, kostet dieses Angebot an Gymnasien in Kiel 4,00 Euro. Die Kosten für das Mittagessen variieren zwischen 2,10 Euro (Quickborn) und 7,24 Euro (Louisenlund). Die Nachmittagsangebote sind inhaltlich so verschieden wie preislich. Nach den Ergebnissen der vom für Bildung zuständigen Ministerium Ende 2021 beauftrag- ten Sachstandserhebung zum schulischen Ganztag in der Primarstufe liegen die durchschnittlichen Kosten der Eltern im Monat bei rund 170 für 20 Stunden in der Woche, wobei sich regional große Unter- schiede ergeben. Hinzu können weitere Kosten z.B. für das Mittagessen, besondere Angebote, Früh- und Spätbetreuung sowie ein schulisches Ferienangebot kommen. Mit Blick auf das Recht auf Ganztag ab 2026 ist da noch eine Menge zu tun und es wird als Eigenleistung der Bildungsministerin nicht reichen, zunehmend schriller auf Berlin zu schimpfen. Ähnlich bunt sieht es bei den Schülerfahrkarten aus. Lei- der vermeidet die Regierung die Beschreibung, wie bunt genau. Ein weiteres Beispiel von vielen die zeigen, dass man es so genau lieber nicht wissen will.Wir sind sicher: Man sollte es wissen wollen. Das Ziel muss eine echte Lernmittelfreiheit bleiben. Wir bleiben mit den Eltern- und Schülervertretungen im Dialog und entlassen CDU und Grüne nicht aus der 2 Pflicht. Es ist peinlich genug, dass genau die Betroffenen von der Regierung zur Beantwortung dieser Großen Anfrage nicht hinzugebeten wurden.“Material:Große Anfrage Anteile der Eltern an den schulischen Bildungskosten ihrer Kinder sowie Kostenanteile der Schulträgerhttps://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/00700/drucksache-20-00790.pdfBericht der Landesregierung zur Studie 2016https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/4600/drucksache-18-4685.pdf 3