Martin Habersaat zu TOP 36: Experimentierklausel für Schulen - Was soll getestet werden und wieviel darf es kosten?
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 22. Februar 2023Martin Habersaat: Experimentierklausel für Schulen - Was soll getestet werden und wieviel darf es kosten? TOP 36: Gestaltungsräume für Schulen durch Experimentierklausel vergrößern (Drs. 20/722)„Heute will ich mal mit Friedrich Nietzsche anfangen: „In Wahrheit heißt etwas wollen, ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir können; darüber kann uns allein der Erfolg oder Misserfolg belehren.“ Etwas wollen. Was wollen Sie also, meine Damen und Herren von CDU und Grünen? Ein Konzept. Und das wollen Sie nicht etwa selbst entwickeln oder Eckpunkte dafür vorgeben, sondern die Landesregierung soll das tun. Ob der Haushaltsgeber dafür letztlich Mittel bereitzustellen bereit ist, bleibt offen. Und wann wollen Sie das? In etwa einem Jahr. Vermutlich also nach den Abschluss der Haushaltsberatungen für 2024.Im Koalitionsvertrag schreiben Sie: „Schulen werden wir mehr Freiraum und Unterstützung zur Erprobung innovativer Unterrichtsformen im Rahmen einer Experimentierklausel gewähren und dabei mit einem Innovationsfond unterstützen.“ Donnerwetter, das wäre doch was. Leider ist von einem Innovationsfond oder gar dessen Höhe im Antrag nun keine Rede mehr.Zweites Beispiel, Koalitionsvertrag: „Wir werden die Schulen in stärkerem Maße in die Lage versetzen, neue Wege in der Gestaltung von Schule und Unterricht zu gehen.“ Da stellen optimistische Menschen sich sicherlich vor, dass dieses In-die-Lage-Versetzen mittels Geld und Personal geschieht. Oder durch gesetzliche Regelungen, die Zwänge abschaffen und Freiraum geben. Allerdings: Im Antrag sollen Schulen nunmehr „motiviert werden, Freiräume zur innovativen Gestaltung von Schule und Unterricht zu nutzen.“ Motivieren statt In-die-Lage-Versetzen: Nach Analyse von CDU und Grünen sind nunmehr also nicht mangelnde Ressourcen, sondern mangelnde Motivation das Problem. Das wird die Motivation an den Schulen sicher immens steigern! 1 Was wollen Sie nun konkret: „Wege für die Erprobungsmöglichkeiten von Klassenleitungsstunden“ Da brauchen wir keine Experimente, wir wissen: Klassenleitungsstunden gibt es vielerorts. Was wir brauchen, sind Entlastungsstunden für Klassenleitungen. Klassenlehrkräfte sind besonders beansprucht. Pädagogisch, weil sie erster Ansprechpartner für alle Schwierigkeiten sind. Organisatorisch, von der Weihnachtsfeier der Klasse für zur Klassenfahrt. Und durch Sitzungen, Elterngespräche etc. Die SPD möchte Klassenlehrkräfte deshalb und eine Stunde entlasten. Was wollen Sie? Mehr fächerübergreifendes Arbeiten und zusätzliche Möglichkeiten der Leistungsbewertung finden wir im Antrag. In der Begründung wird der Portfoliogedanke genannt. Das unterstütze ich. Dabei geht es um eine lernförderliche Bewertungskultur, um Gespräche über gesammelte Dokumente. Und das sind nicht nur die gesammelten Klassenarbeiten und das Gespräch verkürzt sich nicht auf die Verkündung der Durchschnittsnote. Viele Grund- und Gemeinschaftsschulen arbeiten schon lange mit Portfolios. Vor allem bis Klasse 7, danach müssen sie Noten geben. Macht sich die CDU hier tatsächlich auf einen Weg weg von der Note?Ansonsten erwähnen Sie die Ergebnisse der Regionalkonferenzen der Reihe „Lernen aus der Pandemie: Schule weiterdenken“. Diese hat tatsächlich viele Menschen zusammengeführt, die Schule entwickeln und neu gestalten wollen. Vor ziemlich genau einem Jahr war ich in Lübeck selbst dabei. Im April 2022 veröffentlichte die Bildungsministerin sechs Schaubilder mit den Ergebnissen dieser Konferenzen. Ich greife mal konkrete Maßnahmen, die sich auf diesen Schaubildern finden, heraus:Digitale Geräte für alle SuS & Lehrkräfte - von Daniel Günther 2018 immerhin mal für den Zeitraum von drei bis fünf Jahren angekündigt. Die Frist läuft in diesem Jahr ab und wir sehen: Für ca. 380.000 Schüler*innen hat die Regierung knapp 70.000 Endgeräte beschafft - für die „Bedürftigen“ und aus Bundesmitteln, von denen Daniel Günther 2018 noch nichts wissen konnte. Bei den Lehrkräften sieht die Quote besser aus - allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass ein Drittel der ausgegeben Endgeräte gar nicht in Betrieb genommen wird.Schule als Lebens-, Lern- und Sozialraum - ein wichtiges Thema. Schulen müssen anders aussehen, wenn sie selbstverständlich Ganztagsangebote machen sollen. Aber wie? Wird es Empfehlungen für die bauliche Gestaltung geben? Gibt es da Überlegungen auf Koalitionsseite? Bisher jedenfalls keine feststellbaren… Ewas wollen Sie? 2 Unterstützung durch multiprofessionelle Teams - Sie wähnen sich für diese Legislaturperiode hoffentlich nicht am Ziel, wenn Sie nun Schulverwaltungskräfte erproben? An fünf Schulen? Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: An fünf Schulen soll drei Jahre lang erprobt werden, ob eine zusätzliche Verwaltungskraft den Lehrkräften wohl Arbeit abnehmen kann… Und dann ist die Legislaturperiode leider auch schon vorbei. Wollen Sie das?Fazit: Es bleibt weitgehend im Nebel, was Sie denn nun genau mit ihrer Experimentierklausel meinen und ob sie dafür auch Ressourcen zur Verfügung stellen wollen. Leider auch nach den Reden des heutigen Tages. Das ist umso betrüblicher, als Sie doch irgendeine Vorstellung haben müssen, denn Sie loben ihre Vorhaben selbst als „in dieser Form in Deutschland einzigartig“. Das kann ich Ihnen nur für die Vagheit und Unbestimmtheit des Unterfangens bestätigen. Oder, frei nach Nietzsche: Bevor wir beurteilen können, was Sie können, müssten Sie erste einmal deutlich machen, was Sie wollen!“ 3