Beate Raudies zu TOP 24: Die Finanzministerin hat den Umsetzungsaufwand falsch eingeschätzt
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 27. Januar 2023Beate Raudies: Die Finanzministerin hat den Umsetzungsaufwand falsch eingeschätzt TOP 24: Mündlicher Bericht zum Sachstand der Grundsteuererklärungen (Drs. 20/575) „Ich danke der Ministerin für Ihren Bericht. So richtig überraschend waren die Ausführungen für mich nicht. Bereits mehrfach haben wir uns im Finanz-Ausschuss mit der Umsetzung der Grundsteuerreform in SH beschäftigt. Und von Anfang an konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch in diesem Fall ihre Lösungen nicht zur Größe des Problems passten.Die Finanzministerin hat den Umsetzungsaufwand schlichtweg falsch eingeschätzt und es versäumt, ausreichend personelle und organisatorische Vorbereitungen zu treffen. Die Leidtragenden dieser schlechten Planung waren die BürgerInnen! Zugegeben, die Entscheidung, dass die Abgabe der Erklärung digital erfolgen sollte, haben Sie nicht allein getroffen. Angesichts der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle scheint mir eine andere Lösung auch kaum möglich. Aber wenn wir in den vergangenen Jahren, während der Pandemie eines lernen konnten, dann das: Die Menschen im Land sind nicht so digital affin wie wir es uns wünschen. Es war zumindest mir völlig klar, dass viele Menschen mit der Aufgabe überfordert sein würden, per ELSTER eine Steuererklärung abzugeben. Das fällt ja mir manchmal schon schwer, und ich bin vom Fach!Was hätte es also gebraucht? •Eine breite Informations- und Aufklärungskampagne, und nicht nur Plakate in Rathäusern und Finanzämtern, die man aufgrund der Pandemiesituation teilweise gar nicht betreten durfte.•Ein persönliches Beratungsangebot in den Finanzämtern, nicht nur Telefontermine, die man auch noch digital buchen musste.•Mehr Personal, um dem enormen Erklärungs- und Beratungsbedarf gerecht zu werden, und um Grundsteuererklärungen vor Ort entgegenzunehmen.Zum Glück gab es ja noch die Papiervordrucke! Und die wurden auch gut genutzt! Der Anteil der Papiererklärungen liegt in SH bei mehr als 16 %. Damit diese Erklärungen verarbeitet 1 werden können, müssen sie zum Scannen nach BaWü gefahren werden. Kosten pro Erklärung mindestens 1,02 Euro. Bei 111.524 Erklärungen, die bis zum 31.12. auf Papier eingegangen sind, macht das mindestens 113.750 Euro.Per 31.12. waren 683.170 Erklärungen eingegangen – das war knapp die Hälfte der abzugebenden Erklärungen. Stand heute: Jetzt stellt sich die spannende Frage: Was passiert mit den ausstehenden Erklärungen? In wie vielen Fällen gibt es eine Fristverlängerung? Wann wird gemahnt?Entgegen Aussagen aus dem Ministerium startete die Verarbeitung der Erklärungen nicht sofort im Juli. Per Ende Oktober waren nur 1736 Fälle bearbeitet – ein Bruchteil der damals vorliegenden Erklärungen. Da hat sich gebessert: Am Jahresende waren mehr als ein Viertel der eingegangenen Erklärungen bearbeitet. Erfahrungsgemäß wird sich die Bearbeitungszeit aber wieder verlängern, wenn es an die komplizierten Sachverhalte geht. Es ist Ihre Verantwortung, Frau Finanzministerin, dafür zu sorgen, dass die Bearbeitung jetzt reibungslos läuft. Denn die Kommunen warten auf die Messbescheide, um zu ermitteln, wie hoch die Hebesätze ausfallen müssten, um das Grundsteueraufkommen vor der Reform zu erzielenDie Beschäftigten in den Finanzämtern haben in den letzten Monaten einen Riesenjob gemacht! Dafür danke ich Ihnen auch im Namen meiner Fraktion herzlich! Die Neubewertung ALLER Grundstücke ist eine Jahrhundertaufgabe, und dementsprechend hätte sie vorbereitet werden müssen. Aber nicht nur vom Bund, sondern auch im Land SH! Erschwert wird die ganze Angelegenheit durch die Personalsituation in den Finanzämtern. Schon vor zwei Jahren hatte der Landesrechnungshof folgendes festgestellt: „Die Finanzämter des Landes sind auf diese umfassende Neubewertung weder technisch noch personell vorbereitet. Bereits jetzt schieben die Bewertungsstellen einen Berg von 56.000 unerledigten Fällen vor sich her. Grund dafür ist die Tatsache, dass dort nur 131 Vollzeitkräfte tätig sind. Deutlich zu wenig, wie die hohen Arbeitsrückstände zeigen. Das Finanzministerium hat diesen Zustand zu lange hingenommen. Jetzt ist es in der Pflicht, bis zu 114 zusätzliche Kräfte zu akquirieren, um die Neubewertungen vornehmen zu können. Das Finanzministerium muss deshalb dringend ein Konzept vorlegen, wie es den zusätzlichen Personalbedarf decken will.“ Es war also klar, dass es zu personellem Mehrbedarf kommt. Denn schließlich müssen alle Grundstücke neu bewertet werden, und zwar in sehr kurzer Zeit.Tatsächlich sind von den knapp 3.700 Planstellen in den Finanzämtern 650 nicht besetzt. Selbst mit den zusätzlichen Nachwuchsstellen wird es fast ein Jahrzehnt dauern, bis genug Ersatz da ist, und auch der Einsatz von Tarifbeschäftigten kann diese Lücke nicht schließen. Deswegen werden die Menschen in SH nicht nur lange auf die Bewertung ihrer Grundstücke warten 2 müssen, sondern auch auf die Bearbeitung ihrer Einkommensteuererklärungen. Betriebe werden in SH seltener geprüft als in anderen Bundesländern, vielleicht Steuereinnahmen verschenkt. Und die Beschäftigten? Die sind frustriert, haben das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen und fühlen sich nicht wertgeschätzt. Diesen Missstand hat die Grundsteuerreform jetzt gnadenlos.“ 3