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27.01.23
10:34 Uhr
SPD

Thomas Losse-Müller zu TOP 27: Die „Vor-Ort-Für-Dich-Kraft“ kann die Lücke, die in unseren Sozialsystemen entstanden ist, füllen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 27. Januar 2023
Thomas Losse-Müller: Die „Vor-Ort-Für-Dich-Kraft“ kann die Lücke, die in unseren Sozialsystemen entstanden ist, füllen TOP 27: Mit der Vor-Ort-für-dich-Kraft den Zusammenhalt in Schleswig-Holstein stärken (Drs. 20/585, AltA 20/629) „Lassen sie mich das gleich vorweg nehmen. Der Name Vor-Ort-für-dich-Kraft sorgt auch in unseren Reihen immer noch für Diskussionen. Da ist Marketing-technisch definitiv noch Luft nach oben. Aber damit sind wir nicht allein! Die Kernidee taucht auch in Schleswig-Holstein unter vielen verschiedenen Namen auf: Bei den Dorfkümmer*innen der Akademie für ländliche Räume, dem psychosozialen Quartiersmanagement der „sozialen Stadt“, der Diskussion um die Community Health Nurse. Viele verbinden mit der Idee noch die kirchlich getragenen Gemeindeschwestern, die es überall im Land gab.
Ich bin im letzten Jahr einigen Frauen begegnet, die vor der Pflegereform noch als Gemeindeschwestern gearbeitet haben und seitdem versuchen, das Konzept irgendwie unter anderem Namen aufrecht zu erhalten. Als Allgemeiner Sozialer Dienst in Owschlag oder im Rahmen der Arbeit der Diakoniestation in Uetersen. In Rheinland-Pfalz und Hessen investieren verschiedenfarbige Landesregierungen bereits wieder in die Idee unter den Namen GemeindeschwesterPlus oder Gemeindepfleger*innen. Viele Namen, aber eine Idee: Die Lücke, die in unseren Sozialsystemen entstanden ist, zu füllen. Durch eine Kraft, die vor Ort für die Menschen da ist, die sich kümmern kann, die hilft, die vorbeischaut, die organisiert. Um einen Menschen, dessen Leistung kein isoliertes und kodiertes Produkt ist.
Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten alle Formen der sozialen Hilfen professionalisiert, aber wir haben dies dabei von den Menschen weg organisiert. Damit ich Hilfe erhalte, muss ich zum Produkt passen. Mir ist eine Geschichte besonders im Kopf geblieben. Bei der Diakonie Altholstein rief mal ein Pfarrer an, der Unterstützung für einen Mann organisieren wollte, der ihn angesprochen hatte. Die Diakonie fragte nach seiner Pflegestufe? Er hatte keine. Hat er eine Behinderung? Da gibt es ein spezielles Beratungsangebot. Keine Behinderung. Migrationshintergrund? Da kann ich gleich an die Fachberatung weiterleiten. Nein. Geldprobleme? Da haben wir uns Schuldnerberatung. Nein, keine Geldprobleme, sagt der
1 Pfarrer: Sein Betrieb wurde geschlossen und er braucht einfach mal jemanden zum reden. Das ist die Lücke, die wir schließen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen alle, dass der demographische Wandel, Individualisierung und Mobilität die familiären Strukturen, auf die wir uns lange verlassen konnten, geschwächt haben. Familien werden kleiner, die Kinder ziehen weit weg. Immer mehr Menschen leben allein. Gleichzeitig werden die sozialen Strukturen, die Vereine und Verbände schwächer und älter und fangen weniger auf. Schlimmer noch: Präventive und gesundheitsfördernde Angebote erreichen arme Menschen deutlich weniger. Dafür muss man zu den Menschen nach Hause gehen. Es braucht einen aktiven Staat, der hingeht und hilft.
Ich entnehme dem Antrag der Regierungskoalition, dass Sie diese Analyse teilen. Wir sind da nah beieinander. Und vielleicht finden wir ja auch einen gemeinsamen und unserer modernen Zeit angemessenen Namen. Aber was Ihrem Antrag fehlt, ist die Bereitschaft zu handeln. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich diese Investition lohnt. Es sind genug Mittel im System. Die 100 Stellen werden rund 5 Millionen Euro kosten. Das entspricht noch nicht mal dem, was wir als Förderung für ein einziges zusätzliches stationäres Pflegeheim aufbringen. Anders gesagt: Wenn die 100 Vor-Ort-für-dich-Kräfte jeweils dafür sorgen, dass jedes Jahr nur fünf Menschen gesunder, glücklicher und eigenständiger und länger in ihrer eigenen Häuslichkeit bleiben können, lohnt sich das Projekt bereits. Deshalb wollen wir, dass das Land vorangeht und diese 100 Stellen finanziert. Bei Kommunen, bei anderen Trägern und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Wir wollen lernen, welche Konstellationen funktionieren. Uns ist wichtig, dass wir dieses Konzept jetzt auch in Schleswig-Holstein skalieren, standardisieren und wissenschaftlich evaluieren. Und, ja: Dauerhafte Strukturen sind nur möglich, wenn wir im Bund dafür sorgen, dass wir zukünftig Mittel aus Kranken- und Pflegekassen für diesen Ansatz nutzen können. Das geht zum Teil auch schon, wie wir aus Hessen und Rheinland-Pfalz wissen. Da können wir gemeinsam im Bund für eine Weiterentwicklung im System streiten.
Sie müssen sich aber trauen, den ersten Schritt zu machen. Warum bringen Sie nicht den gleichen Mut auf, wie die Kommunen und Träger, die bereits heute eigenes Geld an dieser Stelle investieren. Wieder einmal versinkt ein vielversprechender Lösungsansatz im Zuständigkeitsgeschacher. Und dazu tragen Sie mit Ihrem Antrag leider bei! Trotzdem. Lassen Sie uns diskutieren. Wir beantragen Überweisung in den Sozialausschuss.“



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