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16.12.22
10:55 Uhr
B 90/Grüne

Lasse Petersdotter zu den Klimaprotesten

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 39 – Radikale Proteste helfen dem Klima nicht Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Vorsitzende Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Lasse Petersdotter: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 313.22 / 16.12.2022

Das Wichtigste ist: mehr Klimaschutz Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte diese Debatte mit drei Sätzen beginnen, die ich in den letzten acht Jahren schon sehr oft gesagt habe. Auf Podien, Parteitagen und auf Demonstrationen: Diese Erde existiert seit über 4,5 Milliarden Jahren. Auf 24 Stunden runtergebrochen leben wir Menschen seit etwa drei Sekunden hier. Und wir haben diesen Planeten in dieser Zeit so dermaßen runtergerockt, dass wir die vierte Sekunde vielleicht nicht mehr erleben wer- den.
Das ist die Lage. Schon heute sind überall auf der Welt die Folgen der Klimakrise offen- sichtlich. Und dazu kommen noch all die anderen Krisen dieser Zeit. Wenn man die Ta- gesschau guckt, fühlt man sich wie in den ersten Szenen eines Roland Emmerich Films. Mit einem Helden, der die Welt vor der Zerstörung retten wird. In der Wirklichkeit ist dieser Held nicht in Sicht.
Ja, das kann einen verzweifeln lassen. Ja, ich habe Verständnis für die Verzweiflung der Aktivist*innen. Und ja, ich habe Verständnis dafür, wenn einen diese Verzweiflung sprich- wörtlich auf die Straße treibt. Protest möchte stören. Und die Straße war dafür immer ein Ort. Für sehr unterschiedliche Belange.
Es ist dünnes Eis, als Parlamentarier die Legitimität von Protest bewerten zu wollen. Ich bin da zurückhaltend. Beispielsweise habe ich die Demos gegen die Corona-Maßnahmen in den letzten Jahren zwar inhaltlich vollkommen abgelehnt, dennoch war es auch mir sehr wichtig, dass trotz aller einschränkenden Maßnahmen solche Proteste stattfinden können und sich zu jeder Zeit gegen uns aussprechen können. Auch auf der Straße.
Klar ist gleichzeitig auch: Es dürfen nie und zu keinem Moment Menschen durch Protest gefährdet werden. Ich kann darüber hinaus verstehen, wenn Bilder von Aktivist*innen, die sich auf die Straße kleben, nicht alle überzeugen. Besonders dann nicht, wenn sie
Seite 1 von 2 sich damit Arbeiter*innen in den Weg stellen. Damit findet die Störung oft bei denen statt, die ohnehin schon einen sehr angespannten Alltag bewältigen müssen. So kann der Ein- druck entstehen, dass sich der Protest gegen die Falschen richtet. Der Akzeptanz für mehr Klimaschutz hilft das nicht.
Aber kommen wir zum Antrag der FDP. Da heißt es: „Extremismus fängt da an, wo Akti- visten für ihren Protest bewusst Gesetze brechen.“
Weil Sie mir sowieso nicht glauben, möchte ich den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, zitieren: „Die letzte Generation ist jetzt tat- sächlich so eine spezielle Gruppierung, die sagen, wir müssen durch spezielle Aktionen auf uns aufmerksam machen. Und das, was sie treiben, das sind tatsächlich auch Straf- taten. Das kann man nicht wegdiskutieren. Aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung nicht extremistisch.“
So ist es. Denn Extremismus ist eine Haltung, die beispielsweise den Staat, die Gesell- schaft und die freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellt. Das tun die Akti- vist*innen aber nicht. Im Gegenteil: Sie fordern die Politik zum Handeln auf. Das Blockie- ren einer Straße ist kein Extremismus.
Diese Differenzierung ist wichtig. Denn was passiert, wenn man nicht differenziert, sehen wir in Bayern. Da hat man ein verfassungsrechtlich hoch fragwürdiges Polizeigesetz ge- schaffen, mit der Möglichkeit einer Präventivhaft über 30 Tage. Immer begründet mit Ter- rorismus. Und beim ersten Windchen des Populismus werden dort Klimaaktivist*innen eingeknastet. Das ist ein Skandal!
Kommen wir zurück zum Extremismusbegriff der FDP: „Extremismus fängt da an, wo Aktivisten für ihren Protest bewusst Gesetze brechen.“
Ihnen ist schon bewusst, dass das Pariser Klimaabkommen in Deutschland einen Geset- zesrang hat, oder? Ihnen ist schon bewusst, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht eingehalten werden? Man könnte sagen, dass dieses Gesetz gebrochen wird.
Vom Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus 2021 wage ich in dieser Argumentati- onskette nicht mal zu sprechen. Dabei handelt es sich sogar um Grundrechte, die nicht eingehalten werden. Sogar, liebe FDP, nicht geachtete Freiheitsrechte!
Wir brauchen mehr Klimaschutz. Wir brauchen wirksameren Klimaschutz. Dafür braucht es Mehrheiten in Parlamenten und vor allem: Mehrheiten in der Gesellschaft für konkrete Maßnahmen.
Aber Aufmerksamkeit braucht es auch. Es wäre schön, wenn Konzepte, Studien und Lö- sungsansätze die gleiche Aufmerksamkeit bekämen.
Machen wir doch mal den Versuch und vergleichen, wie viel Presseaufmerksamkeit die Debatte vom Mittwoch zur Klimaanpassungsstrategie und den Folgekosten der Klima- krise erhielt und erhält und im Vergleich dazu: wie viel Aufmerksamkeit diese Debatte hier bekam und bekommt.
Vielen Dank! ***


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