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25.11.22
10:51 Uhr
B 90/Grüne

Catharina Nies zur Gewalt gegen Frauen

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 37 + 49 – Frauen schützen – Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die frauen- und gleichstellungspolitische Düsternbrooker Weg 70 Sprecherin 24105 Kiel der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Catharina Nies: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 279.22 / 25.11.2022 Schleswig-Holstein geht in Sachen Istanbul Konvention weiter voran!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen!
Heute ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Jedes Jahr am 25. November weisen Medien auf die hohen Fallzahlen hin und Politiker*innen und Prominente positionieren sich, ächten die Gewalt an Frauen. Zu Recht! Aber wieso bekommen wir dieses gesellschaftliche Problem nicht in den Griff?
Es ist zu wenig einmal im Jahr ausführlich über dieses Thema zu debattieren, in der Tagesschau zu berichten und sich die BKA-Statistik genauer anzuschauen. Das ist zu wenig - weil jeden Tag in unserem Land Frauen bedroht, geschlagen und vergewaltigt werden. Und jeden dritten Tag eine Frau getötet – durch ihren Partner oder Ex. Wir müssen das Thema an seiner Wurzel packen.
Deshalb legen wir heute unsere Vorstellungen zu einem Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt vor – und ich finde es ist ein starkes Zeichen, dass wir das mit allen Fraktionen vereint tun!
Wir brauchen einen Präventionsansatz, der vor der Gewaltentstehung ansetzt, dort wo strukturelle Diskriminierung entsteht,dort wo gewaltfördernde Strukturen und Handlungsweisen bewusst oder unbewusst entstehen. Dort wo zu wenig Bewusstsein ist für Gewaltdynamiken und Risikoräume.
Die Zahlen steigen Jahr um Jahr weiter. Die Sprachlosigkeit bleibt bestehen. Wir Frauen sind 50 Prozent dieser Bevölkerung – aber über 80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen. Durchschnittlich jede Stunde erleidet eine von uns dabei eine gefährliche oder schwere Körperverletzung. Für uns Grüne ist der Schutz von Frauen und Mädchen und die konsequente Umsetzung der „Istanbul Konvention“ in Schleswig-Holstein deshalb eines der zentralen politischen Ziele. Seite 1 von 2 Und hierbei ist wichtig das eine zu tun, ohne das andere zu lassen: Um einen effektiven Gewaltschutz zu erreichen, müssen wir konsequent das Hilfesystem ausbauen und an einem ganzheitlichen Präventionsansatz arbeiten. Beides muss Hand in Hand gehen!
Dazu gehört die Finanzierung der Frauenfacheinrichtungen weiter abzusichern und auszubauen. und ihre Ressourcen den sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Deshalb wurde eine stete Erhöhung der Mittel für die Frauenfacheinrichtungen über das Finanzausgleichsgesetz festgelegt und wir haben 2023 bereits über 8,4 Millionen Euro im Topf und 2024 werden es bereits über 8,6 Millionen Euro sein. Ab 2025 erhöht sich dann der jeweilige Vorjahresbetrag weiter um jeweils 2,5 Prozent. Noch 2017 waren es im Vergleich 5,6 Millionen Euro.
Ich sage das so deutlich, denn in keinem anderen Bundesland ist die Finanzierung von Frauenhäusern so gut abgesichert wie in Schleswig-Holstein. Und darauf können wir stolz sein und weiter aufbauen.
Denn gleichzeitig sehen wir: Das die Aufgabenvielfalt der professionellen Stellen sich stetig erweitert und die Einzelfallarbeit immer komplexer wird: z.B. durch aufenthaltsrechtliche Regelungen oder den angespannten Wohnungsmarkt.
Hier ein Beispiel struktureller Gewalt: Weil es an vielen Orten weder „schlüssige Konzepte zur Festlegung von Mietobergrenzen“ gibt., noch jährliche Mietspiegel, können die dortigen Jobcenter sich kaum an den realen Mietpreisen orientieren und diese als „angemessen“ einstufen.
Das erschwert es gewaltbetroffenen Frauen im Sozialleistungsbezug eigenständigen Wohnraum zu finden. Die Verweildauer der Frauen und ihrer Kinder in Frauenhäusern verlängert sich. Das Ausziehen aus der Wohnung mit dem Partner, der sie schlägt, ist kaum möglich.
Wenn eine Frau sich aus einer gewaltvollen Partnerschaft nicht lösen kann, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum gibt, dann haben wir hier ein strukturelles Problem, dass Gewalt ermöglicht – und gemäß Istanbul Konvention ist das „strukturelle Gewalt“. Weil dieser Umstand für eine gewaltbetroffene Frauen eine besondere Härte darstellt und dazu führen kann, dass sie weiter geschlagen wird.
Über solche Zusammenhänge soll das Kompetenzzentrum ein Bewusstsein schaffen. Auch Fachkräfte in der Eingliederungshilfe, im Gebäudemanagement von Landesliegenschaften, aber auch in Jugendämtern und Familiengerichten müssen für die Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt sensibilisiert werden, um das Entstehen von Risikoräumen zu verhindern. Zum Beispiel in Prozessen zum Umgangsrecht. Auch dies muss von Expert*innen begleitet werden – genauso wie die Ausweitung des Hochrisikomanagements.
Dafür brauchen wir das Kompetenzzentrum. Und wie in unserem zweiten Antrag beschrieben, werden wir parallel das Hilfesystem Schritt für Schritt weiter ausbauen. Gleichzeitig werden wir aber auch der Ursachenbekämpfung von Gewalt einen neuen Stellenwert geben.
Gewalt an Frauen ist kein Privatproblem, sondern ein gesellschaftliches, ein Problem unserer inneren Sicherheit. Und ihre Folgen sind immens. Sie macht Frauen psychisch und körperlich krank, fördert Suchterkrankung und Krebs. Sie zerstört Leben, Beziehungen und Existenzen. Sie wirkt sich massiv auf die Persönlichkeitsentwicklung der (mit)betroffenen Kinder aus. Und sie erhöht das Armutsrisiko von Frauen.
Diese gesellschaftlichen Folgen gehen uns alle an. Deshalb danke ich allen Fraktionen, dass wir beide Anträge hier heute gemeinsam stellen.
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