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09.11.22
13:54 Uhr
Landtag

Landesbeauftragte hat Bedenken beim Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen

Nr. 18 / 9. November 2022
Landesbeauftragte hat Bedenken beim Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen hat gemeinsam mit ihren Amtskolleginnen und –kollegen der Länder sowie dem Bundesbeauftragten eine Stellungnahme zum so genannten Triage- Gesetz verfasst. „Der Schutzauftrag, den das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, scheint mir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ganz erfüllt zu sein“, erklärt Pries, „weil die Anhaltspunkte für Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen, nicht vollständig berücksichtigt wurden.“
Der Bundestag plant, diesen Donnerstag (10. November) ein Gesetz zu beschließen, das vor einer Benachteiligung bei der Zuteilung von überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten schützen soll, wenn diese nicht ausreichend vorhanden sind („Triage“). Das Gesetz soll insbesondere vor einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung schützen und bezieht sich zudem ausschließlich auf den Fall knapp werdender Ressourcen im Fall einer übertragbaren Krankheit − wie es beispielsweise bei COVID-19 befürchtet wurde. Zu einer gesetzlichen Regelung war der Gesetzgeber am 16. Dezember 2021 vom Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von Betroffenen aufgefordert worden. Konkret sieht der Entwurf eine Regelung vor, nach der die Entscheidung über die Zuteilung von Behandlungskapazitäten nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten getroffen werden darf. Darüber hinaus enthält der Entwurf Regelungen zum Verfahren, wie die Zuteilungsentscheidung zu treffen ist. Insbesondere die Position der Bundesärztekammer führt jedoch bei den Beauftragten zu erheblichen Bedenken. Diese hatte in der Anhörung zum Gesetzesentwurf angeführt, dass die Abwägung der kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nach medizinischen Kriterien fast unmöglich sei. Jürgen Dusel dazu: „Voraussetzung für die Umsetzung des Gesetzes ist, dass Ärztinnen und Ärzte im konkreten Fall eine verlässliche Aussage darüber treffen können, welcher Patient oder welche Patientin die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hat. Sollte dies nicht der Fall sein, haben wir erhebliche Bedenken, ob das Gesetz, das in dieser Woche beschlossen werden soll, geeignet ist, Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligung zu schützen. Deswegen ist es wichtig, dass die Wirkung des Gesetzes so schnell wie möglich evaluiert wird − unter Berücksichtigung rechtlicher, medizinischer und ethischer Gesichtspunkte. An dieser Evaluation müssen zwingend Menschen mit Behinderungen und ihre Interessenvertretungen beteiligt werden.“ Sollte sich herausstellen, dass die Regelungen des Gesetzes nicht geeignet sind, Menschen mit Behinderungen bei ärztlichen Zuteilungsentscheidungen vor Diskriminierung zu schützen, fordern die Beauftragten, dass der Gesetzgeber umgehend nachsteuert. Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern bedauern außerdem, dass es zu diesem zentralen, auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt betreffenden Thema keinen breit angelegten und öffentlichen Diskurs im Deutschen Bundestag gab.