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29.09.22
16:40 Uhr
SSW

Lars Harms: Schwarz-Grün will den Abbau der Demokratie auf kommunaler Ebene!

Presseinformation Kiel, den 19.09.2022


Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms TOP 19 Kein Demokratieabbau in unseren Kommunen
Drs. 20/226


„Nicht in der Kleinteiligkeit von kommunalen Vertretungen liegt die
Hemmschwelle für demokratisches Handeln. Wohl aber in der Kleinteiligkeit
Schleswig-Holsteins.“

Eines der ersten politischen Ziele dieser Regierung ist die Änderung der Gemeindeordnung. Kaum
mit 2/3- Mehrheit im Land an der Macht, sollen nun die großen Fraktionen in den kommunalen Vertretungen bevorteilt werden. Sie wollen die Größe der Kommunalvertretungen verändern, die Fraktionsstärke entsprechend der Kommune mehr oder weniger willkürlich staffeln und
schließlich die Fraktionsstärke in größeren Kommunen auf drei Mitglieder heraufsetzen.

Aus Sicht des SSW wäre es absolut kontraproduktiv, würde eine Überprüfung der Mitgliederanzahl
in Gemeindevertretungen dazu führen, dass die Vertretungen kleiner werden. Es ist jetzt schon so, dass man aufgrund der Kleinteiligkeit in unseren Kommunen in manchen kleinen Gemeinden 8 bis 10 % der Stimmen benötigt, um überhaupt in der Gemeindevertretung dabei zu sein.
Unseretwegen könnten die Gemeindevertretungen gerne größer werden, vor allem mit einer größeren Anzahl an Fraktionen. Umso besser wird die Gesellschaft widergespiegelt. Umso mehr Stimmen der Bevölkerung, besonders in den großen Kommunen, können so gehört werden. Und
umso bedauerlicher ist es, dass Sie sich nicht einem anderen Aspekt ihres Koalitionsvertrages in

Düsternbrooker Weg 70 Norderstr. 74 24105 Kiel 24939 Flensburg/Flensborg +49 (0)431 - 988 13 80 +49 (0)461 - 144 08 300 ( ( 2

Ihrem 100-Tage-Programm verschrieben haben, nämlich der Entwicklung funktionaler und finanzieller Anreize für freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden. Sind diese nämlich größer, könnte man auch größere Gemeindevertretungen bilden und wäre womöglich nicht nur auf eine
Einheitsliste zur Kommunalwahl angewiesen. Da hätten Sie den SSW an ihrer Seite gewusst. Wir brauchen Anreize für Kommunen für freiwillige Gemeindefusionen. Denn die bisherigen Argumente für größere Kommunen sind weiter gültig.
Nicht in der Kleinteiligkeit von kommunalen Vertretungen liegt die Hemmschwelle für demokratisches Handeln. Wohl aber in der Kleinteiligkeit Schleswig-Holsteins. Wenn in Kleinstgemeinden nur noch eine Liste antritt, anstelle von mehreren Parteien, dann sind
Wahlmöglichkeiten einfach sehr begrenzt.

Nun haben wir uns immer wieder gefragt, was die eigentliche Intention der Regierungsparteien
und -fraktionen ist. Als Minderheitenpartei kennen wir die Arbeit kleinerer Fraktionen in den Kommunen besonders gut. Und wir wissen, dass sie oftmals einfach wegen der Personenanzahl noch mehr auf einen Arbeitsapparat im Hintergrund angewiesen sind. Im Koalitionsvertrag
schreiben Sie: „Ziel ist, das kommunale Ehrenamt und die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen zu stärken.“ Und unter Punkt 41 des 100-Tage-Programms hübschen Sie ihre Änderung der Gemeindeordnung mit dem Prüfauftrag auf, das Wahlrecht im Hinblick auf
mehr Stimmengerechtigkeit überarbeiten zu wollen. Wie Sie dann dabei zu dem Schluss kommen, es wäre dienlich, politische Mitbestimmung zu behindern und die Stimmen von kleinen Fraktionen
einzuschränken, ist mit wirklich schleierhaft.

Denn was bedeutet denn Ihr Vorhaben? Vor allem große Unterschiede in der täglichen Arbeit. Erstens, die Ratsleute verlieren ihr Stimmrecht in den Ausschüssen, wo der wichtigste Teil der
politischen Arbeit geschieht. Zweitens, den Ratsleuten der kleinen Fraktionen wird ohne die hauptamtliche Unterstützung der Geschäftsführungen die Arbeit enorm erschwert. Sie müssten neben dem ehrenamtlichen
Engagement in den kommunalen Vertretungsorganen nun Öffentlichkeitsarbeit machen, Veranstaltungen organisieren, Termine und Anträge koordinieren. Drittens, den Kommunen wird zusätzliche Verwaltungsarbeit aufgebrummt. Denn, was bisher
noch keine Rolle gespielt hat: wir haben Kommunen, in denen die Arbeit, die die Geschäftsführungen ausführen, von den Ratsleuten bisher so gar nicht übernommen werden 3

kann. Um Anträge zu koordinieren, einzureichen oder abzuändern, brauchen Sie aus Sicherheits- und Datenschutzgründen Zugriff auf einen städtischen Rechner. Ratsleute sind dazu nicht befugt und müssten also bei Verlust des Fraktionsstatus auf die kommunale Verwaltung zugreifen. Sie
sorgen hier also auch noch für eine Mehrbelastung der Verwaltung.

Was Sie mit Ihrer Gemeindeordnungsreform erreichen werden, ist das Gegenteil von
Stimmengerechtigkeit und Stärkung des kommunalen Ehrenamtes. Sie werden die großen Fraktionen stärken, indem Sie die Kleinen schwächen. Sie werden politische Teilhabe beschränken, politisches Handeln erschweren und die Vielfalt der politischen Meinungsbildung eingrenzen. Ich
wünsche mir, dass diese Debatte viel Aufmerksamkeit bekommt, dass die Bürgerinnen und Bürger wirklich mitbekommen, was Sie hier vorhaben. Denn das, was hier passieren soll, ist nichts anderes als der Abbau der Demokratie auf kommunaler Ebene!

Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/