Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
28.09.22
15:25 Uhr
SPD

Birte Pauls zu TOP 38: Wirkliche Teilhabe und wirkliche Selbstbestimmung umsetzen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 28. September 2022
Birte Pauls: Wirkliche Teilhabe und wirkliche Selbstbestimmung umsetzen TOP 38: Anhebung des Landesblindengeldes und Einführung eines Gehörlosengeldes (Drs. 20/254) „Vor 40 Jahren wurde das Blindengeld in Schleswig-Holstein eingeführt. Es beträgt zurzeit 300€, 400€ für taublinde Menschen und 200€ für Jugendliche. Es wird einkommensunabhängig gezahlt. Sollte eine Pflegestufe bestehen, wird das Blindengeld gegengerechnet. Zweck des Blindengeldes ist es, dass die Betroffenen sich Hilfe zum Beispiel in Form von Begleitung, Hilfe im Haushalt oder zum Lesen organisieren können - oft zu sehr niedrigen Stundenlöhnen. Das war dann für die Nachbarin oder Schülerin typisch, die für 5€ hier punktuell geholfen hat. Für ein selbstbestimmtes Leben und durchgängige Teilhabe ist das Blindengeld jedenfalls nicht geeignet. Das ist aber unser Anspruch. Wir möchten, dass Menschen egal mit welcher Behinderung ein selbstbestimmtes Leben führen können und ihre Teilhabe gesichert ist bzw. von der Gesellschaft organsiert wird. Deswegen finden wir es absolut richtig, dass es seit Einführung des Bundesteilhabegesetzes im Jahre 2020 einen Rechtsanspruch auf Assistenz gibt. Die persönliche Assistenz kann je nach Bedarf und eigenen Vorstellungen des Menschen mit Behinderung im Alltag eingesetzt werden z.B. im Haushalt, bei der Arbeit, in der Schule, bei der Ausbildung, beim Studium, im Urlaub oder anderen Freizeitaktivitäten. Dabei kann es sich zum Beispiel bei Gehörlosen um die dolmetschende Assistenz, die individuell zu Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten begleitet, handeln. Für Behördengänge und Arztbesuche gibt es einen zusätzlichen Rechtsanspruch, der zusätzlich finanziert wird. Andere wiederum benötigen eine Assistenz rund-um-die-Uhr.
Das Budget wird individuell bemessen- allerdings werden die Familieneinkünfte bewertet. Der Betroffene plant nach den eigenen Vorstellungen und gestaltet selbst den Plan für zeitliche, örtliche und inhaltliche Assistenz. Das Ziel ist es, die Fremdbestimmung einzugrenzen und gleichzeitig die individuelle Teilhabe zu fördern. Die Assistenz wird leider nicht einheitlich gezahlt. Es braucht auch leider keinerlei Grundkenntnisse oder Vorbereitungskurse als Voraussetzung.



1 Wenn ich bedenke, dass im Rahmen des Pflegeentlastungsbudgets eine Schulung von 20 Stunden die Voraussetzung für niedrigschwellige Begleitung und Angebote ist, finde ich es eigentlich mehr als erstaunlich, dass es bei der Ausübung für die Assistenz von Menschen mit Behinderungen keinerlei Voraussetzungen gibt. Schließlich entsteht eine sehr persönliche oft auch körperliche Nähe. Haben wir hier eine Lücke im System oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Auch wenn sich mit dem persönlichen Budget, dem Budget für Arbeit und Ausbildung vieles regeln lässt, brauchen wir ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein, dass Teilhabe eine Selbstverständlichkeit wird. Ich denke da bloß an den Anfang der Pandemie. Es brauchte ganze drei Pressekonferenzen der Landesregierung und etliche Telefonate, auch unsererseits, bis ein Gebärdensprachdolmetscher zur Stelle war. Das hatte die Landesregierung nicht bedacht. Auch die letzten Pressekonferenzen der Landesregierung waren wieder ohne Dolmetscher. Das können sich Gehörlose mit einem Gehörlosengeld dann auch nicht kaufen. Das Dolmetschen muss viel mehr selbstverständlich werden, andere Länder machen es uns vor. Ich kann verstehen, dass gefragt wird, warum in anderen Bundesländern Gehörlosengeld, wie z.B. in Berlin im Rahmen des Landespflegegeldgesetzes 153,09€, für Gehörlose gezahlt wird und in Schleswig-Holstein nicht. Warum bekommt jedoch die Rollstuhlfahrerin, der Autist, der Mensch mit Downsyndrom oder anderen Einschränkungen, die auch oft einen finanziellen Mehraufwand haben, keinen finanziellen Nachteilsausgleich vom Land?
Ich finde wir müssen das noch relativ neue Bundesteilhabegesetz finanziell so ausstatten und gestalten, dass die Teilhabe für alle Menschen mit Behinderungen individuell möglich ist. Da sind die Bedarfe nun einmal unterschiedlich. Der Wohnort sollte jedenfalls nicht über den finanziellen Zuschuss entscheiden. In vielen Gesprächen, die ich zu dem Thema geführt habe, höre ich, dass die Anerkennung auf Assistenzleistungen oft noch ein Kampf mit den Behörden darstellt. Sätze aus dem Integrationsamt, wie man es mir kürzlich zeigte, „Sie haben aber auch eine teure Behinderung“ dürfen nicht sein! Lassen sie uns das Gesetz so anwenden, dass wirkliche Teilhabe und wirkliche Selbstbestimmung auch umgesetzt wird.
Zum Schluss möchte ich dem Gehörlosenverband SH herzlich zum 140-jährigen Jubiläum gratulieren.“



2