Lasse Petersdotter zur Isolationspflicht
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin TOP 21+22+39 – Fundiert Handeln – Entscheidungen auf Claudia Jacob wissenschaftlicher Grundlage treffen Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Lasse Petersdotter Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Nr. 166.22 / 01.09.2022Es wäre ärgerlich, im September eine Entscheidung zu treffen, die im Oktober wieder umgedreht werden müsste Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,die pandemische Lage in Schleswig-Holstein und in Deutschland sowie in vielen anderen Ländern hat sich eklatant verändert und das ist gut so. Wir sind in einer Entwicklung hin zu einer endemischen Lage. Herr Garg, ich möchte zu ihrem Beitrag aber noch eine Er- gänzung machen. Es wirkte in ihrem Wortbeitrag nämlich so, als würde man die endemi- sche Lage anhand der politisch geltenden Maßnahmen messen. Das ist mit Nichten so. Die Bewertung hat auch damit zu tun, ob es lokal etwa vermehrt regionale Ausbrüche gibt oder ob es eine gewisse Konstanz bei dem Infektionsgeschehen gibt oder nicht. Wenngleich das Infektionsgeschehen immer schwieriger messbar geworden ist, weil man zu einem anderen Testregime übergegangen ist, und es gleichzeitig zu einem ganz an- deren Umgang mit Corona in der Gesellschaft gekommen ist.Deswegen finde ich, dass es relativ schwierig ist, festzustellen, ab wann wir in einer en- demischen Lage sind. Da gibt es ja keine Stufen, die gegangen werden können, oder bestimmte Zeitpunkte, an denen man sagen kann: „jetzt ist die Pandemie vorbei und die Endemie beginnt“. Es sind laufende Prozesse, die immer wieder neu bewertet werden müssen. Und diese immer wieder neuen Bewertungen müssen auch bedeuten, dass wir die Lage in Schleswig-Holstein ständig prüfen. Und ebenso selbstverständlich auch die Maßnahmen ständig prüfen und solche, die bisher sinnvoll waren, jetzt anders bewerten, weil sie nicht mehr zur Gesamtlage des Infektionsgeschehens passen. Ein Beispiel hier- für wären etwa die anlasslosen Tests.Deshalb hat sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung im Zusammen- hang mit dem Infektionsschutzgesetz auch sehr kritisch geäußert, ebenso wie bei der 3- Monats-Regel, die, wie ich finde, sehr überraschend kam und welche ich so vorher nicht Seite 1 von 3 in vielen Debatten wahrgenommen habe. Aber vielleicht wurden die Debatten auch an- ders oder woanders geführt.Und ja, zu diesen Maßnahmen gehört auch die Isolationspflicht. Die Isolationspflicht ist wahrscheinlich noch eine der größten Einschränkungen, die durch eine Corona-Infektion auf Menschen zukommt. Aktueller Stand ist, dass man sich mit Corona fünf Tage isolieren muss. Es ist relativ egal, wie die Welt nach diesen fünf Tagen aussieht und ob man da- nach noch einen positiven Test hat oder nicht. Man kann dann wieder zur Arbeit gehen oder andere Dinge tun, wenn man gesund ist. Warum hadern wir Grüne dann jetzt aber trotzdem mit einer Abschaffung der Isolationspflicht?Das erste Argument ist, dass wir diese Entscheidung jetzt gerade aus einer Sommersitu- ation heraus treffen würden. Und die Sommersituationen, das haben wir auch in den letz- ten beiden Jahren erlebt, sind nicht immer ganz übertragbar auf das, was im Winter und Herbst auf uns zukommt. Und es wäre sehr ärgerlich, wenn man jetzt, im September, eine Entscheidung treffen würde, die gleich im Oktober oder November wieder umgedreht werden müsste, weil sich die Lage womöglich wieder geändert hätte. Deswegen hadern wir gerade mit Hinblick auf den jetzigen Zeitpunkt.Das zweite ist, und das wurde hier auch schon gesagt, eine Infektion ist immer noch nicht ungefährlich. Die Gefahr von Long Covid besteht immer noch, deswegen ist es immer noch besser, sich nach Möglichkeit nicht zu infizieren und deshalb ist eine Infektion nicht egal. Das ist etwas, was durch einen Wegfall der Isolationspflicht zumindest zu Schwie- rigkeiten führen kann.Das Dritte ist, dass die Ansteckungsgefahr bei Symptomfreiheit nicht wegzureden ist. Auch symptomfreie Menschen können ansteckend sein. Mit Sicherheit weniger anste- ckend, aber sie können eben auch ansteckend sein und sind sich dieser Gefahr für an- dere dann womöglich nicht ganz bewusst und wollen diese Gefahr für andere womöglich auch nicht sein. Auf jeden Fall gibt es eine Ansteckungsgefahr.Der vierte Punkt ist, dass es den Druck erhöht, trotz Infektion arbeiten zu gehen. Natürlich haben wir Regeln, die sagen, wer krank ist, geht nicht arbeiten. Aber wir erleben es doch auch bei allen anderen Krankheiten, etwa einer Grippe, bei der sich Menschen eigentlich auch krankmelden sollten, dass diese trotzdem arbeiten gehen. Und dieser Druck erhöht sich immer mehr, je stärker ich von diesem Job und auch von den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten abhängig bin. Wenn gerade nicht die Unter- und Überstunden gezählt wer- den, sondern wenn ich tatsächlich auf den Stundenlohn angewiesen bin und am Ende des Monats nur das Geld bekomme, was ich wirklich gearbeitet habe. Und das ist ein Risiko, dass Menschen, die sich an Corona infiziert haben, eben trotzdem zur Arbeit ge- hen, auch wenn sie keine Symptome haben. Und diesen Druck auf einige Teile unserer Gesellschaft müssen wir in der Abwägung berücksichtigen.Als Gegenargument lasse ich gelten, dass solche Personen sich dann gar nicht erst tes- ten lassen würden. Das ist tatsächlich ein Konflikt, über den wir nachdenken müssen. Und deswegen sage ich ja auch nicht, dass es eine der wahnsinnigsten Ideen sei, die Isolationspflicht abzuschaffen. Aber das sind die Gründe, weswegen unserer Auffassung nach durchaus eine Skepsis und ein Hadern angemessen sind.Wenn es dann heißt, uns fehlen die Fachkräfte und die Leute, die arbeiten gehen, weil diese aufgrund dieser Regel in Isolation sind, möchte ich entgegnen: ja, das stimmt, aber die Probleme sind da strukturelle. Wir erleben gerade im Gesundheitsbereich, dass die- ses Argument häufig in der Öffentlichkeit genannt wird, aber der Pflegenotstand bestand 2 auch schon vor Corona und wir müssen, um den Fachkräftemangel zu bewältigen, viel- mehr in der Struktur verändern, als die Isolationspflicht zu reduzieren. Das darf nicht gel- ten.Wie kam es zur Isolationspflicht? Diese Maßnahme geht auf eine Einschätzung des RKI von Anfang dieses Jahres zurück. Wir sind bislang in den letzten Jahren sehr gut damit beraten gewesen, die Einschätzungen des RKI gewichtig zu berücksichtigen. Damit das aber weiterhin sinnvoll möglich ist, braucht es auf der anderen Seite auch eine aktuali- sierte Bewertung zu dieser Frage. Wir können nicht mehr auf die Einschätzung aus dem März zurückgreifen. Es braucht da jetzt eine Neubewertung. Die kann zum gleichen Schluss kommen, aber sie muss eben auf der aktuellen Situation basieren.Es gibt auf der anderen Seite nämlich auch sehr gute Argumente für eine Abschaffung der Isolationspflicht und Menschen, die mit einer hohen Fachkompetenz ihre Einschät- zung dazu abgegeben haben. Wie zum Beispiel Professor Rupp aus dem Expert*innenrat der Landesregierung, der sich sehr deutlich für eine Abschaffung der Isolationspflicht ausgesprochen hat. Und genau diese Bewertungen müssen wir unbedingt berücksichti- gen. Deswegen halte ich es für richtig, jetzt auch parlamentarisch, diese Position im Aus- schuss zu diskutieren und zu einer abgewogenen Lösung zu kommen. Und das sollte nicht ewig dauern, das muss zügig passieren. Aber eben gut fundiert, wohl überlegt und auch mit der Bereitschaft, die eigene Position zu verändern. Immer der Lage angemes- sen und nicht den bisherigen Wordings, die man hatte, sondern in der Sache.Vielen Dank. *** 3