Christopher Vogt zu TOP 1 "Aktuelle Stunde zur Regierungsbildung"
30.06.2022 | Aktuelle StundeChristopher Vogt zu TOP 1 "Aktuelle Stunde zur Regierungsbildung" In seiner Rede zu TOP 1 (Aktuelle Stunde zur Regierungsbildung) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:„Es hat alles etwas Positives: Es gibt keine AfD und keine Scheiben im Plenarsaal mehr. Beides sollte dauerhaft so bleiben.Zunächst möchte ich dem Herrn Ministerpräsidenten zu seiner Wahl und allen anderen Regierungsmitgliedern zu ihrer Ernennung gratulieren! Im Interesse unseres Bundeslandes wünsche ich Ihnen im Namen der FDP- Fraktion eine glückliche Hand! Die werden Sie mit Sicherheit auch brauchen, denn unserem Bundesland stehen wegen der sehr angespannten internationalen Lage und den strukturellen Herausforderungen unseres Landes harte Jahre bevor. Und die Erwartungen an Sie sind hoch: Sie hatten eine sehr erfolgreiche Vorgängerregierung und bilden jetzt als ‚Liebesheirat‘ eine große Koalition.Die Landesregierung muss deshalb in den kommenden Jahren gleich in mehreren Bereichen richtig abliefern: Einfach nur ‚Kurs zu halten‘ wird da leider nicht ausreichen. Es ist ja kein Geheimnis: Die FDP hätte sehr gerne weiterhin Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein übernommen, um dieses Land weiter nach vorne zu bringen. Und ich finde – bei aller Bescheidenheit – dass sich unsere Regierungsbilanz wirklich sehen lassen kann. Vor allem in der Wirtschaftspolitik, bei der Modernisierung der Infrastruktur, beim Breitbandausbau, im Verkehrsbereich oder auch bei den Krankenhäusern und natürlich auch beim Pandemiemanagement.Der Ministerpräsident hat zuletzt ja keine Gelegenheit ausgelassen, die FDP-Regierungsmitglieder über den grünen Klee zu loben. Die FDP-Fraktion teilt die Einschätzung uneingeschränkt, dass unsere Minister Garg und Buchholz und ihre beiden Staatssekretäre absolute Leistungsträger in der Landesregierung waren und das Land maßgeblich vorangebracht haben. Es war aber eben auch allein die Entscheidung des Ministerpräsidenten, diese Leistungsträger jetzt vor die Tür zu setzen und er muss jetzt zeigen, dass er Menschen berufen hat, die mindestens das Gleiche leisten in den nächsten Jahren.Viel ist über die Sondierungen gesprochen worden: Die Grünen wollten kein Jamaika, die CDU wollte kein schwarz-gelb. Der Ministerpräsident meinte, er müsse an das ‚Wohl des Landes‘ denken und deshalb mit den Grünen regieren. Die Wahrheit ist doch: Daniel Günther möchte mit einer möglichst großen Mehrheit regieren und dementsprechend eine möglichst kleine Opposition haben, weiterhin lagerübergreifend wirken und ‚everybody’s darling‘ bleiben, damit er seine kleine Chance auf eine CDU- Kanzlerkandidatur der Union wahren kann. Seiner Logik folgend dürfte es demnach nur noch große Koalitionen geben.Ich sehe das anders: Demokratie besteht daraus, dass man konfrontativ ist und Argumente hat, die aufeinanderprallen. Ich bin der Meinung, dass der Weg von Daniel Günther für die Zukunft dieses Landes der falsche ist, denn ein klarer Kurs wird mit dieser ‚Koalition der Gegensätze‘ sehr schwierig werden. Die Grünen wollen in vielen Bereichen ja beinahe das Gegenteil von dem, was die CDU will. Der Ministerpräsident soll sich auch nicht täuschen, er wird eine schlagkräftige Opposition bekommen.Ich halte es – gerade in diesen schwierigen Zeiten – für ein ganz schlechtes Signal, dass der Ministerpräsident – entgegen der Tradition – vor der Sommerpause keine Regierungserklärung abgeben will. Gerade in diesen Zeiten, gerade bei dieser Regierungsbildung, muss man vieles erklären. Erst dachte ich, dass sei irgendwie die ‚Arroganz der Macht‘ der neuen grünen GroKo. Das mag auch zutreffend sein. Nachdem ich mich jedoch einmal komplett durch die 244 Seiten des Koalitionsvertrages gequält habe, glaube ich tatsächlich auch, dass die Regierung ihr Arbeitsprogramm durchaus erstmal sortieren muss.Der Koalitionsvertrag ist ja außergewöhnlich umfangreich. Aber trotz der extrem vielen kleinteiligen Themen und Projekte, die Erwähnung finden, ist er bei den wichtigen Themen oft seltsam vage und schlichtweg unambitioniert. Viele wichtige Fragen bleiben offen – vor allem, wenn es um die Finanzierung geht. Das Lieblingswort ist „‘prüfen‘: Weit über 100 Mal werden damit Punkte angesprochen und jeder weiß, dass das Thema damit schlichtweg erwähnt werden soll, aber keine konkreten Maßnahmen beschlossen werden sollen.Was wir aber positiv finden: Viele Projekte der erfolgreichen Jamaika- Koalition sollen fortgeführt werden. Das gilt interessanterweise insbesondere für den Wirtschafts- und Verkehrsbereich, für die Kita- Reform und für die Gesundheitspolitik. So schlimm kann die FDP-Bilanz also nicht gewesen sein, wie die Grünen in unserem skurrilen Dreier- Sondierungsgespräch behauptet haben. k ld h h hlk f b lf Monika Heinold hatte uns ja auch im Wahlkampf in bester ‚Ralf-Stegner- Manier‘ eine marktradikale Haltung vorgeworfen, weil wir die Mietpreisbremse und ein Tariftreue- und Vergabegesetz abgelehnt haben. Beides hatten wir in Jamaika gemeinsam abgeschafft. Und bei der Durchsicht des Koalitionsvertrages musste ich feststellen: Beides steht wieder nicht im Koalitionsvertrag! Dass Monika Heinold zum zweiten Mal in Folge einen marktradikalen Koalitionsvertrag unterschrieben hat, ist schon erstaunlich. Wie Herr Koch bereits erwähnt hat, besteht die ‚schwarze Handschrift‘ vor allem darin, möglichst unkonkret nichts Neues zu wagen – das ist im schlechtesten Sinne konservativ!Beim Klimaschutz wollen Sie ehrgeizig sein. Sie wollen sogar riskieren, dass die Akzeptanz bei der Windenergie wieder flöten geht .Und Ihre Solarpflicht für private Wohnhäuser ist einfach nur unsinniger grüner Dirigismus: Wenn es sich für die Menschen lohnt, braucht es keinen Zwang! Derzeit sind da doch eher die unsinnige Bürokratie und die extrem langen Lieferzeiten das Problem! Das gilt übrigens auch für WärmepumpenWenn Sie jedoch selbst die Verantwortung tragen, lässt der Anspruch spürbar nach: Den Schienenverkehr wollen Sie erst ab 2030 emissionsfrei machen – warum nicht schon ab 2026, wie wir es vorgeschlagen hatten? Auch bei der energetischen Sanierung von Landesliegenschaften sieht es dünn aus. Das Klimaschutz-Förderprogramm muss wirklich effektiv sein und darf keine Subventionierung von grünen Besserverdienern werden! Ihre Pläne zum Flächenverbrauch sind widersprüchlich und schlichtweg unrealistisch, wenn Sie wirklich was voranbringen wollen. Bauen und Wohnen dürfen kein Luxus werden, es braucht endlich weniger und nicht immer mehr Vorgaben. Der vom Ministerpräsidenten großspurig angekündigte Bürokratieabbau fällt nicht nur aus, sondern es wird sogar mehr Bürokratie geben. Bei der notwendigen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger machen Sie sich einen schlanken Fuß: Die Grundsteuer und die Straßenausbaubeiträge werden nicht einmal erwähnt. Anstatt der überfälligen Senkung der Grunderwerbsteuer soll es eine bürokratische Eigenheimzulage geben, die zudem familienpolitisch fragwürdig ist. Sie fordern an mehreren Stellen mehr Geld vom Bund, treffen aber keine konkrete Aussage zur zukünftigen Investitionsquote, zur weiteren Senkung der Kita-Gebühren, zu den neuen Stellen bei den Lehrkräften und bei der Polizei.Zur Regierung selbst: Es gibt jetzt einen Koalitionspartner weniger, aber dafür zwei neue Ministerposten und vier zusätzliche Staatssekretäre. Das ist ein fatales Signal und nicht vermittelbar. Zwei Millionen Euro dafür sind einfach zu viel! Jedes Regierungsmitglied hat eine faire Chance bei der Bewertung durch die Opposition verdient. Zweifel sind aber dennoch erlaubt. Ich finde es mutig und richtig, dass der Ministerpräsident mit der Übernahme der Digitalisierung die Verantwortung für das Gelingen bei diesem Megathema übernommen hat. Die Trennung des Agrar- und des Umweltministeriums ist Unsinn, davor haben eigentlich alle Fachleute gewarnt – auch Werner Schwarz selbst, der jetzt als Fachmann Verantwortung übernimmt. Hier ist Dauerstreit vorprogrammiert.Dass das extrem wichtige Gesundheitsressort ins Justizministerium verlagert werden soll, finden wir einfach nur daneben! Die Beschäftigten aus der Gesundheitsabteilung haben gerade während einer Pandemie nun wahrlich Wichtigeres zu tun, als Umzugskisten zu packen! Dass das wichtige Thema Pflege offenbar im Sozialministerium verbleiben soll, macht das Ganze noch absurder. Auch unserer Justiz werden Sie damit nicht gerecht! Angeblich wollten die Grünen nicht für das Gesundheitsressort verantwortlich sein. Wenn das stimmt, sollten sich die Grünen zum weiteren Pandemiemanagement mit Forderungen zurückhalten. Wir sind sehr gespannt auf die Performance der neuen Ministerin, die uns in den Corona-Anhörungen nicht gerade als Verteidigerin der Bürgerrechte aufgefallen ist.Der neue Wirtschaftsminister Madsen ist auch eine interessante Personalie: Däne, früherer Unternehmer, wir wünschen Ihnen viel Glück! Wir haben jedoch auch unsere Zweifel am Erfolg und wundern uns, dass das Vermasseln einer Gartenschau für diesen wichtigen Job qualifizieren soll. Das darf sich bei Northvolt nicht wiederholen. Es steht auch die spannende Frage im Raum: Wann genau hat der Ministerpräsident diese Personalie eingetütet? Offenkundig war dies ja bereits vor der Landtagswahl der Fall, was die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten erheblich in Zweifel zieht hinsichtlich der Frage nach einem erneuten Jamaika-Regierungsbündnis.Wir werden die uns zugewiesene Oppositionsrolle und den Verfassungsauftrag aus Artikel 18 sehr ernst nehmen und eine sehr konsequente, aber auch konstruktive Opposition sein, die auch immer wieder Alternativen zur großen Koalition aufzeigen wird.“ Sperrfrist Redebeginn!Es gilt das gesprochene Wort Christopher VogtVorsitzenderKontakt:Eva Grimminger, v.i.S.d.P.PressesprecherinTel.: 0431 988 1488fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.deFDP-Fraktion Schleswig-Holstein, Düsternbrooker Weg 70, 24105 KielE-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: www.fdp-fraktion-sh.de