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07.06.22
11:45 Uhr
Landtag

Kristina Herbst zur neuen Landtagspräsidentin gewählt

Nr. 51 / 7. Juni 2022


Kristina Herbst zur neuen Landtagspräsidentin gewählt

Der 20. Schleswig-Holsteinische Landtag hat heute (Dienstag) Kristina Herbst in seiner konstituierenden Sitzung zur Parlamentspräsidentin gewählt. Die CDU als stärkste Fraktion hatte die 44-Jährige für das Amt nominiert. Herbst erhielt 57 Stimmen der 69 Abgeordneten.
Mit ihrer Wahl übernahm Herbst die Leitung der Plenarsitzung von Alterspräsident Peter Lehnert. In ihrer Antrittsrede richtete die Landtagspräsidentin den Blick auf die neue Wahlperiode und die Herausforderungen der kommenden Jahre für das Parlament.
Zur Person:
Kristina Herbst wurde am 24. August 1977 in Bremen geboren, lebt in Kiel und ist Mutter von drei Kindern. Die Diplom-Kauffrau war zunächst in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und später im Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzministerium tätig und von 2017 bis 2022 Staatssekretärin im Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung. Herbst ist die dritte Frau an der Spitze des Schleswig-Holsteinischen Landtages.


Die Rede von Landtagspräsidentin Kristina Herbst im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich mich herzlich beim Kollegen Peter Lehnert für seine souveräne Amtsführung als Alterspräsident bei der Eröffnung und der Durchführung der ersten Entscheidung der 20. Legislaturperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages bedanken.
Sehr geehrter Herr Alterspräsident, lieber Kollege Lehnert,
Sie haben uns in Ihrer Rede auf die kommenden Herausforderungen dieses Hauses hingewiesen. Ich freue mich auf ein gutes Miteinander, denn wir können diese Herausforderungen nur gemeinsam erfolgreich bewältigen. 2

Noch mehr aber möchte ich in diesem Augenblick und im Namen des gesamten Hauses Klaus Schlie danken, der heute – für uns alle ungewohnt – auf der Besuchertribüne Platz genommen hat. Klaus Schlie hat das Amt des Landtagspräsidenten in den vergangenen zehn Jahren mit Leidenschaft und Herzblut ausgefüllt. Durch sein großes Engagement ist in dieser Zeit unglaublich viel bewegt worden. Manchmal ist er dabei an die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit gestoßen. Und so freuen wir uns umso mehr, dass Du, lieber Klaus, gesund und munter bei uns bist. Von ganzem Herzen wünsche ich, wünschen wir Dir und Deiner Familie Kraft und vor allem Gesundheit für Deinen über alle Maßen verdienten Ruhestand.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nun aber gilt es, Ihnen Dank zu sagen: Für Ihr Vertrauen, das Sie mir mit der Wahl zur Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages ausgesprochen haben. Für mich ist es eine unglaublich große Ehre, die Geschicke dieses Hauses in so herausgehobener Position zu lenken.
Seien Sie versichert: Es wird mein wichtigstes Bestreben sein, den Landtag würdig nach außen zu vertreten und nach innen alles dafür zu tun, dass die Arbeit des Parlaments und seiner Abgeordneten den hohen Ansprüchen unserer demokratischen Grundordnung genügen wird.
Ich will Ansprechpartnerin für alle Fraktionen gleichermaßen sein und überall dort, wo es nötig ist, den Dialog herstellen oder dazu beitragen, ihn zu befördern. Ich bin Präsidentin des gesamten Parlaments – eine Verpflichtung, der ich mich mit allen meinen Kräften stellen werde und auf die ich mich freue.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
einen konkreten Handlungsplan für die kommenden fünf Jahre werde ich Ihnen heute nicht vorstellen. Wir haben gerade in der jüngsten Vergangenheit immer wieder erleben müssen, dass unsere parlamentarische Arbeit den Unwägbarkeiten oft kurzfristiger, manchmal dramatischer Entwicklungen unterliegt, auf die wir als Parlament schnell reagieren müssen.
Ich möchte Ihnen heute vielmehr einen Handlungsrahmen vorstellen, der uns – vergleichbar wie ein Kompass – in dieser Legislaturperiode zur Navigation und Orientierung unseres Handelns dienen sollte.
In den letzten Jahren meiner politischen Tätigkeit hat sich, unabhängig welches Thema gerade erörtert wurde, eine Parallele immer wieder aufgetan: Nahezu jedes Thema konnte man gesellschaftlich mit den Werten, Leitlinien und Herausforderungen des Sports zusammenbringen.
Ich bin auf Grundlage dieser Erfahrungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Sport für die Politik in vieler Hinsicht ein wichtiges Leitbild sein kann, ja, ist.
Ein Leitbild, das auch bei der parlamentarischen Arbeit in den kommenden Jahren dazu beitragen kann, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, zu bewältigen. Bevor ich näher darauf eingehe, lassen Sie mich zunächst diese Herausforderungen im Einzelnen aufzeigen. 3

Wir erleben schon seit einigen Jahren einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Die voranschreitende Digitalisierung hat uns allen viele Möglichkeiten eröffnet – sei es im weltweiten Kontakt miteinander oder auch in der Kommunikation politischer Inhalte.
Zugleich birgt dieser Prozess eine ganze Reihe von Gefahren in sich. In der Informationsflut wird es immer schwieriger, gesellschaftlichen Konsens über das herzustellen, was uns allen wichtig ist und nicht nur dem oder der Einzelnen.
Wir erleben einen Prozess der gesellschaftlichen Fragmentierung und der Zementierung von Gräben. Die vielfältigen digitalen Kommunikationswege führen leider auch dazu, dass Teile unserer Gesellschaft entweder gar nicht mehr miteinander sprechen, oder sich in menschenverachtenden Hassmonologen über die anderen ergehen. Die demokratische Öffentlichkeit, wie wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sie kennen und auch benötigen, löst sich zunehmend auf. Auch an diesem Thema müssen wir arbeiten.
Hier sollten wir selbstkritisch den Blick auf die Kommunikation innerhalb der Parlamente werfen und uns fragen, ob auch wir nicht allzu oft über das parteipolitische „Schwarz“ und „Weiß“ in der Debatte das „Grau“, oder besser gesagt, das „Bunt“ vergessen. Ein „Bunt“, das der Lebenswirklichkeit der Menschen weitaus mehr entspricht und das die Grundlage für eine realistische und vor allem machbare Politik bildet.
Unsere Gesellschaft ist vielfältiger geworden. Eine Tatsache, die uns alle erfreut. Zugleich aber sind viele Herausforderungen der Migration allzu lange ignoriert worden. Die Generation der jungen Menschen fühlt sich oft in wichtigen Fragen nicht gehört und in ihren Anliegen nicht vertreten.
In diesem Hause sitzen Vertreterinnen und Vertreter ganz unterschiedlicher Generationen mit verschiedenen Lebensläufen. Das macht den Charakter eines Parlamentes – der repräsentativen Demokratie – ja gerade aus. Der Reiz der neu beginnenden Wahlperiode könnte darin liegen, dass gerade die jungen Abgeordneten vielen Themen und Anliegen Gehör verschaffen, die manchmal eben nur leise erörtert werden. Machen wir uns gemeinsam diesen Umstand zunutze und versuchen noch stärker als bisher und insbesondere bei all unseren Entscheidungen die Anliegen sämtlicher, vor allem der jungen Generationen, zu berücksichtigen.
Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist klar: Die heute schon mit aller Deutlichkeit spürbaren Auswirkungen des Klimawandels, die Erfahrungen der Corona-Pandemie und nicht zuletzt die durch den Krieg gegen die Ukraine völlig veränderte politische Situation in Europa und der Welt versetzen viele Menschen in Unsicherheit und Sorge.
Diese Sorgen müssen wir sehr ernstnehmen. Diese Sorgen müssen uns verleiten, uns mit aller Kraft den Themen zu widmen, in denen wir als Landtag auch Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz besitzen. Denn es besteht die Gefahr, dass sich Menschen zunehmend von der Politik abwenden. Dabei ist die sinkende Wahlbeteiligung nur eine, aber für eine demokratische Gesellschaft besonders schmerzhafte Folge dieses Vertrauensverlusts der Menschen in die Politik. 4

Wie können und wie müssen wir als Parlament darauf reagieren?
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir brauchen eine Politik, die die Menschen mitnimmt. Das ist ein Satz, den wir alle schnell unterschreiben können. Aber fragen wir uns kritisch: Benutzen wir zur Erklärung unseres Handelns eine Sprache, die die Menschen verstehen?
Hier kommt der Sport ins Spiel. Seine grundlegenden Ideen und Werte sind weitaus mehr Menschen in unserem Land vertraut, als die Grundlagen und Spielregeln unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Diese Ideen und Werte eignen sich hervorragend dafür, einen neuen Weg der Politik in unserem Land und auch in unserem Parlament erfolgreich zu gestalten und die Menschen dabei sehr viel stärker mitzunehmen.
Der Sport lehrt uns Teamgeist, den Wert ehrenamtlichen Engagements und er ist ein hervorragendes Mittel der Integration und Inklusion von Menschen ganz verschiedener Herkunft. Der Sport vereint die Generationen miteinander, er ermöglicht jedem Menschen eine Teilhabe, er vermittelt das Gefühl von Gleichwertigkeit.
Sport schafft Gemeinsinn. Er lehrt uns Wichtiges für das Leben, er fördert den Wettbewerb und fordert dafür zugleich die Einhaltung von strikten Regeln auf Grundlage gegenseitigen Respekts. Sport erfordert Ausdauer, Hingabe, Herzblut.
Und: Sport lehrt uns, dass Niederlagen nicht das Ende der Welt bedeuten.
All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sehr viel mit dem zu tun, was und wie wir hier im Plenarsaal debattieren, handeln und entscheiden. Sport ist nicht nur Spiel. Und die Politik ist kein Spiel und darf kein Spielball in den Händen der Politikerinnen und Politiker sein. Unser Handeln, unsere Entscheidungen haben Auswirkungen auf uns alle, auf die Menschen in unserem Land: die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins. Dessen müssen wir uns stets bewusst sein.
Die Arbeit des Parlaments ist Kernbestandteil unserer Demokratie. Deshalb kann es uns nicht gleichgültig sein, ob die Menschen, die uns auf Zeit als Abgeordnete gewählt haben, auch wirklich nachvollziehen können, was wir hier in ihrem Namen diskutieren und vereinbaren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wiederholt wurde hier im Plenarsaal und andernorts auf die Bedeutung der Transparenz demokratischer Entscheidungsprozesse gedrungen. Das ist richtig, aber wir müssen diesen Anspruch auch einlösen.
Im 21. Jahrhundert, in einer digitalen und mobilen Welt, muss auch dieser entscheidende Ort der Demokratie in unserem Land noch digitaler, ja, noch ernsthaft nachhaltiger und transparenter werden. Wir dürfen den Kontakt zu denen nicht verlieren, für die er einzig und allein da ist: für die Menschen unseres Landes. 5

Die Nachhaltigkeit unserer Politik – auch im ganz Konkreten – und die Transparenz der im Landtag getroffenen Entscheidungen sind Aufträge der Wählerinnen und Wähler, die wir glaubhaft und mit Nachdruck umsetzen müssen.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag ist dabei nicht die einzige politische Ebene, auf der sich die Politik wieder das Vertrauen der Menschen erarbeiten muss.
Die kommunale Ebene – unsere Kreise, Städte und Gemeinden – in denen die politischen Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar sichtbar werden, ist mindestens ebenso entscheidend.
Nehmen wir auch Impulse aus den Kommunen auf und geben wir von hier aus Impulse in diese Richtung. Ich weiß, dass viele von Ihnen auch kommunalpolitisch engagiert sind – seien Sie hier Vermittlerinnen und Vermittler unseres Anliegens, und zwar in beide Richtungen.
Bei dieser Vermittlung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wieder die Grundwerte und Kompetenzen des Sports eine gute Orientierung. Lassen Sie uns die vor uns liegende Zeit also nutzen, in dem eben beschriebenen Sinne „sportlicher“ zu werden.
Besinnen wir uns auf die Kraft einer Idee, die Vielfalt fördert und Gemeinsamkeiten stärkt, auf eine Kraft, die Menschen Wege zur Teilhabe und aktiven Teilnahme an Politik aufzeigt und ihnen das Gefühl gibt, dass ihre Stimme, ihre Sorgen und ihre Anliegen zählen, gehört und gesehen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Schleswig-Holsteinische Landtag ist ein offenes Haus, so habe ich ihn selbst erlebt und das wird er in meiner Präsidentschaft auch bleiben. Der Start ist heute, mit der ersten Sitzung des neuen Landtages. Lassen Sie uns die Aufgaben, die auf uns warten, gemeinsam angehen.
Ich wünsche uns viel Ausdauer bei der Bewältigung dieser Herausforderungen, einen respektvollen und fairen Umgang miteinander in der Entscheidungsfindung und vor allem Mut zu Entscheidungen, die Bestand haben werden und das Vertrauen der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in ihr Parlament stärken.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen. Unsere Arbeit beginnt jetzt!