Landesbeauftragte erklären sich zum Recht auf Teilhabe an Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus
Nr. 8 / 25. März 2022Landesbeauftragte erklären sich zum Recht auf Teilhabe an Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus Der Bundes- und die Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen befassten sich auf ihrem 63. Treffen mit einer umfangreichen Tagesordnung. „Unser turnusmäßiges Treffen wurde überschattet von den aktuellen Ereignissen in der Ukraine. Wir tauschten uns neben dem Programm zur Aufnahme flüchtender Menschen mit Behinderungen intensiv aus,“ sagt Michaela Pries, die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Schleswig-Holstein.Im Rahmen einer zweitägigen Konferenz waren wesentliche Aspekte für mehr Teilhabe und Barrierefreiheit diskutiert worden. Das Programm enthielt Beiträge von Expertinnen und Experten aus Verwaltung und Wissenschaft. Wesentliche Beiträge kamen auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR), die Mit-Gastgeber für das Treffen war, sowie dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR). Angesichts des Krieges in der Ukraine und der wachsenden Zahl an Flüchtenden nahmen die Beauftragten auch und wiederholt die besonderen Belange von Geflüchteten mit Behinderungen in den Blick.Dr. Christian Walbrach, aktuell Vorsitzender der Konferenz der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern, betonte die Bedeutung des Tagungsthemas. „Gerade Aktivitäten im Sport, in der Freizeit und der Kultur besitzen einen enormen Lebenswert, für alle Menschen und vor allem auch in Krisenzeiten. Wir müssen diese Rechte auf Teilnahme, Teilhabe und Teilgabe zu jeder Zeit sichern. Diese Rechte sind keine Geste der Wohltätigkeit, sondern Ausdruck unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses.“ „Teilhabe an Freizeitaktivitäten sollte kein Luxus sein, sondern etwas ganz Selbstverständliches, das allen Menschen offensteht. Besonders in Krisenzeiten hat sie eine wichtige ausgleichende Wirkung. Deswegen dürfen wir in unseren Bemühungen, auch hier für mehr Inklusion zu sorgen, nichtVerantwortlich für diesen Pressetext: Michaela Pries, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Die Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation nachlassen“, so Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. „Dabei ist Barrierefreiheit stets auch eine Frage der Qualität und ein Zeichen von Fortschritt. Sie muss konsequent vorangebracht werden. Dafür müssen sich alle Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dazu bekennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern eine konsequent an den Menschenrechten und der UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichtete Politik in Deutschland ein. Die konkreten Forderungen finden sich in der am 25.03.2022 durch die Beauftragten beschlossene Magdeburger Erklärung (siehe unten).Magdeburger ErklärungMenschen mit Behinderungen und ihr Recht auf Teilhabe an Sport, Freizeit, Kultur und TourismusDie Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen setzen sich für eine an den Menschenrechten und der UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichtete Politik in Deutschland ein. Während ihres 63. Treffens am 24. und 25. März 2022 haben sich die Beauftragten vorrangig mit dem Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus befasst. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet alle Vertragsstaaten Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben, an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ergreifen. In Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus sind Barrierefreiheit und Inklusion für eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von zentraler Bedeutung. Barrierefreiheit ist das grundlegende Gestaltungsprinzip zur Gewährleistung der gleichberechtigten und wirksamen Teilhabe Aller. Durch Barrierefreiheit der physischen, bebauten Umwelt, von Gütern und Dienstleistungen, von Informationen und der Kommunikation ist Menschen mit Behinderungen der Zugang in gleicher Weise möglich wie Menschen ohne Behinderungen. Barrierefreiheit ist stets auch eine Frage der Qualität. Dafür müssen sich viele Akteur*innen einsetzen und Entscheidungsträger*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich dazu klar bekennen. Inklusiv ausgerichtete, barrierefreie Angebote auf den Gebieten Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus erfordern finanzielle Ressourcen für Neu-, Um- und Ausbauten, verstärkte bewusstseinsbildende Öffentlichkeitsarbeit, Personalmittel und gezielte Formate der Partizipation.Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern fordern deshalb:Verantwortlich für diesen Pressetext: Michaela Pries, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Die Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation Menschen mit Behinderungen nehmen gleichberechtigt an Aktivitäten des Sports teil Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf sportliche Betätigung. Dieses Recht verpflichtet, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Vereinen und weiteren sportlichen Angebotsstrukturen zu fördern. Inklusiver Sport verlangt, dass Sportvereine sich sowohl stärker den Bedarfen von Menschen mit Behinderungen zuwenden, als auch das Interesse am Sport wecken. Strukturen der Unterstützung, Assistenz und Beratung müssen auf- und ausgebaut werden, um die nachhaltige Nutzung sportlicher Angebote zu ermöglichen. Die UN-BRK zielt auf den barrierefreien Zugang zu Sport- und Spielstätten ab. Kommunen und Träger von Einrichtungen müssen ihre Sportstätten im Bestand sowie bei Neubauten barrierefrei gestalten. Der Ausbau inklusiver Sportangebote und barrierefreier Sportstätten ist kontinuierlich fortzuführen. Unsere Forderungen sind: • Inklusion bei sportlichen Wettbewerben umsetzen – bis hin zu Olympischen Spielen, Paralympics, Deaflympics und Special Olympics • umfassende Barrierefreiheit in allen Sportstätten • strukturelle Verbesserung und Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Sport einschließlich der Gewährleistung notwendiger Mobilität und Assistenzleistungen • Ausbau der Inklusion in den Verbands- und Organisationsstrukturen des Breiten-, Leistungs- und Gesundheitssports • Ausbildung und Qualifizierung von Übungsleiter*innen und Trainer*innen mit und ohne Behinderungen im Rahmen inklusiver Sportangebote • Profilierung der Außenwirkung erzielter Ergebnisse des inklusiven Sports • Gründungen und Erweiterungen von Netzwerken zum Aufbau lokaler Unterstützungsstrukturen für den inklusiven Sport • Abbau von Berührungsängsten oder Vorurteilen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen durch Ideen und kreative Aktionen • Ausbau des Einbezugs der Expertise der Expert*innen mit und ohne Behinderungen bei der Entwicklung inklusiver SportangeboteMenschen mit Behinderungen nehmen gleichberechtigt an Aktivitäten der Freizeit teil Aktivitäten in der Freizeit können Benachteiligungen und Ausgrenzungen entgegenwirken. Sie liefern einen wichtigen Beitrag für Partizipation und Emanzipation. Die Angebote zur Freizeitgestaltung müssen für alle Menschen barrierefrei auffindbar, zugänglich und nutzbar sein; nicht nur Teilnahme, sondern aktive Teilhabe sind dabei zu gewährleisten. Unsere Forderungen sind: • Sensibilisierung der Akteur*innen und Verantwortungsträger*innen im Freizeitbereich für die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderungen • Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und finanzieller Unterstützung für das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Assistenz und Gewährleistung der BarrierefreiheitVerantwortlich für diesen Pressetext: Michaela Pries, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Die Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation • barrierefreie, niedrigschwellige Informationen über den Stand der Barrierefreiheit von Freizeitangeboten sowie Werbekampagnen über inklusive Freizeitangebote und Ehrenamtsstrukturen (z.B. Leichte Sprache) • Fortbildungen, Leitfäden oder Handreichungen für das Personal von Freizeitangeboten und Ehrenamtsstrukturen • barrierefreie Gestaltung von Freizeitangeboten • Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen als Expert*innen für ihre eigenen Belange und Entwicklung von Möglichkeiten der gezielten Beteiligung an Planungs- und Gestaltungsprozessen • Aufnahme der Ziele der UN-BRK in die FördervoraussetzungenMenschen mit Behinderungen sind Teil des kulturell - künstlerischen Lebens und gestalten es aktiv mit Alle Menschen haben das Recht am kulturell-künstlerischen Leben teilhaben zu können, unabhängig davon, ob sie selbst Kultur schaffen oder Kulturangebote nutzen. Die Vielfalt in der Gesellschaft ist in der aktiven Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen als Kulturschaffende sicher zu stellen. Zugänglichkeit, Auffindbarkeit und Nutzbarkeit von Orten der Kultur müssen gewährleistet sein. Die kulturellen Darbietungen oder Dienstleistungen müssen zudem ermöglichen, eigenes künstlerisches Potenzial zu entfalten. Für Menschen mit Behinderungen ist die Möglichkeit, kulturell-künstlerische Aktivitäten selbst auszuüben und Kultur in ihrer Vielfalt zu erleben sicherzustellen. In Produktion, Präsentation, Vermittlung und Rezeption von Kunst und Kultur müssen Menschen mit Behinderungen gefördert werden. Kunst und Kultur sind für alle da. Kulturstätten jeglicher Art sind barrierefrei vorzuhalten. Unsere Forderungen sind: • Barrieren an kulturellen Orten sind zu reduzieren bzw. abzuschaffen und weitere barrierefreie Kultur- und Kunstangebote auszubauen • Schaffung oder Verbesserung der Kommunikationsangebote in Galerien und Museen (z.B. Informationen in Leichter Sprache, Brailleschrift, Audiodeskription, Gebärdensprache) • Verbesserung des Zugangs zu Kulturinstitutionen durch angemessene Vorkehrungen und sozial gerechte Eintrittspreise • Vermittlungsangebote inklusionsorientiert gestalten (z.B. Relaxed Performances in Theatern oder barrierefreie Kunstvermittlung in Museen) • Zugang zu und Förderung von Ausbildung in Kunst und Kultur für Menschen mit Behinderungen, von der frühkindlichen Bildung bis hin zur universitären Ausbildung und bei Stipendien • mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen im Kultursektor sowie inklusive Kulturprojekte und Teams • Einsatz von Kulturvermittler*innen mit Behinderungen als Expert*innen in eigener Sache in Museen und Kulturstätten • Budget für Inklusion sollte in Förderprogrammen mitgedacht werden und eine Beratung und Sensibilisierung der Förderer für inklusive Bedarfe muss geschaffen werden • barrierefreie Zugänge, Buchungsmöglichkeit und Nutzbarkeit von Kultur- und Tourismusportalen sowie der medialen Infrastruktur der gesamten kulturellen Service- und NutzungsketteVerantwortlich für diesen Pressetext: Michaela Pries, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Die Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation • Prüfung der Möglichkeiten zur Förderung von kulturellen, künstlerischen und sonstigen Freizeitangeboten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen • Sensibilisierung des Personals in Kulturstätten für die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen • anbieterinitiierte Kooperation mit Expert*innen in eigener Sache bei der Konzipierung und Umsetzung kulturell-künstlerischer Projekte • Ermöglichung innovativer Organisations- oder Beschäftigungsformen im Kunst- und Kulturbereich (z. B. Budget für Arbeit, Inklusionsbetriebe oder Gründung von anderen Leistungsanbietern)Menschen mit Behinderungen können alle touristischen Angebote uneingeschränkt nutzen Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf barrierefreies Reisen. Deshalb ist es wichtig, barrierefreie Tourismusangebote zu schaffen. „Tourismus und das Reisen für Alle“ muss programmatischer Leitgedanke bei der Angebotsentwicklung, dem Marketing und beim kulturellen Erleben sein. Barrierefreiheit ist Qualitätsmerkmal und dient als Markenzeichen des zeitgemäßen Tourismus in Deutschland. Anspruchsgerechte Anbieter*innen sollten sich diesbezüglich und als Anreiz durch ein Gütesiegel auszeichnen. Unsere Forderungen sind: • Verbindliche gesetzliche Verpflichtung zur umfassenden Barrierefreiheit touristischer Angebote und Dienstleistungen privater Anbieter – das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungs-Gesetz entsprechend anpassen. • barrierefreie Reisen und Reiseketten sowie barrierefreie Destinationen • barrierefreie Angebote in allen Bereichen des Tourismus • Verinnerlichung der wirtschaftlichen und sozialen Vorteile von barrierefreiem Tourismus niedrigschwellige, barrierefreie Informationen und Werbung für barrierefreie Reiseziele und Tourismusangebote • barrierefreier Zugang und Erreichbarkeit zu touristischen Angeboten und Reisezielen sowie Barrierefreiheit der für Aufenthalte notwendigen Einrichtungen • weitere Zertifizierung barrierefreier Angebote und damit ein höheres Maß an Transparenz und Verlässlichkeit • Beteiligung von Menschen mit Behinderungen als Expert*innen bei der Identifizierung und Weiterentwicklung barrierefreier Tourismusangebote • Handreichungen und Leitlinien zur Entwicklung barrierefreier Angebote • Verbesserung der Auffindbarkeit und Nutzbarkeit von Informationsangeboten zum barrierefreien Reisen • Sensibilisierung von Anbieter*innen für die Barrierefreiheit Die Magdeburger Erklärung und die in ihr enthaltenen Forderungen wurden am 25. März 2022 durch die Beauftragten einstimmig verabschiedet.Magdeburg, 25.03.2022Verantwortlich für diesen Pressetext: Michaela Pries, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Die Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation