Voß zu den Kriegsauswirkungen auf Energie- und Landwirtschaft
PresseinformationEs gilt das gesprochene Wort!TOP 27+38+42+43+44+48+48A – Für eine leistungs- und Landtagsfraktion wettbewerbsfähige Wehrtechnikbranche – Sicherheits- und Schleswig-Holstein Verteidigungsindustrie als nachhaltig einstufen; Bericht zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Land- und Pressesprecherin Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein; Bericht zu den Claudia Jacob Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Wirtschaft in Landeshaus Schleswig-Holstein; LNG-Terminal in Brunsbüttel als Multi- Düsternbrooker Weg 70 Energie-Terminal zügig realisieren; Energiesouveränität vo- 24105 Kiel ranbringen; Energieversorgung sichern – Erdölförderung be- Zentrale: 0431 / 988 – 1500 fristet gestatten; Välkommen northvolt – Schleswig-Holsteins Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Westküste wird zum Vorzeigestandort für nachhaltige Indust- Mobil: 0172 / 541 83 53 rieansiedlung presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Dazu sagt der energie- und landwirtschaftspolitische Nr. 075.22 / 23.03.2022 Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,Bernd Voß:Krisen müssen gemeinsam gedacht und zusammen ge- löst werden – gerade jetzt brauchen wir nachhaltige LandwirtschaftSehr geehrte Damen und Herren,der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat bereits großes Leid gebracht, in allererster Linie für die Ukrainische Bevölkerung. An erster Stelle unserer Überlegungen muss daher die Frage stehen, wie wir unterstützen können, bei der Lebensmittelversorgung der Menschen in der Ukraine, bei der Versorgung des Viehs und bei der Aufrechterhaltung der Nahrungsmit- telerzeugung im Land; soweit das überhaupt möglich ist. Darum begrüße ich, dass im BMEL ein Koordinierungsstab eingerichtet wurde, der dafür sorgt, dass Nahrungsmittel mit LKWs an die Grenze und in die Ukraine geliefert werden; und auch viel bereits geliefert wurde.Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Krieg ist aber auch in seinen Auswirkungen auf die weltweite Ernährungslage gravierend und treibt mit den Energiepreisen zugleich die Getrei- depreise in die Höhe. Zum einen liegt das am hohen Exportanteil der Ukraine und Russlands bei Weizen, Mais und Ölsaaten. Zum anderen an der Verteuerung von energieaufwendig erzeugtem Stickstoffdünger.Von höheren Getreidepreisen sind vor allem die Länder im globalen Süden betroffen, die stark von Lebensmittelimporten abhängig sind. Das sind Länder des nördlichen Afrikas wie Ägypten, Libyen, Tunesien, aber auch asiatische Staaten wie Indonesien, Bangladesch, Pa- kistan und andere. Darum müssen wir an zweiter Stelle darüber nachdenken, wie wir diesen Ländern helfen können. Dazu braucht das Welternährungsprogramms der Vereinten Natio- nen mehr Mittel, um die Kostenexplosion bei der Nahrungsmittelhilfe aufzufangen. Darum ist Seite 1 von 4 es gut, dass sich bereits am 11. März die Agrarminister*innen der G7-Länder auf Einladung Cem Özdemirs zusammengefunden und sich auf Unterstützung der Hilfsorganisationen, ein Offenhalten der Märkte und eine verstärkte Marktbeobachtung zur Verhinderung von Nah- rungsmittelspekulation verständigt haben.Darüber hinaus müssen wir die Entwicklungszusammenarbeit verstärken, um zu helfen, die Fähigkeit zur Eigenversorgung und die Situation der Kleinbauern in diesen Ländern zu ver- bessern. Eine Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bei höheren Militär- ausgaben darf es nicht geben. Wir werden deutlich nachlegen müssen.Auch wenn die nicht zu begreifenden Schrecken des Krieges in der Ukraine alles überlagern: Wir müssen den Krisen gebündelt vorbeugen und diese auch zusammen lösen. Ich kann den Vorschlägen, die jetzt in Sachen Agrarpolitik, auch hier im Hause, als pauschaler Reflex kom- men, nur zurückweisen. Hier wird eine sogenannte 4-Prozent-Flächenstilllegung, die im Zuge der Agrarreform ab 2023 kommt, herangezogen, um ein Bild zu zeichnen, dass es hier um die Vernichtung einer Fläche ginge, die sonst der Ernährung zur Verfügung stünde. Circa 2 Prozent sind mindestens Landschaftselemente wie Bäume und Knicks, Kleingewäs- ser. Das sind Flächen, die zum Beispiel Randstreifen mit geringen Ertragserwartungen sind. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Fruchtfolgen für eine Ertragsstabilität, Boden- fruchtbarkeit und damit langfristige Ertragssicherheit.Die Grenzen der Düngeverordnung aussetzen zu wollen ist doch völlig widersinnig. Gerade bei hohen Stickstoffdüngepreisen sollten und werden die Betriebe doch alles daransetzen, die organischen Dünger wie Gülle möglichst sparsam und effizient zu verteilen. Natürlich müssen Fläche und Tierbestände wieder mehr zusammengebracht werden. Die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und Biodiversitätsstrategien der EU versenken zu wollen, schlägt dann wirklich dem Fass den Boden aus. Mit diesen Strategien werden langfristige Ziele ver- folgt, die der Ertrags- und Versorgungssicherheit bei uns dienen – dazu gehört eben elemen- tar Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität.Damit will ich das Problem des Hungers nicht kleinreden. Bereits durch Corona hatte sich die Lage verschärft, wurden weltweit zusätzlich 141 Millionen Menschen in akuten Hunger ge- trieben. Diese Zahl stammt von Martin Frick, der Leiter des Berliner Büros des Welternäh- rungsprogramms. Die zu erwartenden Auswirkungen des Krieges in der Ukraine bezeichnet er als dramatisch. Er sagte aber auch, in einem Interview am 10. März: „Lokale Märkte spielen eine ganz wesentliche Rolle, denn 80% der Welternährung wird immer noch von Kleinbäue- rinnen und Kleinbauern produziert. […] Die Covid-Krise und die Schockwellen des Ukraine- Konflikts zeigen, dass wir resiliente, lokalisierte Nahrungsmittelsysteme brauchen.“ Stattdes- sen darben aber die kleinen Erzeuger*innen in vielen Ländern vor sich hin, haben nur unzu- reichend Zugang zu Land und Ressourcen, die regionalen Lebensmittelmärkte sind durch Importe geschwächt und die Menschen in den Städten ernähren sich mehr und mehr von Importprodukten.Wir können daher diese Debatte nicht losgelöst von einer entwicklungspolitischen Debatte führen. Wir müssen unsere Landwirtschaft nachhaltig aufstellen, jetzt erst recht. Herr Profes- sor Taube hat uns das im Agrarausschuss auch klar dargelegt. Eine Reduzierung der mine- ralischen Stickstoffdüngung ist nicht nur möglich und sinnvoll, sondern sogar geboten. Der anfallende organische Dünger kann besser genutzt und verteilt werden. Stickstoff gibt es ge- nügend in der Luft, er kann durch Leguminosen und Fruchtfolgegestaltung für die Pflanzen nutzbar gemacht werden. Was wir brauchen ist eine bessere Verteilung von Lebensmitteln, Finanzhilfen für das Welternährungsprogramm, ein Lebensmittelrettungsgesetz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln - 30-40 Prozent landen im Müll, mehr Kreislaufwirtschaft, 2 das heißt flächengebundene Tierhaltung, und ausgewogenere Flächennutzung - 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird für den Anbau von Futtermitteln und Kraftstoffen genutzt.Sehr geehrte Damen und Herren, bisher habe ich wenig zu den Auswirkungen für die Men- schen in Schleswig-Holstein gesagt. Es war mir wichtig, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Doch werden auch hier die Lebensmittelpreise ansteigen, zwar nicht dramatisch, aber so, dass es für Menschen mit geringem Einkommen spürbar wird. Dem muss durch gezielte entlastende Maßnahmen für vulnerable Gruppen entgegengewirkt werden. Aber auf keinen Fall mit der Gießkanne.Und unsere Bäuer*innen, die ohnehin durch die erforderliche Transformation der Landwirt- schaft sehr gefordert sind, müssen und wollen wir unterstützen, die erforderlichen Anpassun- gen zu leisten. Ich begrüße daher sehr, dass der Bundeslandwirtschaftsminister bereits erste Maßnahmen getroffen hat, um die Landwirtschaft zu entlasten und auch unsere Landesre- gierung für den 11. April zu einem Ernährungsgipfel eingeladen hat.Ich komme zur Energie. Hier ist über Jahrzehnte eine Energiepolitik, der billigen fossilen Energien ausgelebt worden: Kohle, Öl und Gas. Diese Politik hat uns in eine dramatische, einseitige Abhängigkeit getrieben. Es geht um mehr als die Grenzen der Globalisierung und der Abhängigkeit von Lieferketten, die schon mit der Pandemie sichtbar geworden sind. Es geht um eine verantwortungsvolle Energieaußenpolitik, eben auch Sicherheitspolitik und in ihrer Komplexität auch Friedenspolitik sein musst. Die verheerenden Ergebnisse der Politik der letzten Bundesregierungen sehen wir. Wir importieren täglich für 200 Millionen Euro Ener- gien allein aus Russland nach Deutschland - mit all den Auswirkungen, die das hat. Gerade mal erst 15 Prozent sind Erneuerbare Energien. Es geht eben neben Klima auch um Versor- gungssicherheit und Preisstabilität. Das gewähren wir nur mit dem schnellen Ausbau der Er- neuerbaren Energien und ihrer Technologien. Wir müssen Krisen gemeinsam lösen und nicht mit Reflexen in die Politik der Vergangenheit verfallen.Ja, die aktuelle Situation fordert dramatisch. Aber wir sehen dieser Tage auch die Erfolge des zähen, jahrzehntelangen Streitens für den Ausbau der Erneuerbaren in Ansiedlungsentschei- dungen, die sich an ihnen orientieren: Als Tesla nach Brandenburg gegangen ist, war ein wichtiges Kriterium auch die Versorgungperspektiven mit Erneuerbaren. So war es auch bei der Entscheidung zur Chipproduktion in Sachsen-Anhalt von voriger Woche und bei der ge- planten Batteriefabrik – die viel Energie brauchen wird – an Schleswig-Holsteins Westküste: Das sind Standortentscheidungen, die auf unsere Energiepolitik setzen.Ich sage das aber auch mit etwas Sorge: Wenn ich an den 2017er Wahlkampf zurückdenke, die Zeit danach und alle Argumente, die immer wieder gegen den Ausbau der Erneuerbaren vorgebracht werden. Trotz der Positionen wider die Erneuerbaren Energien, die immer wieder vorgebracht werden: Wirtschaft und Gesellschaft brauchen Verlässlichkeit in Wandel und Transformation. Wir streiten für den konsequenten Ausbau der Erneuerbaren. Krisen können nur zusammen gedacht und gelöst werden. Wir haben jetzt die Freiheit, uns eine Zukunft in Freiheit; Sicherheit und mit Entwicklung aufzubauen.Zum LNG beziehungsweise Multi-Energie-Terminal: Das ist, solange wir Erdgas brauchen, eine Investition in die Energiesicherheit. Daher ist eben auch eine Kalkulation der Wirtschaft- lichkeit und der Ausnutzung schwierig. Deshalb ist es gut, dass Umsetzung und Finanzierung da sind, wo sie hingehören – beim Bund. Es ist zugleich für uns wichtig, dass über Schleswig- Holsteins letzten Tiefwasserhafen auch zeitnah mit dem Umschlag von grünen Wasserstoffen und deren Derivaten begonnen werden kann. Die erste Vorentscheidung hat RWE mit dem potentiellen Umschlag von grünem Ammoniak bereits getroffen. Wir brauchen aber den dis- kriminierungsfreien Zugang zum Hafen und zu erforderlichen Gewerbe- und Industrieflächen, 3 auch für weitere Unternehmen, die Erneuerbare umschlagen wollen.Wir brauchen parallel zur Erdgasleitung einen Anschluss an ein überregionales Netz für grü- nen Wasserstoff, damit für Industrieprozesse und Schwertransporte mittelfristig reiner Was- serstoff aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Natürlich sollten in diesem Zusam- menhang die Trasse und der Korridor des regionalen Versorgers mit in die Überlegungen einbezogen werden. *** 4