Lars Harms: Humanität schaut nicht auf den Pass
Presseinformation Kiel, den 23.03.2022Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 32 u. 34 Schleswig-Holstein bereitet sich auf die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter vor Drs. 19/3705„Zivilgesellschaft, staatliche Verwaltung und die Kommunen haben schon 2015gezeigt, was möglich ist. Dieses Potenzial muss jetzt wieder aktiviert werden.Ich bin sehr zuversichtlich, dass Schleswig-Holstein aus dieser Krise gestärkthervorgehen wird.“Zunächst möchte ich eines klar stellen: Menschen, die sich vor Krieg und Terror in Sicherheit bringen, sind Flüchtlinge. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie einen ukrainischen Pass haben odereinen anderen, weil sie beispielsweise in Kiew studiert haben. Entsprechende Ungleichbehandlungen akzeptieren wir in Schleswig-Holstein nicht. Humanität schaut nicht auf den Pass.Dieser schreckliche Angriffskrieg fordert uns auf so vielen Ebenen heraus, dass wir einmal innehalten sollten. Wir haben auch und gerade die humanitäre Aufgabe, Menschen zu unterstützen und willkommen zu heißen, die ihr Zuhause verlassen mussten. Ihnen fehlt es anallem. Sie sind in einem fremden Land, dessen Sprache sie noch nicht sprechen. Sie haben keine Kleidung, kein Obdach, kein Essen. Alles das lässt sich organisieren. Zivilgesellschaft, staatliche Verwaltung und die Kommunen haben schon 2015 gezeigt, was möglich ist. Dieses Potenzial muss 2jetzt wieder aktiviert werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass Schleswig-Holstein aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wird.Ich möchte an dieser Stelle zwei Themen besonders vertiefen: Erstens. Es gibt kriminelle Versuche, ukrainische Frauen und deren Töchter in die Zwangsprostitution zu zwingen. Einzelne Schlepper versuchen die unübersichtliche Situationauszunutzen und sprechen gezielt Frauen an, um ihnen angeblich ein Obdach anzubieten. Es macht mich sehr betroffen, wie unverhohlen diese Geschäfte an den Knotenpunkten der Flüchtlingshilfe betrieben werden. Die Sensibilisierung für diese Gefahr ist besonders wichtig,denn oftmals schützt nur eine aufmerksame Ehrenamtlerin bzw. Ehrenamtler diese Frauen, bevor sie im Dickicht der Zwangsprostitution verschwinden. Landesregierung und Polizei sind hier gefragt, damit diesem kriminellen Menschenhandel von vornherein das Wasser abgegrabenwerden kann. Es gibt hier eine gute Nachricht: Diese Woche soll das Portal „uvaga“, was auf Deutsch etwa mit Achtung, Aufmerksamkeit übersetzt werden kann, online gehen. Dahinter steht eine private Initiative, die dafür sorgen will, dass sexueller Missbrauch, Menschenhandel undZwangsprostitution als reale Gefahr erkannt werden; außerdem werden Übersetzungsdienste und Kontaktadressen angeboten. Ich begrüße das sehr; hoffe aber auch, dass in Schleswig-Holsteins Unterkünften die Schlepper überhaupt keine Chance bekommen, die Frauen überhauptanzusprechen.Zweitens treibt mich die mögliche Überforderung des Willkommenssystems um. Ein Großteil der Flüchtlingsinfrastruktur aus 2015 wurde zwischenzeitlich eingemottet und muss jetzt mühsam wieder reaktiviert werden. Wir sollten aus dieser Erfahrung heraus unbedingt eine langfristigere Perspektive ermöglichen. Die Flüchtlingsströme werden nicht aufhalten und es wird auch in denkommenden Jahren und Jahrzehnten eine kontinuierliche Zuwanderung geben. Deshalb müssen wir die Strukturen erhalten; zumindest so, dass sie schnell wieder hochgefahren werden können.Zum Abschluss noch ein Wort zur Cybersicherheit. Deutschland ist kein Digitalland: uns fehlen datenstarke Leitungen, eine digitale Verwaltung und nicht zuletzt Schulungsangebote. Das alles wissen wir seit langem. Kriminelle nutzen die Schwachstellen aus. Die Liste der Opfer ist lang: inFlensburg entstand bei den Mürwiker Werkstätten im letzten Jahr ein Millionenschaden durch 3Schadsoftware; Windenergieanlagen können zeitweise nicht ferngesteuert werden und vor Kaspersky-Software wird gewarnt. Seien wir ehrlich: der Schutz sensibler Daten ist nur eine weitere Baustelle auf der digitalenGroßbaustelle, für die eine langfristige Lösung derzeit nicht in Sicht ist. Die brauchen wir aber, weil Russland nicht das einzige Land ist, das Cyber-Attacken durchführt. Die Gefahr für die Cybersicherheit wird auch nach dem Konflikt bleiben. Das muss uns allen klar sein.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/