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10.01.22
17:11 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu TOP 1,2,3,4+5: Omikron schlägt voll durch

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 10. Januar 2022
Serpil Midyatli Omikron schlägt voll durch TOP 1,2,3,4+5: Regierungserklärung und Anträge zur aktuellen Lage der Pandemie (Drs. 19/3536, 19/3537, 19/3538, 19/3539, 19/3540) „Die Corona-Zahlen haben sich über die Feiertage im Norden dramatisch entwickelt. Über viele Monate hatten wir vergleichsweise gute Inzidenzwerte, jetzt sind wir eines der Schlusslichter. In nur vier Kreisen in Schleswig-Holstein gab es zum Ende der letzten Woche eine Inzidenz unter 300. Dabei geben die Zahlen noch nicht einmal den letzten Stand wieder, die Gesundheitsämter kommen schlicht nicht hinterher. Kaum jemand hat Zweifel daran, dass dieses enorme Wachstum vor allem auch auf einen Faktor zurückgeht: Die Öffnung der Diskotheken und Clubs über Weihnachten. Ohne Masken. Ohne Abstand. Ohne Kontaktdatenerfassung. Wir haben aus der Koalition in den letzten Tagen gehört, dass die Instrumente gefehlt hätten, um das Desaster zu vermeiden. Unser Eindruck ist ein anderer. Am 19. Dezember, fünf Tage vor Weihnachten, als alle Virologen vor der Omikron-Variante warnten, gab Daniel Günther der WELT ein Interview. Frage: „Gesundheitsminister Lauterbach rechnet für die kommenden Wochen auch hierzulande mit einer massiven fünften Corona-Welle. Fühlen Sie sich ausreichend gerüstet? Oder bedarf es weiterer Beschlüsse von Bund und Ländern?“ Antwort Daniel Günther: „Die Instrumente, die den Ländern mit dem Bundesinfektionsschutzgesetz in die Hände gegeben wurden, reichen aus. Schleswig-Holstein hat seine Corona-Verordnung bis Mitte Januar fixiert.“
Liebe Kolleginnen und Kollege, da fehlten keine Instrumente. Da fehlten Einsicht, Umsicht und die Bereitschaft diesen schleswig-holsteinischen Sonderweg zu verlassen. Sie sind bewusst einen Sonderweg gegangen. Mit fatalen Folgen für unser Land. Und um gleich mit dem zweiten Märchen aufzuräumen: Es waren nicht unterschiedliche Inzidenzen, die unterschiedliche Maßnahmen ermöglichten. Schleswig-Holstein hatte am 22. Dezember eine Inzidenz von 166. Der Unterschied zu Niedersachsen ist gewaltig: Dort lag sie bei 167. Da waren die Diskos zu, hier waren sie offen. Es war eine bewusste Entscheidung von Jamaika, in dieser Frage einen anderen Kurs einzuschlagen, als alle anderen Länder, wo Diskotheken geschlossen waren oder Maskenpflicht herrschte. Es stellt sich hier die Frage, wer wohl meinte, Besserwisser zu sein.


1 Das hat eine Vorgeschichte. Seit Monaten haben sich Teile dieser Koalition hineingesteigert in die eigene Erzählung des großartigen Umgangs mit Corona. Am 11. November ließ der Kollege Koch eine Pressemitteilung verschicken mit der Überschrift: „Dank Jamaika die niedrigsten Inzidenzwerte“. Diese Hybris muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Herr Koch, ich bleibe einen Moment bei Ihnen. Letzte Woche haben Sie ernsthaft gefragt, warum denn die SPD jetzt alles besser wisse und vor Weihnachten nicht die Schließung der Diskotheken organisiert hätte. Ganz abgesehen davon, dass bis Mai noch Sie regieren und nicht wir, will ich Ihnen gerne darauf antworten. Seit Ihrem Kurswechsel im September betone ich in jeder Rede: Wir halten Ihren Kurs für gefährlich und falsch. Wir fanden den Verzicht auf Masken in Innenräumen falsch. Wir halten den Verzicht auf Abstand für falsch. Wir halten den Wegfall der Kontaktdatenerfassung für falsch. Alles sogar schon vor Omikron. Das kann Ihnen doch nicht entgangen sein?! Glauben Sie denn ernsthaft, dass unsere Fraktion volle Clubs, mit Tanzen, ohne Maske, ohne Abstand, ohne Kontakterfassung für eine gute Idee gehalten hat? In welcher Welt leben Sie?
Wissen Sie, was uns wirklich geärgert hat? Als man letzte Woche versucht hat, den Diskobesuchern den schwarzen Peter zuzuschieben. Nach allem was ich gelesen habe, fanden die Ausbrüche statt, obwohl sich alle penibel an die Regeln gehalten haben, die diese Landesregierung vorgegeben hat. Vom Schleswig-Holsteiner kann ich nicht erwarten, dass er jede Woche den neuen virologischen Stand kennt. Von der Landesregierung erwarte ich genau das. Sie tragen die Verantwortung! Aber Sie haben bis zuletzt an Ihrem alten Kurs festgehalten. Als in anderen Ländern die Clubs geschlossen wurden, zog Daniel Günther im Vorwahlkampf über die Weihnachtsmärkte und warb für Normalität. Das ist die Lage! Sie haben die Menschen in falscher Sicherheit gewogen. Nicht die Schleswig-Holsteiner*innen haben sich falsch verhalten – ganz im Gegenteil! Seit Beginn der Pandemie nehmen die Menschen Rücksicht aufeinander und handeln solidarisch. Unser Dank gilt allen, die harte Einschränkungen über lange Monate hingenommen haben. Wir wissen, wie schwer das für viele ist. Und es ist auch nicht der Bund, der Sie daran gehindert hat oder hindert irgendetwas zu machen. Sie haben alle Instrumente, bis auf diese: Hotelschließungen, Einzelhandel dichtmachen, Sport verbieten, Ausgangssperren. Dafür brauchen Sie den Bund, für alles andere nicht. Wenn Sie uns sagen, welches dieser Instrumente fehlt und Sie sich in der Koalition einig sind, dann rufe ich gerne direkt im Anschluss Olaf Scholz an. Aber wenn nicht, dann haben wir endgültig genug von dieser Hütchenspieler-Taktik, bei der immer jemand anderes die Schuld trägt. Die Feiernden, die Opposition, der Bund, die Schlauberger – bloß Daniel Günther oder die Landesregierung, die sind es nie gewesen. Ich habe mich gefreut, dass der Ministerpräsident am Freitag zum ersten Mal Anflüge von Selbstkritik erkennen ließ. Aber bei einem Satz hab ich aufgehorcht. Die Belastung in Schleswig-Holstein habe sich in den letzten Wochen nicht wesentlich verändert. Das waren seine Worte. Und ich frage mich schon, ob die vielen Tausend Menschen in


2 Quarantäne – nicht im Hotel, sondern in der 2-3-Zimmer-Wohnung – oder auch die Mitarbeiter*innen in den Gesundheitsämter, die rund um die Uhr rotieren, diesen Satz wirklich unterschreiben würden. Ich habe meine Zweifel daran.
Liebe Kolleginnen und Kollege, ich mache einen Cut. Das war Mist. Willkommen zurück im Team Vorsicht. Wir hoffen, Sie lernen aus diesem Sonderweg. Jetzt geht es um die nächsten Wochen. Dänemark, Großbritannien und andere Länder zeigen, dass die Explosion der Inzidenz mit Omikron eine große Welle ist. Darum muss Vorsicht der oberste Maßstab für die kommenden Wochen sein. Wenn die Koalition bereit ist, diesen Kurs einzuschlagen, dann hat sie auch wieder die Unterstützung der SPD – so war es seit Beginn der Pandemie. Wir stehen zu unserem Wort. Wir stehen zu unserer Verantwortung. Deswegen stimmen wir selbstverständlich der Feststellung der epidemischen Lage für Schleswig-Holstein zu. Ich freue mich, dass wir dazu einen gemeinsamen Antrag haben. Heute beschließen wir das, was die anderen norddeutschen Länder längst beschlossen haben. Aber bevor der Kollege Koch sich in zwei Wochen wieder beschwert, dass die Opposition vergessen hätte zu regieren, gehen wir darüber hinaus. In unserem Antrag führen wir das auf, was jetzt wichtig ist, wenn wir es mit der Vorsicht ernst meinen.
Schleswig-Holstein muss die Bund-Länder-Vereinbarungen konsequent umsetzen. Im Beschluss steht ausdrücklich: Das sind Mindeststandards. Niemand hindert uns, darüber hinaus zu gehen, wenn es angebracht ist. Denn die Ansteckungen über Weihnachten zeigen, dass für Omikron andere Regeln gelten müssen als bisher. 2G reicht allein nicht aus, wenn sich auch Geimpfte leichter anstecken. Abstände reichen allein nicht aus, wenn die Übertragbarkeit so viel höher ist. Schnelltests reichen allein nicht aus, wenn sie erst verzögert anspringen. Innenräume sind besonders gefährlich. Große Menschenmengen sind es auch. Dass Clubs und Diskotheken geschlossen werden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Und wir brauchen schnell mehr Kapazitäten für PCR-Tests, damit wir zum Beispiel in Schulen, Pflegeeinrichtungen oder Kitas mehr Sicherheit bekommen. Es ist unsere Pflicht die Kinder, die Familien und die Beschäftigten ganz besonders zu schützen! Die gute Nachricht: FFP2-Masken schützen weiterhin mit hoher Zuverlässigkeit. Sie sind die sehr viel sicherere Alternative zu einfachen OP-Masken. Ich weiß, dass es Menschen mit Atemproblemen gibt, für die diese Masken ein Problem sind. Auch um sie zu schützen muss unser Ziel klar sein, die FFP2-Maske zum neuen Standard für alle, die sie tragen können, zu machen. Die etwas milderen Verläufe bei Omikron machen derzeit Hoffnung. Sie bringen den Krankenhäusern aber nur sehr kurz etwas, wenn der Anstieg derart rasant ist. Diese Welle hat bei den jungen Menschen begonnen. Aber sie wird in den nächsten Wochen natürlich auch die Älteren erreichen. Und dort sind noch viel zu viele ungeimpft. Darum muss die Notfallplanung der Krankenhäuser in Schleswig- Holstein auf eine sehr viel stärkere Belastung vorbereitet werden. Dasselbe gilt für die


3 kritische Infrastruktur, das Problem der Belastung ist durch die Neuregelung der Quarantäne natürlich nicht vom Tisch. Heute Morgen war Schulstart nach den Ferien. Ich verstehe alle, die ihre Kinder mit mulmigem Gefühl losgeschickt haben. Ich verstehe den Wunsch, Schulen möglichst lange offen lassen. Aber wir müssen die Situation sehr genau im Blick behalten. Es ist ärgerlich, dass wir beim Distanzunterricht noch immer nicht weiter sind. Die Schulen brauchen jetzt die Freiheit, um zumindest für ältere Schülerinnen und Schülern den Umstieg auf Wechsel- oder Distanzunterricht machen zu können. Wir brauchen Tests auch für Geimpfte und Genesen und zwar jetzt und nicht irgendwann später. Und wir brauchen die Ansage, dass Klassenfahrten bis Ende leider nicht möglich sind. Es muss unser aller Anliegen sein, höchstmögliche Sicherheit für die Schülerinnen und Schüler und für die Lehrkräfte sicherzustellen.
Der nüchterne Blick auf die Zahlen zeigt: Die Impfungen schützen. Nicht in jedem Fall vor einer Ansteckung. Aber doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor schweren Verläufen. Eine Impfung ist gut. Zwei Impfungen sind besser. Drei Impfungen sind das Ziel. Mein Appell an alle: Lassen Sie sich impfen. Überzeugen Sie ihre Familie. Sprechen Sie mit Ihren Freunden. Das bleibt unser bestes Mittel, damit dieses Kapitel irgendwann ein Ende hat. Herzlichen Dank.“



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