Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2020: Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen
Nr. 14 / 10. Juni 2021Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2020: Lehren aus der Corona-Pandemie ziehenDie Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 vorgestellt. Insgesamt erreichten die Bürgerbeauftragte im Berichtsjahr 3.519 Petitionen. „Dabei standen die Probleme, Ängste und Herausforderungen vieler Bürger*innen während der Corona-Pandemie im Mittelpunkt meiner Arbeit“, sagte El Samadoni auf der Landespressekonferenz. Zwar hätten Politik und Verwaltung zum Beispiel mit den Corona- Sozialpaketen zügig auf die Auswirkungen der Pandemie reagiert und damit Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. „Dennoch hat die Pandemie viele der Schutzbedürftigsten unserer Gesellschaft besonders hart getroffen“, betonte die Bürgerbeauftragte. „Wir müssen aus der Corona-Krise deshalb die richtigen Lehren ziehen und die bestehenden Probleme jetzt in Angriff nehmen.“So habe die Corona-Pandemie besonders stark vor Augen geführt, wie wichtig eine digitale Grundausstattung für alle Menschen sei. „Während der Lockdowns waren viele Ämter für den Besuchsverkehr geschlossen, Einkäufe konnten teilweise nur noch online erfolgen, die Anträge auf Sozialleistungen und die Kommunikation mit den Trägern sollte elektronisch erfolgen, Schüler*innen sollten digital zu Hause unterrichtet werden“, erläuterte El Samadoni. Viele Menschen hätten dafür jedoch schlicht nicht die technischen, räumlichen und finanziellen Voraussetzungen oder die erforderlichen Kompetenzen. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen sei die Teilhabe an Bildung und am gesellschaftlichen Leben dadurch erheblich erschwert worden. „Für die Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen sollte ein klarer und verbindlicher Anspruch auf einen Mehrbedarf für die digitale Grundausstattung im Gesetz verankert werden“, schlussfolgerte die Bürgerbeauftragte. „Auch alle Kinder, die in einkommensschwachen Familien leben und Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten können, sollten dabei berücksichtigt werden“. Um gleichberechtigte Teilhabe und ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, sei heutzutage eine digitale Grundausstattung unverzichtbar, so El Samadoni. 2Nach Einschätzung der Bürgerbeauftragten sind bei den Corona-bedingten Finanzhilfen zudem viele Menschen vernachlässigt worden, die ihren Lebensunterhalt üblicherweise durch Minijobs sicherstellen, zum Beispiel viele Studierende. „Die Überbrückungshilfen für Studierende an staatlich anerkannten Hochschulen waren nach meiner Beobachtung kaum geeignet, den Wegfall von 450 €-Jobs aufzufangen, die häufig der Finanzierung des Studiums dienen“, erklärte El Samadoni. Zudem hätten fehlende Einkünfte aus Minijobs zum Beispiel auch viele Berufsschüler*innen, Rentner*innen oder Studierende an privaten Fachhochschulen in existentielle Nöte gebracht. „Für diese Personengruppen sind bisher gar keine Überbrückungshilfen vorgesehen“, hob die Bürgerbeauftragte hervor. „Überbrückungshilfen sollten aber ohne großen bürokratischen Aufwand allen Menschen offenstehen, die auf 450 €-Jobs angewiesen sind.“Probleme beobachtete die Bürgerbeauftragte im Berichtsjahr auch immer wieder bezüglich der Begutachtung von Pflegebedürftigen und der Entscheidung über deren Pflegegrade. Zum Schutz der Pflegebedürftigen während der Corona-Pandemie habe der MDK die telefonische Begutachtung anstatt der persönlichen Begutachtung eingeführt, erklärte El Samadoni. „Bürger*innen berichteten von Problemen, wenn Pflegepersonen oder Betreuer*innen nicht bei den Telefongesprächen anwesend sein konnten. Angehörige beklagten, dass die Pflegebedürftigen ihre Lage positiv verfälscht am Telefon schilderten und dadurch sogar eine Herunterstufung des Pflegegrads erfolgte.“ Gerade dies sieht die Bürgerbeauftragte besonders kritisch. Vorstellbar sei aber die Einführung eines Bestandsschutzes. „Die telefonische Befragung könnte dann zur einer Erhöhung des Pflegegrades führen, eine Herabstufung wäre dagegen nur nach einer persönlichen Begutachtung möglich“, schlug El Samadoni vor. Dies könne auch außerhalb der Corona- Pandemie praktikabel sein und Kapazitätsproblemen bei den Begutachtungen begegnen.Abschließend regte die Bürgerbeauftragte eine grundsätzliche Diskussion darüber an, welche Erleichterungen beim Zugang zu sozialen Leistungen auch nach der Pandemie weiter sinnvoll sein können. Als Beispiel nannte El Samadoni die längere Anerkennung der tatsächlichen Wohnkosten bei einem erstmaligen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung. „In Zeiten knappen und teuren Wohnraums würde dies zu einer spürbaren Entlastung vieler Menschen führen“, so die Bürgerbeauftragte.