Jan Marcus Rossa zu TOP 2+4 „Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein“
Presseinformation Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort Christopher Vogt, MdL Vorsitzender Anita Klahn, MdL Stellvertretende Vorsitzende Oliver Kumbartzky, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Nr. 113/2021 Kiel, Freitag. 26. März 2021 Recht/ Notparlament und wahl- rechtliche Vorschriften www.fdp-fraktion-sh.de Jan Marcus Rossa zu TOP 2+4 „Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein“ In seiner Rede zu TOP 2+4 (Gesetze zur Änderung der Verfassung des Lan- des Schleswig-Holstein und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften) er- klärt der rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:„Zu Beginn meiner heutigen Rede möchte ich all denjenigen danken, die an der Ausarbeitung der Verfassungsänderung, die wir heute beschließen wol- len, in den letzten Wochen mitgewirkt haben. In einem unheimlich intensi- ven Arbeitsprozess ist es uns gelungen, eine Verfassungsregelung zu erar- beiten, der man anmerkt, dass wir aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben, dass wir uns nicht von dem Handlungsdruck, unter dem wir wegen der Pandemie gestanden haben, auf Kosten der Qualität haben treiben las- sen.Ich möchte ausdrücklich meinen Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD, Grünen und dem SSW danken, dass wir uns sehr schnell auf die Regelungs- ziele verständigen konnten, die dann in dem ersten Entwurf der Verfas- sungsänderung niedergeschrieben wurden. Wir waren uns alle einig, dass wir einen solchen ersten Entwurf brauchten, um schnell in das parlamenta- rische Verfahren einzutreten, um dann auch den rechtlich fragwürdigen Zu- stand zu beenden, die Beschlussfähigkeit des Parlaments über unsere Ge- schäftsordnung herzustellen. Wir hatten uns daher in die Hand versprochen, dass wir über Änderungen dieses ersten Aufschlags ergebnisoffen diskutie- ren wollten. Mit diesem gemeinsamen Verständnis haben wir dann die Ex- pertenanhörung durchgeführt und auch ihnen gilt mein heutiger Dank. Sie haben auf eine Reihe von Punkten aufmerksam gemacht, die uns dabei hal- fen, unseren ersten Entwurf deutlich zu verbessern. Diese Hinweise betra- fen insbesondere den Schutz der Abgeordnetenrechte, in die ein Notaus- schuss eingreifen wird, wenn er als Notparlament an die Stelle des Landtags treten wird. Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Die Ergebnisse der Anhörung waren Grundlage für den weiteren Arbeitspro- zess und das Ergebnis kann sich meines Erachtens sehen lassen. Heraus- gekommen ist die bundesweit einzigartige und erstmalige Zulassung hybri- der Parlamentssitzungen und hybrider Beschlussfassungen. Uns ist durch- aus bewusst, dass wir jetzt zügig die technischen Voraussetzungen für hyb- ride Sitzungen schaffen müssen. Aber ich glaube, dass das realisierbar ist. Eine weitere Errungenschaft dieser Arbeit ist, dass wir uns für eine ‚at- mende' Ausschussgröße entschieden haben. Dem Ausschuss müssen min- destens elf Abgeordnete angehören. Die Mitgliederzahl ist aber zu erhöhen, wenn weitere Abgeordnete zur Verfügung stehen und die Mehrheitsverhält- nisse durch ihren Eintritt in den Ausschuss nicht verschoben werden. Eine auf den ersten Blick etwas schwergängige Regelung. Sie ist aber wichtig, um einerseits den Eingriff in die Abgeordnetenrechte möglichst gering zu halten und andererseits Minderheitenrechte zu wahren, insbesondere von fraktionslosen Abgeordneten. Zum Schutz der Abgeordnetenrechte gehört aber auch, dass alle Abgeordneten bei einem Zusammentritt des Notaus- schusses ihre Teilnahme-, Rede- und Antragsrechte behalten und nur das Stimmrecht suspendiert ist, wenn sie nicht ‚ordentliches‘ Mitglied des Not- ausschusses sind.Für mich persönlich war von Anfang an wichtig, dass wir Regelungen im- plementieren, die die Eingriffe in die Rechte der einzelnen Abgeordneten nur in extremen Ausnahmefällen zulassen. Wir haben aus der Vergangenheit ge- lernt, dass Notrechte immer die Gefahr des Missbrauchs in sich tragen. Und deshalb war für mich eine der zentralen Forderungen bei dieser Verfas- sungsänderung, dass wir einen effektiven Rechtsschutz zugunsten der Ab- geordneten gestalten. Am Anfang diskutierten wir über einen Richtervorbe- halt. Dieser Lösungsansatz traf nicht überall auf Gegenliebe. Die Argumente gegen einen solchen Richtervorbehalt, das möchte ich an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen, waren zum Teil eher bizarr. Man gewann den Eindruck, dass ein Teil dieser Gegenstimmen es als Makel empfanden, erst das Ver- fassungsgericht fragen zu müssen, ob man als Notausschuss zusammentre- ten und Beschlüsse fassen dürfte. Hier wurde mit einer Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips argumentiert. Mit Verlaub: Da hat offenbar jemand dieses Prinzip nicht verstanden. Es ist schließlich die Aufgabe der Recht- sprechung, das Handeln anderer Verfassungsorgane zu überprüfen und auch ggf. zu korrigieren. Dieses Argument konnte nicht überzeugen. Dane- ben machte unser Verfassungsgericht darauf aufmerksam, dass man sich mit einem Richtervorbehalt nicht wohl fühle und dass ein solches Instru- ment eher ein Fremdkörper wäre. Auch das vermochte nicht wirklich zu überzeugen, denn die angesprochenen Probleme, dass bei einem Richter- vorbehalt irreversible Entscheidungen in einem einstweiligen Rechtsschutz- verfahren ergehen könnten, ließen sich auch bei einem einstweiligen An- ordnungsverfahren nicht vermeiden.Bei dieser Frage ließen uns die Experten in einer zunächst etwas ratlosen Lage zurück. Dank des gemeinsamen Lösungswillens und dank der Unter- stützung des Wissenschaftlichen Dienstes, was ich hier ausdrücklich her- vorheben will, haben wir jetzt eine Lösung gefunden, die den verfahrens- rechtlichen Bedenken Rechnung trägt und trotzdem einen wirklich effekti- ven Rechtsschutz gewährleistet. Mit der jetzt vorgeschlagenen Regelung ist jeder Abgeordnete in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung des sogenannten Notausschusses vor dem Wirksamwerden der Beschlüsse Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de vom Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Es bedarf nur eines schlichten Antrags ohne weitere Begründung. Anschließend muss der Land- tag durch den Landtagspräsidenten das Vorliegen der Voraussetzungen für das Zusammentreten des Notausschusses darlegen und glaubhaft machen, also an Eides statt versichern. Erst danach muss ein Abgeordneter selbst zur Sache vortragen. Das reicht, um sicherzustellen, dass sich ein Notaus- schuss nicht verselbständigen kann.Diese Überlegungen sind auch der Grund dafür, dass Beschlüsse des Not- ausschusses nicht unbefristet gelten werden, sondern automatisch ihre Wirkung verlieren, wenn sie in der ersten regulären Sitzung des Landtags nach der Beschlussfassung durch den Notausschuss vom Parlament nicht ausdrücklich bestätigt werden. Auch dies sichert die Rechte der Abgeordne- ten und gewährleistet die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze. Ich glaube, dass nur mit solchen Schutzmechanismen Not- standsregeln in Verfassungen Akzeptanz finden werden. Daran fehlte es En- de der 60er Jahre und wir sollten Fehler der Vergangenheit nicht wiederho- len.“Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de