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26.03.21
10:37 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 2+4: Die Demokratie wird in der Pandemie nicht vertagt!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 26. März 2021
Dr. Ralf Stegner: Die Demokratie wird in der Pandemie nicht vertagt! TOP 2+4: Gesetze zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften (Drs. 19/2558, 19/2777, 19/2790, 19/2859) „Es gibt in diesem Parlament Themen, bei denen die streitige Debatte über den richtigen Weg umgänglich und auch angebracht ist. Dafür haben wir auch in dieser Woche genug Beispiele. Aber es gibt eben auch andere Themen, bei denen nicht die Kontroverse, sondern die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten im Vordergrund steht. Das betrifft beispielsweise in den kommenden Wochen das Richterwahlgesetz und die Regeln für Abgeordnete. Aber es galt eben auch für die Verfassungsänderung und die Anpassungen beim Wahlgesetz. Und weil meine Fraktion dabei die Koordinierung übernehmen durfte, möchte ich mich einleitend herzlich bei den anderen Fraktionen, dem SSW, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich auch dem Wissenschaftlichen Dienst bedanken. Gemeinsam ist es gelungen, in vergleichsweise kurzer Zeit einen Vorschlag zur Änderung der Verfassung und für wahlrechtliche Anpassungen zu erarbeiten. Beide Regelungen folgen einem klaren Ziel: Demokratische Verfahren auch in besonderen Zeiten zu ermöglichen und sicherzustellen. Die letzte grundlegende Überarbeitung unserer Verfassung liegt gerade einmal sieben Jahre zurück. Niemand kam seinerzeit auf die Idee Rege-lungen vorzuschlagen, wie wir sie jetzt in die Verfassung aufnehmen wollen. Selbst vor 14 Monaten hätte ich persönlich solche Vorschläge noch für absurd gehalten. Denn mir hätte die Fantasie gefehlt, für welches Ereignis es eines „Notausschusses“ bedurft hätte. Seitdem ist viel passiert. Corona hat uns eine Krisenanfälligkeit vor Augen geführt, die kaum jemandem bewusst gewesen sein dürfte. Plötzlich stellten sich sehr konkrete Fragen zur Handlungsfähigkeit des Parlaments unter Pandemie-Bedingungen. Was folgt daraus, wenn größere Teile einer Fraktion sich infizieren sollten oder auch nur unter Quarantäne geraten? Welche Maßstäbe müssen für parlamentarische Arbeit angelegt werden, wenn wir gleichzeitig dringend appellieren, alle einigermaßen vertretbaren Tätigkeiten in das Homeoffice zu verlagern? Aber vor allem auch: Was ist die Lehre aus einer Pandemie, die denkbar gemacht hat, was bislang über unsere Vorstellung hinaus ging? Klar ist: Das Parlament hat in unserer demokratischen Gesellschaft eine zentrale Rolle. Nur in Diktaturen reicht es, wenn die Regierung handlungsfähig ist – und das ist sie immer. Unsere

1 frei gewählte Volksvertretung ist kein Luxus, auf den man notfalls für ein paar Wochen verzichten kann. Dieses Haus muss auch unter den widrigsten Bedingungen funktionieren können. Und dafür treffen wir mit der heutigen Verfassungsänderung Vorsorge. Künftig kann unter bestimmten und klar reglementierten Bedingungen ein Notausschuss die Stellung des Parlamentes einnehmen. Ich bin mir sicher: Niemand von uns wünscht sich diesen Fall. Und er bleibt hoffentlich auch sehr unwahrscheinlich. Und dennoch ist es richtig, dass wir dafür – übrigens als erstes Parlament in Deutschland – Vorsorge getroffen haben. Denn das sichert die Handlungsfähigkeit der Legislative, die eben mehr ist als ein Anhängsel der Regierung. Das, Herr Landtagspräsident und liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir übrigens bei der seit einem Jahr währenden Corona-Pandemie bewiesen, die uns zu vielen Sondersitzungen, pragmatischen Regelungen und fraktionsübergreifender Gemeinsamkeit geführt hat. Und das will ich ausdrücklich positiv hervorheben. Das vorliegende Ergebnis ist nicht nur ein Kompromiss zwischen den demokratischen Fraktionen. Sondern auch ein Kompromiss zwischen dem, was optimal wäre, und dem, was technisch un rechtlich sicher umsetzbar ist. Denn selbstverständlich müssen wir für eine Sitzung des Parlaments andere Maßstäbe anlegen als für eine private Zoom-Konferenz. Ich finde, diese Abwägung ist uns gelungen. Auch Wahlen müssen in besonderen Zeiten durchgeführt und vorbereitet werden können. Dafür passen wir jetzt die entsprechenden Regelungen an. Und es ist gut, dass wir uns dafür nicht all zu viel Zeit lassen. Das sage ich mit Blick auf kommunale Wahlen, aber vor allem auch mit Blick auf die beginnende Vorbereitung der Landtagswahl im kommenden Jahr. Denn die neuen Regelungen schaffen auch Sicherheit für diejenigen in den Parteien, die sich vor Ort – oftmals ehrenamtlich – um die Organisation bemühen und bereits bemüht haben. Denn es ist durchaus ein Verdienst, wie in allen demokratischen Parteien trotz Pandemie die Aufstellungen für die Bundestagswahl umgesetzt wurden. Ich finde, dafür haben die Verantwortlichen Lob und Anerkennung verdient, denn ohne demokratische Wahlen gibt es auch keine Demokratie. Ich freue mich besonders, dass wir im Zuge der Änderungen auch die Regelungen für Wahlplakate ändern. Denn ich kann mich gut an unsere Diskussionen und Beschlüsse in diesem Haus zur Erhöhung der Wahlbeteiligung erinnern. Die konkretisierten Regeln erfüllen diese nach wie vor richtige Absicht mit Leben. Der Wahlkampf ist die Hochzeit der Demokratie und nicht etwas, das man verschämt verstecken muss. Wir wollen, dass jeder in Schleswig- Holstein mitbekommt, wenn ein Wahltag ansteht und wir wollen, dass die Parteien für ihre Ziele offensiv werben können. Auswahl zwischen demokratischen Parteien sollte es möglichst überall im Land geben. Auch das ist Teil einer lebendigen Demokratie! Lassen Sie mich zum Abschluss ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. Die offensichtlichen Probleme und Versäumnisse, die Mängel und Fehler bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie verleiten derzeit den einen oder anderen zu pauschaler Kritik an den


2 demokratischen Parteien. Manche nutzen es auch als Anlass, lang gehegte Vorurteile aufzuwärmen. Bei allem Verständnis über Unzufriedenheit und Unmut ist diese Pauschalität schwer zu ertragen. Wir haben das Privileg, seit vielen Jahrzehnten in einer außerordentlich stabilen Demokratie zu leben. Das kommt nicht von selbst, sondern ist Ergebnis einer politischen Kultur, die mittlerweile tief in unserer Gesellschaft verankert ist. Trägerinnen dieser Kultur sind nicht zuletzt die politischen Parteien mit ihren Mitgliedern, Aktiven und den zum alles überwiegenden Teil im Ehrenamt tätigen Mandatsträgern in den Kommunen. Das sind keine Funktionäre, sondern Demokratiearbeiterinnen und –arbeiter. Diese Sichtweise kommt mir manchmal ein wenig kurz. Wer sich für eine demokratische Partei engagiert, nimmt Partei für unsere Demokratie. Das ist aller Ehren wert! Ich freue mich, dass wir heute fraktionsübergreifend ein klares Signal setzen: Unsere Demokratie wird in der Pandemie nicht vertagt!“



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