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26.03.21
10:20 Uhr
CDU

Tobias Koch: TOP 2+4: Machen wir unsere Demokratie krisenfest!

Landesverfassung | 26.03.2021 | Nr. 119/21
Tobias Koch: TOP 2+4: Machen wir unsere Demokratie krisenfest! Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
stellen Sie sich einmal einen Augenblick lang vor, die Notkredite in Milliardenhöhe zum Ausgleich der Corona-Pandemie hätten im letzten Jahr vom Landtag nicht bewilligt werden können. Welche schwerwiegenden Folgen hätte das für alle Betroffenen gehabt.
Überlegen Sie einmal, was es für die kruden Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern bedeutet hätte, wenn das Ammenmärchen einer Corona- Diktatur nicht durch die Debatten und Beschlüsse dieses Parlaments widerlegt worden wäre.
Schon allein an diesen beiden Punkten merken Sie sofort, wie wichtig es ist, die Handlungsfähigkeit dieses Landtages gerade in Krisenzeiten zu gewährleisten.
Deshalb, meine Damen und Herren, haben sich alle Fraktionen dieses hohen Hauses gemeinsam auf den Weg gemacht, um mit einer Verfassungsänderung und einer Änderung des Landeswahlgesetzes die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen.
Kein Virus, keine Naturkatastrophe und keine andere Notlage gleich welcher Art dürfen jemals dazu führen, dass dieses Parlament daran gehindert ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Dafür wollen wir heute sorgen!
Dabei stellte sich sofort - schon im März letzten Jahres - die Frage der Beschlussfähigkeit des Landtages. Laut unserer Verfassung ist der Landtag nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend sind. Was also, wenn durch Erkrankung oder Quarantänemaßnahmen diese Anzahl unterschritten wird, der Landtag somit nicht beschlussfähig ist, aber unaufschiebbare Beschlüsse getroffen werden müssen?
Die Antwort auf diese Frage ist der nun in zweiter Lesung vorliegende Gesetzentwurf


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Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de zur Änderung der Landesverfassung.
Nicht in Betracht kam dabei eine – auf den ersten Blick naheliegende – Absenkung der Beschlussfähigkeitsgrenze.
Die Folge davon wäre nämlich die Möglichkeit von Zufallsmehrheiten. Das kann aber niemand wirklich wollen – erst recht nicht in Krisenzeiten.
Die Lösung hierfür ist die Einführung eines Notausschusses, der unter ganz bestimmten Voraussetzungen die Funktion des Landtages vorübergehend übernehmen kann.
Wie bei allen Ausschüssen des Landtages erfolgt auch bei dem Notausschuss die Zusammensetzung spiegelbildlich zu den Mehrheitsverhältnissen im Landtag. Zusammen mit den für einen Ausschuss bestehenden Vertretungsmöglichkeiten ist damit die Gefahr des Zustandekommens von Zufallsmehrheiten gebannt. Dafür taucht mit der geringen Zahl von nur 11 Ausschussmitgliedern gleich das nächste Problem auf.
Eine solch deutliche Absenkung der Zahl der stimmberechtigen Abgeordneten erscheint bei einer möglicherweise nur leichten Unterschreitung der Beschlussfähigkeitsgrenze von derzeit 37 Abgeordneten als nicht angemessen.
Deshalb ist die Größe des Notausschuss als atmendes System konzipiert. Die Anzahl der stimmenberechtigten Ausschussmitglieder kann sich in Abhängigkeit von der Anzahl der anwesenden Abgeordneten weiter erhöhen, wobei allerdings weiterhin jeweils die Spiegelbildlichkeit zu den Mehrheitsverhältnissen im Landtag gewahrt bleiben muss.
Meine Damen und Herren, neben diesen beiden skizzierten Regelungsproblemen gab es eine ganze Reihe weiterer höchst schwieriger Fragestellungen zu klären:
Angefangen bei der Definition der Notlage, über die Kompetenzen eines Notausschusses bis hin zu der Bestätigung der Beschlüsse des Notausschusses durch den Landtag, sobald dieser nach Beendigung der Notlage wieder zusammentritt.
Wir haben außerdem dafür Sorge getragen, dass jeder einzelne Abgeordnete, der sich durch die Einberufung des Notausschusses möglicherweise in seinen Rechten verletzt fühlt, die Rechtmäßigkeit des Zusammentretens des Notausschusses durch einen Antrag beim Landesverfassungsgericht überprüfen lassen kann, bevor die Beschlüsse des Notausschusses in Kraft treten.
Gemeinsam mit der umfassenden Wahrung der Antrags-, Frage- und Äußerungsrechte aller Abgeordneten im Notausschuss – also auch derjenigen, die nicht Ausschussmitglieder sind – wird so den Statusrechten aller Abgeordneten umfassend Rechnung getragen.



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Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de Schließlich gab es noch die Anregung aus der Anhörung – quasi als milderes Mittel vor Einberufung des Notausschusses – digitale Möglichkeiten zu nutzen, um die Beschlussfähigkeit des Landtages herzustellen.
Auch diesen Hinweis haben wir aufgegriffen, indem hybride Sitzungen mit einer Online-Zuschaltung von abwesenden Abgeordneten ermöglicht werden. Allerdings sind wir uns auch darüber bewusst, dass die technischen Möglichkeiten für eine rechtssichere, geheime Stimmabgabe derzeit noch nicht gegeben sind. Es handelt sich hierbei also um eine Option für die Zukunft und nicht um eine schon morgen praktisch umsetzbare Möglichkeit.
Ich will außerdem betonen, dass aus Sicht meiner Fraktion ein solches Digitalformat nur im Ausnahmefall einer Notlage in Betracht kommt. In allen anderen Fällen ist die Debatte hier im Plenum von Angesicht zu Angesicht unverzichtbarer Bestandteil unserer parlamentarischen Demokratie. Sie kann deshalb auch nicht durch eine Videokonferenz oder einen Online-Chatroom ersetzt werden.
Meine Damen und Herren, diese Verfassungsbestimmungen für den abstrakten Fall einer Notlage so zu formulieren, dass sie sich im Fall der Fälle als belastbar und anwendbar erweisen, war alles andere als trivial.
Es waren schwierige Diskussionen, die sich über ein Jahr hingezogen haben, jetzt aber zu einem erfolgreichen Abschluss kommen.
Dafür im Namen meiner Fraktion ein großes Dankeschön an alle Beteiligten, an alle Fraktionen dieses Hauses aber insbesondere auch an den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages, der uns hierbei mit Formulierungshilfen und rechtlicher Beratung zur Seite stand.
Meine Damen und Herren, ein handlungs-fähiges Parlament setzt aber auch voraus, dass regelmäßig alle fünf Jahre Abgeordnete gewählt werden können, die wiederum zunächst einmal in ihren Wahlkreisen und auf Landeslisten aufgestellt werden müssen.
Das Landeswahlgesetz schreibt für diese Kandidatenaufstellungen bislang Präsenzveranstaltungen vor.
Sollten diese aufgrund der derzeitigen Pandemie oder einer anderen Notlage nicht möglich sein, würde auch dadurch das Funktionieren unserer Demokratie gefährdet werden.
Mit der Änderung der Landeswahlgesetz ermöglichen wir deshalb im Falle einer festgestellten Notlage auch Teilversammlungen an verschiedenen Orten sowie Abstimmungen die als Briefwahl oder Urnenwahl durchgeführt werden können. Auch digitale Elemente können mit Ausnahme der Schlussabstimmung zum Einsatz kommen.
Das gilt sowohl für Wahlen auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Ebenso wird


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Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de das Regelwerk für Volksabstimmungen im Falle einer Notlage angepasst.
Meine Damen und Herren, die derzeitige Corona-Krise ist schon schlimm genug. Noch viel, viel schlimmer wäre es allerdings, wenn als Folge dieser Pandemie auch unsere Demokratie in eine Krise geraten würde, weil Kandidatenaufstellungen nicht durchführbar sind oder die Handlungsfähigkeit des Parlaments nicht mehr gegeben ist.
Deshalb wappnen wir uns mit der Änderung der Landesverfassung und der Anpassung des Landeswahlgesetzes für alle erkennbaren Eventualitäten. Wir machen unsere Demokratie damit krisenfest!
Ich bitte um Zustimmung zu beiden Gesetzesvorhaben.
Herzlichen Dank!



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