Lars Harms: Wir müssen endlich das Elend an den europäischen Außengrenzen verringern
Presseinformation Kiel, den 26.02.2021Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 25 Schnelle Hilfe für Geflüchtete an den EU-Außengrenzen Drs. 19/2772 & 19/2817„Was in den Flüchtlingslagern in Südeuropa vor sich geht ist ein humanitärerBankrott.“Tatsächlich ist die Asyl- und Fluchtpolitik momentan ein politisches Feld, das mich eher ermüdet,als motiviert. Es scheint einfach nicht voran zu gehen. Und das, obwohl wir in Schleswig-Holsteinin einem Land leben, in dem die Menschen auf die Straßen gehen, damit ihre Kommunen mehrGeflüchtete aufnehmen dürfen.Früher war Moria das Schreckgespenst. Seit dem Brand hören wir, die neuen Lager auf demehemaligen Truppenübungsplatz Kara Tepe seien noch schlimmer. Dort wurde wegenRattenbissen gegen Tetanus geimpft. Aktuell lesen wir oft vom Lager Lipa in Bosnien-Herzegowina. Die meisten Geflüchteten hier wollen nach Kroatien, um in der EU Asylanträge zustellen. Auch hier hat es gebrannt. Und mit den Zelten sind die wenigen Reisegüter derGeflüchteten zerstört worden. In neuen Zelten ist nicht mehr genügend Platz, also übernachtenviele im Wald oder in verlassenen Gebäuden. Wenn Sie Fotos oder Videos aus Lipa sehen, sehen sie ( ( 2Menschen mit eingefallenen Gesichtern und erfrorenen Füßen. Die wenigen Bilder, die Siehingegen aus Griechenland noch zu Gesicht bekommen, haben es auf Umwegen über sozialeMedien an die Öffentlichkeit geschafft. Journalisten haben offiziell keinen Zutritt in Kara Tepe undNGO’s müssen unterschreiben, dass sie nichts von dem Gesehenen verbreiten werden. All das ansich ist schon ein humanitärer Bankrott.Da haben wir aber noch nicht über die weltweite Pandemie, die natürlich nicht vor Zeltstätten Haltmacht gesprochen. Oder über die Kältewelle, die momentan beide Länder im Bann hält.Schneeregen und Hagel, Sturmböen, die Zeltplanen davon reißen, in Griechenland.Von Geflüchteten, die in Bosnien ausharren, hören wir ganz klar, es geht jetzt darum, nicht zuerfrieren. Sie kämpfen dort um ihr Leben. Die Bundeswehr hat doch in Deutschland bewiesen, dasssie Zeltlager für Geflüchtete aufbauen kann. Warum sollte sie das nicht genau so an denAußengrenzen Europas tun können? Das muss doch etwas passieren! Aber dieses „laufen lassen“scheint System zu haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.Und deswegen gibt es eigentlich keine passenderen Worte als die von Norbert Blüm, die 2018 ineinem Gast-Beitrag der Süddeutschen veröffentlicht wurden. „Wenn 500 Millionen Europäer keinefünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir ambesten den Laden 'Europa' wegen moralischer Insolvenz“.So gesehen frage ich mich schon, was ich von dem Projekt Europäische Union noch halte. Wieernst gemeint können wir noch von „europäischen Werten“, einer „europäischen Gemeinschaft“und „europäischer Zusammenarbeit“ reden? Was sind weitestgehend offene Grenzen im Innerenwert, wenn an Außengrenzen Menschen dahinsiechen und Menschenrechte verwehrt werden?So wie es jetzt aussieht, sieht die europäische Grenzagentur FRONTEX über illegale Pushbacks inder Ägäis hinweg. Das ist klar rechtswidrig, auch wenn sich Griechenland argumentativbeispielsweise auf die eigene Grenzsicherung zurückzieht. Das Europäische Amt fürBetrugsbekämpfung hat hier bereits Ermittlungen aufgenommen. Und dann müssen wir doch die 3Arbeit von FRONTEX auf völlig andere Beine stellen. In der Kausalkette des Fingerzeigs, wer dennnun wirklich entscheidet, welche Flüchtlinge hier Sicherheit finden sollen, landen wir doch immerwieder in der Europäischen Union. Und dort kommt es einfach zu keiner Einigung. Wie soll dasauch gehen. Viele Regierungen Europas sperren sich. Sich mit ihnen auf einen Kompromiss zueinigen, würde bedeuten, stark hinter die eigenen Maßstäbe zurück zu fallen.Und meine Verzweiflung ist inzwischen schon so groß, dass ich mich selbst vor diesemHintergrund auf Kompromissvereinbarungen einlassen würde. Denn dann hätten die Menschenwenigstens die Sicherheit, woran sie sind und auf welche Art und Weise sie zu uns kommenkönnen. Derzeit haben sie überhaupt keine Perspektive und vor allem keine Möglichkeiten ihreRechte geltend zu machen. Ein Armutszeugnis für die Europäische Union!Und von der Landesregierung möchte ich jetzt eigentlich nur noch wissen, wie wir denForderungen unserer Kommunen nachkommen können, um endlich das Elend an deneuropäischen Außengrenzen zu verringern. Denn aus Sicht des SSW müssen wir weiter mit gutemBeispiel voran gehen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/